# taz.de -- Tunesien und die arabische Welt: "Heute Ben Ali, morgen Mubarak" | |
> Die Machthaber in der Region bezeichnen den Umbruch in Tunesien meist als | |
> "innere Angelegenheit" des Landes – nur Gaddafi ist "schmerzhaft | |
> berührt". | |
Bild: Ägyptische und tunesische Fahne, fotografiert bei einer Demonstration in… | |
BAGDAD taz | Die meisten Herrscher in der arabischen Welt hüllen sich über | |
den Umbruch in Tunesien in Schweigen. Verständlich, müssen sie doch ein | |
Überspringen der Revolution fürchten. Nur einer konnte sich ein Wort nicht | |
verkneifen - der libysche Machthaber Muammar al-Gaddafi. Er sei | |
"schmerzhaft berührt" von dem, was in Tunesien geschehe, sagte er. Tunesien | |
werde Opfer von Gangs und Dieben, dabei habe niemand das Land besser | |
regiert als der geflüchtete Präsident Ben Ali, sagte Gaddafi, der selbst | |
seit mehr als 40 Jahren an der Macht ist. | |
Im Rest der arabischen Welt beschränkten sich die Herrscher auf dürre | |
Worte, in denen sie die Revolte als innere Angelegenheit Tunesiens | |
bezeichneten, oder sie erklären, man respektiere den Willen und Wunsch der | |
Tunesier. Selbst im Irak, neben dem Libanon das einzige Land, das freie | |
Wahlen kennt, wollten sich Regierungsvertreter nicht äußern. | |
Bei den Unzufriedenen ist der Jubel groß. In Kommentaren und Foren sehen | |
sie eine neue Ära anbrechen. "Die Jasmin-Revolution in Tunesien beweist wie | |
zuvor der Sturz von Saddam, dass das Ende der Tyrannen unvermeidlich ist", | |
schreibt die irakische Zeitung al-Mada. Doch anders als die Iraker haben | |
die Tunesier ihren Despoten selbst verjagt, erinnert al-Mada. "Dass das | |
Volk erstmals in der arabischen Welt einen Diktator gestürzt hat, wird | |
andere inspirieren." | |
"Heute Ben Ali, morgen Husni Mubarak", schreibt ein ägyptischer Twitterer | |
über den Präsidenten Ägyptens. Der ägyptische Blogger Hossam el-Hamalawy | |
hofft: "Revolutionen sind wie Dominosteine." Mehrfach zogen Kommentatoren | |
Vergleiche mit anderen Revolutionen, besonders in Osteuropa. Wie die | |
Berliner Mauer würden auch die Regime in der arabischen Welt hinweggefegt | |
werden. In der jemenitischen Hauptstadt Sanaa riefen am Sonntag rund | |
tausend Studenten zum Sturz der Regierung auf. "Freies Tunis, Sanaa grüßt | |
dich tausendmal!", rief die Menge, die zur tunesischen Botschaft gezogen | |
war. | |
Bereits im Januar hatte es in Algerien wegen eines starken Anstiegs der | |
Preise für Grundnahrungsmittel tödliche Unruhen gegeben. Und in Jordanien | |
gingen am Freitag tausende Menschen in mehreren Städten auf die Straße, um | |
gegen die hohe Arbeitslosenquote, die Inflation und auch gegen die Führung | |
zu demonstrieren. | |
Vom Maghreb bis zu Euphrat und Tigris leiden die meisten Länder an den | |
gleichen Defiziten: Chancenlosigkeit der Jugend, Korruption, Missachtung | |
der Menschenrechte und das Fehlen von Freiheitsrechten. Die Golfstaaten | |
sind bislang dank des Öls reich genug, um diese Defizite wirtschaftlich | |
auszugleichen. Alle anderen Länder, besonders unser eigenes, sollten die | |
Botschaft aus Tunis hören, sagte der irakische Abgeordnete Wail Abdul | |
Latif. | |
16 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Inga Rogg | |
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