# taz.de -- 25 Jahren Exil wieder in Haiti: Jetzt auch noch Baby Doc | |
> Nach 25 Jahren im französischen Exil ist Exdiktator Jean-Claude Duvalier | |
> zurückgekehrt - zunächst nur für ein paar Tage. Was er dort will, blieb | |
> zunächst unklar. | |
Bild: "Baby-Doc" winkt seinen Anhängern: Jean-Claude Duvalier ist zurück in H… | |
BERLIN taz | Der Empfang war eines Staatsmanns würdig. Als Jean-Claude | |
Duvalier, genannt Baby Doc, am Sonntagabend gegen 18 Uhr Ortszeit auf dem | |
Flughafen von Haitis Hauptstadt Port-au-Prince landete, wartete die Polizei | |
mit 15 Männern auf Motorrädern und sechs geländegängigen Patrouillenwagen | |
auf Haitis ehemaligen Diktator. Ein paar seiner ehemaligen Minister waren | |
da, rechte Abgeordnete und rund tausend Schaulustige. | |
Ganz überraschend kann die Rückkehr nach 25 Jahren Exil in Frankreich nicht | |
gewesen sein. Zusammen mit einer Handvoll Helfern ist einer der | |
korruptesten Staatschefs der Geschichte in einem Air-France-Flug von Paris | |
über Martinique nach Hause gekommen. | |
Was er in Haiti will, ist unklar. Einzig ein Zitat ist über seine Absichten | |
bekannt: "Ich will helfen." Als er dem Flugzeug entstieg, soll er sich in | |
Papstmanier niedergekniet, die Erde geküsst und ausgerufen haben: "Mein | |
Haiti, mein Land, das Land von Dessaline!" Letzterer war vor über 200 | |
Jahren ein Held des Befreiungskriegs gegen die französischen | |
Kolonialherren. Jean-Claudes Frau Veronique Roy sagte, ihr Mann werde nur | |
zwei oder drei Tage in Haiti bleiben. Im Laufe des Montags wolle er eine | |
Pressekonferenz geben. | |
Zunächst wurde Duvalier von der Polizei zum Hotel Caribe im Stadtzentrum | |
von Port-au-Prince eskortiert. Dort erschien er kurz auf einem Balkon im | |
zweiten Stock. Dann zog er sich zurück, um Lambí zu essen, ein etwa | |
tellergroßes schwarzes, schwabbeliges Meerestier, das als die Spezialität | |
der haitianischen Küche gilt. Das Hotel wird von UNO-Schutztruppen bewacht. | |
Am kommenden 7. Februar ist es 25 Jahre her, dass Jean-Claude Duvalier nach | |
monatelangen Unruhen das Land verlassen hat. Die USA hatten ihrem | |
langjährigen Vasallen die Unterstützung entzogen. Die haitianische Armee | |
nahm dies als Zeichen und distanzierte sich von dem Diktator. Ihm blieb nur | |
noch das Exil. Übergangspräsident wurde damals Leslie Manigat, dessen Frau | |
Mirlande sich am Sonntag der Rückkehr von Baby Doc eigentlich einer | |
Stichwahl um die Präsidentschaft Haitis hätte stellen sollen. Weil aber | |
noch immer kein offizielles Ergebnis des ersten Wahlgangs vom 28. November | |
vorliegt und unklar ist, wer denn ihr Gegner in der Stichwahl sein wird, | |
wurde der Urnengang auf unbestimmte Zeit verschoben. Duvalier meldet sich | |
in einer Zeit höchster politischer Unsicherheit zurück. | |
Im Vergleich zu der 70-jährigen Mirlande Manigat ist Baby Doc mit 59 noch | |
relativ jung und könnte durchaus eine politische Zukunft haben. Er war erst | |
19, als er sich 1971 zum "Präsidenten auf Lebenszeit" erklärte. Sein Vater | |
François hatte 1957 eine demokratische Wahl gewonnen. Der Arzt - daher sein | |
Spitzname Papa Doc - war in der armen schwarzen Bevölkerungsmehrheit | |
beliebt, weil er selbst schwarz war und mit Ressentiments gegen Mulatten | |
und Weiße spielte. Zur Sicherung seiner Macht baute er mit den sogenannten | |
Tontons Macoutes eine überaus gewalttätige paramilitärische Truppe auf, die | |
er gnadenlos gegen jegliche Opposition einsetzte. Er starb 1971 friedlich | |
im Bett. | |
Sein Sohn Baby Doc war damals ein Playboy, der hellhäutige Frauen liebte. | |
Er verfeinerte die vom Vater übernommene Kleptokratie und stützte sich | |
dabei wie dieser auf die Tontons Macoutes. Rund 60.000 Menschen wurden in | |
den 28 Jahren der Duvalier-Diktatur ermordet. Die Familie soll sich | |
zwischen 360 und 960 Millionen Dollar unter den Nagel gerissen haben. Erst | |
dann wurde sie vertrieben. Ein Erfolg von kurzer Dauer: Übergangspräsident | |
Leslie Manigat wurde schon nach dreieinhalb Monaten vom Militär | |
weggeputscht. | |
Seit seiner Flucht lebte Duvalier in Frankreich im Exil, zunächst in | |
luxuriösen Villen an der Côte dAzur. Schnell habe er das geklaute Vermögen | |
durchgebracht, heißt es. Eine Zeit lang vermutete man ihn gar als Clochard | |
unter den Brücken von Paris. 2005 tauchte er wieder auf und kündigte seine | |
Kandidatur für die Präsidentschaftswahl 2006 an. Es blieb bei der | |
Ankündigung. | |
2007 bat Duvalier in einer Radioansprache die Haitianer um Vergebung. | |
Präsident René Préval sagte damals, im Falle von Baby Docs Rückkehr komme | |
dieser vor Gericht. Aber statt zum Gefängnis hat er ihn jetzt zum Hotel | |
eskortieren lassen. Alles andere hätte zu blutigen Unruhen führen können. | |
Duvalier wusste, dass der Zeitpunkt für ein Comeback günstig ist. | |
17 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Toni Keppeler | |
## TAGS | |
Haiti | |
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