Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Luis Posada Carriles: Das traurige Ende des Castro-Jägers
> Er plante mehrere Attentate auf Fidel Castro, arbeitete für die CIA.
> Heute will in den USA niemand mehr etwas mit Luis Posada Carriles zu tun
> haben. Er steht in Texas vor Gericht.
Bild: Auch Terroristen werden irgendwann alt: Luis Posada Carriles im November …
Es muss Luis Posada Carriles in seiner dunklen Seele schmerzen. Seit zehn
Tagen steht der 82-jährige Exilkubaner im texanischen El Paso vor Gericht
und muss alles leugnen, worauf er stolz ist. Nur so kann der fanatischste
aller Agenten, die es auf Fidel Castro abgesehen haben, seine Haut retten.
Er muss abstreiten, im Jahr 1997 eine Serie von Bombenattentaten auf Hotels
in Havanna organisiert zu haben. Die meisten dieser Anschläge richteten nur
Sachschaden an. Doch bei der Explosion am 4. September im Hotel Copacabana
kam der italienische Tourist Fabio di Celmo ums Leben. "Er war zur falschen
Zeit am falschen Ort", kommentierte Posada Carriles ein Jahr später in
einem Interview mit der New York Times.
Damals brüstete sich Carriles mit den Attentaten. Jahre später sagte er der
Einwanderungsbehörde der USA, er habe mit den Anschlägen nichts zu tun. Hat
er gelogen? Darum geht es im aktuellen Prozess.
Es ist absurd: Da ist die US-Justiz des umtriebigsten Terroristen
Lateinamerikas habhaft geworden und stellt ihn nur deshalb vor Gericht,
weil er die Einwanderungsbehörde belogen haben soll – das stellt in den USA
eine schwere Straftat dar. Wird Posada Carriles verurteilt, verschwindet er
für mindestens fünf Jahre im Gefängnis. Angesichts seines fortgeschrittenen
Alters dürfte er dann dort sterben – und die USA wären ein peinliches
Problem los. Peter Kornbluh, Leiter des Archivs für Nationale Sicherheit an
der George-Washington-Universität, fasst das Dilemma so zusammen: "Luis
Posada Carriles ist ein Terrorist, aber er ist unser Terrorist."
Die Geschichte des Luis Posada Carriles mit dem US-Geheimdienst CIA beginnt
1961. 1959 war der Sprössling einer gutbürgerlichen Familie und gelernte
Chemiker nach der kubanischen Revolution in die USA geflohen. Er ist einer
der 1.500 Männer der Brigade 2506, die von der CIA trainiert wurden, um am
17. April 1961 in der Schweinebucht vor Kuba zu landen. Ihr Ziel, Fidel
Castro zu stürzen, scheitert kläglich. Posada Carriles kommt in
Kriegsgefangenschaft und wird später gegen Lebensmittellieferungen
ausgetauscht.
## Sprengstoff in Colgate
In den folgenden Jahren spioniert er im Auftrag der CIA seine kubanischen
Landsleute in Miami aus und wird dann von seinen Gönnern in Venezuela beim
Geheimdienst untergebracht. Nach inzwischen veröffentlichten Geheimpapieren
der US-Bundespolizei FBI stand er bis mindestens Juni 1976 im Sold der CIA.
Diese Dokumente belegen auch die Vorbereitung des schlimmsten Attentats
seines Agentenlebens: Eine mit Plastiksprengstoff gefüllte Zahnpastatube
der Marke Colgate reißt am 6. Oktober 1976 eine kubanische Verkehrsmaschine
auf ihrem Flug von Guyana nach Puerto Rico auseinander. 73 Menschen
sterben.
Auch wenn die FBI-Dokumente seine Täterschaft nahelegen und die
Staatsanwaltschaft in Venezuela davon überzeugt ist: Carriles hat nie
zugegeben, für dieses Attentat verantwortlich zu sein. Ein Prozess gegen
ihn in Venezuela verzögert sich immer wieder, und bevor ein Urteil
gesprochen wird, kann sich der Angeklagte 1985 nach neun Jahren
Untersuchungshaft, als Priester verkleidet, aus dem Gefängnis stehlen. Die
Wärter waren bestochen. Angeblich hat die Exilorganisation Cuban-American
National Foundation (CANF) dafür 50.000 Dollar gezahlt.
In den darauffolgenden 15 Jahren lebt Posada Carriles hauptsächlich im
damals ultrarechts regierten El Salvador. Ein Dorfbürgermeister stellt ihm
eine falsche Geburtsurkunde aus, das Innenministerium einen falschen Pass.
Seine Kontakte zur CIA nützen ihm noch immer: Mal verschiebt er im Auftrag
von Oliver North, dem damaligen militärischen Berater im Nationalen
Sicherheitsrat der USA, illegal Waffen an die antisandinistische Contra in
Nicaragua, mal dient er dem rechten salvadorianischen Präsidenten Napoleón
Duarte oder dessen guatemaltekischem Kollegen Vinicio Cerezo als
Sicherheitsberater.
Das sind eher Gelegenheitsjobs. Richtig gut geht es dem Exilkubaner in
diesen Jahren nicht. Immer wieder bettelt er bei der CANF, und wenn gar
nichts mehr geht, malt er schwülstige Ölschinken mit kubanischen
Fantasielandschaften und verscherbelt sie an heimwehkranke Exilanten.
## 12 Schüsse überlebt
1990 hätte es ihn fast erwischt. Ein Kommando aus salvadorianischen
Guerilleros, das ihn im Auftrag Fidel Castros in Guatemala jagt, spürt ihn
auf und streckt ihn mit zwölf Schüssen nieder. Eine Kugel steckt neben dem
Herzen, eine andere zerschmettert seinen Unterkiefer. Monatelang liegt
Carriles im Krankenhaus. Seither ist sein Gesicht entstellt, und er
nuschelt.
Nach der Genesung ist er plötzlich wieder wer. Castro hatte ihn ernst
genommen, also tut es auch die ultrarechte Agentenszene. Er bekommt wieder
Geld, und seine Attentatsversuche häufen sich. 1993 konspiriert er
gemeinsam mit Guillermo Pinel Cálix, dem damaligen Geheimdienstchef der
honduranischen Armee, gegen den liberalen Präsidenten Carlos Roberto Reina.
Der bemüht sich um diplomatische Beziehungen zwischen Honduras und Kuba und
will die Macht der Armee begrenzen.
Posada Carriles verspricht, den Präsidenten aus dem Weg zu räumen. Pinel
Cálix will im Gegenzug helfen, ein kubanisches Frachtschiff vor der
honduranischen Küste zu sprengen. Tatsächlich explodierten damals in
Honduras einige Bomben. Doch Reina war immer meilenweit entfernt. Pinel
Cálix zweifelt an der Ernsthaftigkeit seines Partners und bläst das
Attentat auf den Frachter ab.
Danach konzentriert sich Posada Carriles auf Fidel Castro und seine
Auftritte bei ibero-amerikanischen Gipfeltreffen. Doch 1994 im
kolumbianischen Cartagena ist Castro so gut abgeschirmt, dass der
Exilkubaner ihn nur von Ferne in einer Kutsche vorbeifahren sieht. 1998 in
Santo Domingo verrät ein Mitverschwörer Carriles im Vorfeld. Dazwischen lag
1997 die Bombenserie von Havanna, die Posada Carriles mithilfe von drei
salvadorianischen Kleinkriminellen durchzog.
Im Jahr 2000 beim Gipfel in Panama-Stadt soll Castro während einer Rede in
der Universität in die Luft gesprengt werden. Posada Carriles ist mit drei
Komplizen angereist. Doch der kubanische Geheimdienst hat die Polizei von
Panama informiert, die bereits wartet. Das Quartett wird verhaftet und zu
Haftstrafen von sieben und acht Jahren verurteilt.
Carriles muss die Strafe nicht ganz absitzen. Im August 2004 wird er von
Präsidentin Mireya Moscoso "aus humanitären Gründen" begnadigt. Moscoso,
die ihr Amt wenige Tage später an den linken Martín Torrijos abgeben muss,
befürchtete, Torrijos werde Carriles an Venezuela oder Kuba ausliefern.
Angeblich hat der damalige US-Präsident George W. Bush um die Begnadigung
gebeten. Posada Carriles flieht nach Honduras und bleibt zunächst
verschwunden.
Ende März 2005 taucht er in Miami auf. Es gibt drei Geschichten, wie er
dort hingekommen ist. Eine besagt, er sei an Bord eines als Shrimpkutter
getarnten Schmugglerboots gekommen. Nach einer anderen haben ihn Schlepper
illegal über die Grenze von Mexiko nach Texas gebracht. Er selbst
behauptet, er sei über einen ganz normalen Grenzübergang eingereist.
## Der Unabschiebbare
Seither versuchen die USA, ihn wieder loszuwerden. Zunächst wird Posada
Carriles für zwei Jahre in Auslieferungshaft genommen. Venezuela stellt
einen entsprechenden Antrag. Doch dem dortigen Präsidenten und
Castro-Freund Hugo Chávez wollen die USA ihren Mann nicht in den Rachen
werfen. Sie versuchen stattdessen, ihn nach Costa Rica, El Salvador,
Guatemala, Honduras, Kanada, Mexiko oder Panama abzuschieben. Alle lehnen
ab.
Im Mai 2007 wird er gegen eine Kaution von 350.000 Dollar mit einer
elektronischen Fußfessel entlassen. Schon einen Monat später werden diese
Auflagen aufgehoben. Aber an einem Prozess in den USA führt kein Weg mehr
vorbei, und sei es wegen Belügens der Einwanderungsbehörde. Wird Posada
Carriles verurteilt, verschwindet er aus der Öffentlichkeit. Alles andere
kann man dann wieder vertuschen.
20 Jan 2011
## AUTOREN
Toni Keppeler
Toni Keppeler
## TAGS
Schwerpunkt Fidel Castro
Kuba
Jimmy Carter
## ARTIKEL ZUM THEMA
Exilkubaner Luis Posada Carriles tot: Ein Leben gegen Fidel Castro
Luis Posada Carriles hieß einer der glühendsten Feinde Fidel Castros. Der
für Bombenanschläge verantwortliche Ex-CIA-Mann ist nun gestorben.
Opposition in Kuba: Zahl der Verhaftungen stark gestiegen
Mehr als 400 Festnahmen aus politischen Gründen soll es allein im Oktober
gegeben haben. Besonders betroffen: die Bürgerrechtsbewegung „Frauen in
Weiß“.
Jimmy Carter zu Besuch in Havanna: Gefangenenaustausch in Aussicht
Bei einem Besuch auf Kuba versucht sich Ex-Präsident Jimmy Carter als
Vermittler. Er spricht mit Regierung und Opposition und kündigt Erfolge bei
der Freilassung von Spionen an.
Kuba lockert Internet-Zensur: Freiheit für kubanische Blogger
Kuba hat zahlreiche regierungskritische Blogs wieder freigeschaltet,
darunter auch "Generación Y". Gründe für ihren Kurswechsel nennt die
Regierung nicht.
Portrait Francisco Chávez Abarca: Der Bomber von Havanna
Er arbeitete für den Castro-Feind Luis Posada Carriles und verübte mehrere
Bombenanschläge auf Kuba. Nun wurde Francisco Chávez zu 30 Jahren Haft
verurteilt.
Kuba entlässt politische Häftlinge: Ein Hauch von Wende
Die geplante Entlassung aller politischen Gefangenen Kubas ist ein
Zugeständnis an die EU. Denn Havanna braucht Partner und steht kurz vorm
Bankrott.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.