# taz.de -- Wissenschaftsakademien für PID: Embryonenselektion in der Petrisch… | |
> Die Wissenschaftsakademien setzen sich für die Zulassung von PID ein. Sie | |
> fordern: Frauen sollen auswählen dürfen, welche Embryonen sie austragen | |
> wollen. | |
Bild: Tiefgefrorene Embryonen in einer britischen Reproduktionsklinik. | |
BERLIN taz | Die drei großen deutschen Wissenschaftsakademien haben ein | |
eindeutiges Votum für eine gesetzliche Zulassung der | |
Präimplantationsdiagnostik (PID) ausgesprochen. Nach der gemeinsam v[1][on | |
der Nationalakademie Leopoldina, der Deutschen Akademie der | |
Technikwissenschaften (acatech) und der Berlin-Brandenburgischen Akademie | |
der Wissenschaften vorgelegten Stellungnahme] soll die PID nur bei schweren | |
Erbkrankheiten zulässig sein. In jedem Fall soll eine individuelle | |
Entscheidung herbeigeführt werden. Zuständig dafür soll eine Kommission | |
sein, der alle Anträge für eine PID vorzulegen sind. | |
Mit der Zulassung der PID könne eine "Schwangerschaft auf Probe sowie ein | |
späterer Schwangerschaftsabbruch vermieden werden", heißt es in der | |
Stellungnahme, die von einer 16-köpfigen Expertengruppe formuliert wurde. | |
Auch die Zahl der Totgeburten könnte mit Hilfe der PID reduziert werden. | |
Nach den Vorstellungen der Expertengruppe soll der Embryonencheck im | |
Reagenzglas nur bei schweren Erbkrankheiten vorgenommen werden. | |
Ein "Verdacht allein reicht noch nicht aus", erläuterte der Lübecker | |
Reproduktionsmediziner Professor Klaus Diedrich, der die Stellungnahme mit | |
ausgearbeitet hat. Um die PID anzuwenden, müsste in der Familie schon ein | |
schwerer Fall einer genetisch bedingten Erbkrankheit aufgetreten sein, | |
erläuterte Diedrich. | |
Betont wird in der Stellungnahme, dass PID vor allem zulässig sein müsse, | |
um die "Entscheidungsfreiheit der Frau" zu gewährleisten. Sie habe das | |
Recht zu entscheiden, ob ein und wenn ja welches Embryo in ihre Gebärmutter | |
übertragen werde, so der Tenor des Positionspapiers. | |
Einschränkungen soll es trotz geben: Nicht zum Einsatz kommen soll die PID | |
etwa um sogenannte Aneuploidien zu verhindern; das sind genetische | |
Störungen, bei denen die Chromosomenzahl von der Norm abweicht. Die | |
bekannteste davon ist die Trisomie 21, auch Down-Syndrom genannt. Mehrere | |
im Ausland durchgeführte Studien hätten gezeigt, dass die PID nicht dazu | |
beitrage, die Aneuploidien zu reduzieren, heißt es dazu. | |
Die grundsätzliche Frage, ob es verfassungrechtlich überhaupt zulässig ist, | |
Embryonen auszuselektieren und zu verwerfen, hat die Arbeitsgruppe der | |
Wissenschaftsakademien links liegen gelassen. Denn sollten Embryonen von | |
der Befruchtung an den gleichen Status haben wie geborene Kinder, dann | |
müsste die PID verboten werden, stellte die Ethikprofessorin Bettina | |
Schöne-Seifert von der Uni Münster bei der Vorstellung des Positionspapiers | |
klar. | |
"Unsere Stellungnahme versucht, einen Weg aufzuweisen, wie ohne Änderung | |
des Embryonenschutzgesetzes (ESchG) die PID durchgeführt werden kann", | |
erläuterte Professor Rüdiger Wolfrum, der als Rechtsexperte an dem Papier | |
mitgearbeitet hatte. Denn obwohl der Bundesgerichtshof (BGH) im Juli 2010 | |
die Embryonenselektion mit dem ESchG für vereinbar erklärte, sind in dem | |
seit 1991 gültigen Gesetz noch einige Hemmnisse für die PID vorhanden. | |
So ist auch nach dem BGH-Urteil nicht jede PID zulässig. Zum einen befasste | |
sich das BGH nur mit schweren Erbkrankheiten. Und es stellte in der | |
Urteilsbegründung auch besonders heraus, dass die PID nur durchgeführt | |
werden dürfe, wenn die dem Reagenzglasembryo entnommenen Zellen nicht mehr | |
totipotent, also voll entwicklungsfähig sind. Die Expertengruppe der | |
Wissenschaftsakademien geht davon aus, dass dies bereits während des | |
vierten Teilungszyklusses der Fall ist - wenn der Embryo in das | |
16-Zell-Stadium übergeht. | |
Ein weiteres Hindernis im ESchG ist, dass für eine künstliche Befruchtung | |
nur maximal drei Embryonen hergestellt werden dürfen. Bei den im Ausland | |
durchgeführten PIDs sind es weitaus mehr. Da könne man ja jeweils drei | |
untersuchen und "die restlichen einfrieren", schlägt der Repromediziner | |
Diedrich vor. | |
Sein Kollege Professor Henning Beier, von der RWTH Aachen, setzt hingegen | |
auf den Faktor Zeit. Er geht davon aus, dass später einmal "die Vernunft | |
siegen wird" und dann doch mehr Embryonen hergestellt werden dürfen oder | |
zumindest Juristen dieses Passus in ihren Kommentaren anders auslegen | |
werden. Anscheinend geht es ihm jetzt erst einmal darum, die Tür für die | |
PID auf Gesetzesebene zu öffnen. | |
21 Jan 2011 | |
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## AUTOREN | |
Wolfgang Löhr | |
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Gentest | |
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