# taz.de -- Geplante Räumung in Berlin-Friedrichshain: Linke, kauft Häuser! | |
> Die 1990 besetzte Liebigstraße Nummer 14 in Berlin soll am Mittwoch | |
> geräumt werden. Polizei und linke Szene rüsten auf. Das Revival des | |
> berüchtigten Häuserkampfs? | |
Bild: Fassadenkletterer bringen an der Liebigstraße 14 ein Plakat an. | |
Die Bilder sind bekannt. Die Polizei wird mit einem Großaufgebot am | |
Mittwochmorgen weite Teile von Berlin-Friedrichshain sperren. Im Laufe des | |
Vormittags wird dann mehr oder weniger schnell das Haus Liebigstraße 14 | |
geräumt. Dabei wird es zu Handgreiflichkeiten kommen. Später werden | |
Farbbeutel fliegen. Wahrscheinlich werden auch mal wieder Luxusautos | |
angezündet. Und am Abend wird es eine Demo geben. Tausende überwiegend | |
martialisch schwarz Gekleidete werden durch die Stadt ziehen. Fliegende | |
Flaschen, Steine und Feuerwerkskörper auf der einen, Schlagstöcke und | |
Wasserwerfer auf der anderen Seite runden das Bild ab. | |
All dies lässt sich mit Leichtigkeit voraussagen, seit bekannt wurde, dass | |
das Haus Liebigstraße 14 in Berlin-Friedrichshain am 2. Februar tatsächlich | |
geräumt werden soll. Doch was soll uns dieses Wiederaufführung der | |
altbekannten Räumungsshow eigentlich sagen? Ist die "Liebig 14", wie das | |
Projekt in der linken Szene genannt wird, ein Symbol mit einer Strahlkraft | |
über den Kiez, ja über die Stadt Berlin hinaus? Und wenn ja, wofür | |
eigentlich? | |
Eines lässt sich mit Sicherheit sagen: Keinesfalls steht die Räumung für | |
ein Revival des Berliner Häuserkampfs. In den 80ern und 90ern gab es eine | |
starke linke Szene, die leer stehende Räume kapern konnte. Auf der anderen | |
Seite rückte die Polizei teils auf den bloßen Wunsch der Eigentümer an, um | |
missliebige illegale Nutzer aus besetzten Häusern zu schmeißen. Ob auch die | |
rechtlichen Voraussetzungen für solch einen Polizeieinsatz gegeben waren, | |
war zweitrangig. | |
Das ist bei der Liebig 14 anders. Zwar wurde das Haus 1990, in der kurzen | |
anarchischen Phase zwischen Mauerfall und Wiedervereinigung, tatsächlich | |
mal besetzt. Doch wie die meisten Besetzer in Ostberlin bekamen auch die | |
Bewohner der Liebigstraße 14 bald Mietverträge. Seither war die Nutzung | |
legal. | |
Dummerweise waren die Verträge nur ein Hilfskonstrukt. Sie haben nie | |
wirklich zur kollektiven Nutzung eines gesamten Hauses durch eine Riesen-WG | |
gepasst. Zudem haben sowohl Bewohner als auch Eigentümer im Laufe der Zeit | |
gewechselt, ohne dass die Verträge geändert wurden. Der Konflikt war somit | |
vorprogrammiert. Der Eigentümer nutzte die Chance und gewann eine | |
Räumungsklage im Herbst 2009. | |
Dennoch wurde zusammen mit Bezirkspolitikern noch über ein Jahr nach einer | |
Verhandlungslösung gesucht. Alles in allem haben die Projektbewohner und | |
die lokale Politik trotz aller Schwierigkeiten einen weitgehend zivilen | |
Umgang miteinander gepflegt. Das darf man nicht vergessen, auch wenn es am | |
Mittwoch zu Krawall kommen sollte. Erst recht nicht, wenn Polizei, Politik | |
und vor allem auch die linke Szene den Konflikt mit der Rhetorik und | |
Ästhetik der 80er inszenieren werden. | |
Symbolkraft gewinnt die Liebig 14 vor allem durch ihr direktes Umfeld. Das | |
hat sich im Laufe der letzten 20 Jahre unübersehbar entwickelt. Es ist zu | |
einem beliebten Wohnviertel mit entsprechenden Mieten geworden. Diese viel | |
diskutierte Gentrifizierung läuft gewöhnlich in so kleinen Schritten ab, | |
dass sie nur bei genauem Hinsehen bemerkt wird. Im Kontrast zwischen dem | |
Hausprojekt und den schick sanierten Gebäuden in der Nachbarschaft aber | |
wird die Entwicklung offensichtlich. | |
Der Unterschied liegt nicht einmal in Äußerlichkeiten. Die Fassade der | |
Liebigstraße 14 ist eigentlich ganz schmuck. Es geht viel mehr um die Art | |
der Nutzung. Eine Gruppe meist junger Menschen versucht sich an offenen | |
Lebensformen, die vor allem eins überschreiten: die übliche Grenze zwischen | |
den Wohnungen. So etwas hat der Wohnungsmarkt gewöhnlich nicht im Angebot. | |
Dafür braucht es schon komplett leer stehende Häuser. | |
Doch diese Freiräume, die die linke Szene einst mit Leichtigkeit erobern | |
konnte, sind längst besetzt. Von ganz normalen Bewohnern. Von Eigentümern. | |
Von Gewerbetreibenden. Das hat es selbst den wohlwollendsten Politikern so | |
schwer gemacht, den Bewohnern der Liebig 14 ein Ausweichquartier | |
anzubieten. | |
Der Konflikt zeigt daher vor allem eins: Am Immobilienmarkt gewinnt am Ende | |
stets der Eigentümer. Er sitzt am längeren Hebel. 20 Jahre, das zeigt die | |
Liebig 14, kann ein Projekt mit langem Atem auch gegen den Willen des | |
Hauseigentümers überdauern. Auf noch längere Sicht aber gibt es nur einen | |
Weg: Die Häuser müssen tatsächlich denen gehören, die drin wohnen. | |
Ansonsten wiederholen sich früher oder später die altbekannten Bilder. | |
31 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Gereon Asmuth | |
## TAGS | |
Hausprojekt | |
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