# taz.de -- Renate Künasts Wahlprogramm: Weg mit den Tempo-30-Schildern | |
> Renate Künast stellt ihr Wahlprogramm für Berlin vor – kein Wort von | |
> Tempo 30 oder Regionalflugplatz Schönefeld. Was sie mit "Berlin für alle" | |
> meint, bleibt unklar. | |
Bild: Die Welle, auf der Renate Künast bis zu ihrer Kandidatenkrönung im Nove… | |
BERLIN taz | Als ehemalige Freizeitkickerin weiß Renate Künast, wie man | |
eine Formkrise überwindet. Dass Führungsspieler und Mannschaft eins sein | |
müssen. Dass der Wille zum Sieg spürbar sein muss. Bei der Vorstellung des | |
Entwurfs eines grünen Wahlprogramms hat die Spitzenkandidatin für die Wahl | |
zum Berliner Abgeordnetenhaus deshalb signalisiert, künftig im Dienst ihres | |
Teams spielen zu wollen. An ihrem Anspruch aber hat sie keinen Zweifel | |
gelassen: "Ich untermaure für mich den Anspruch, Regierende Bürgermeisterin | |
von Berlin zu werden." | |
Es war zuletzt nicht gut gelaufen für die grüne Fraktionsvorsitzende im | |
Bundestag und ehemalige Verbraucherschutzministerin. Die Welle, auf der | |
Renate Künast bis zu ihrer Kandidatenkrönung im November ritt, ist merklich | |
abgeflaut. Nur noch auf 24 Prozent kommen die Hauptstadtgrünen bei den | |
jüngsten Umfragen. | |
Die SPD von Amtsinhaber Klaus Wowereit liegt mit 28 Prozent wieder klar in | |
Führung. Nicht zuletzt deshalb fürchtet manch grüner Funktionär, dass sich | |
die Berliner Grünen mit ihrem Negativlauf bis zur Wahl am 18. September | |
abkoppeln vom positiven Trend im Bund. | |
Die Diskussion um das grüne Wahlprogramm kommt in dieser Situation wie | |
gerufen. "Der Entwurf ist so breit, wie die Grünen noch nie aufgestellt | |
waren", freute sich die 55-Jährige bei der Präsentation des 118 Seiten | |
starken "Entwurfs für Berlin". | |
Die Breite hat auch damit zu tun, dass einige der Künast-Forderungen, die | |
zuletzt auch in den eigenen Reihen für Irritationen gesorgt hatten, | |
kurzerhand gestrichen wurden. Weder soll der Flughafen Berlin Brandenburg | |
International ein Regionalflughafen werden, noch wird die Verbeamtung von | |
Lehrern gefordert oder flächendeckend Tempo 30 in der Stadt. | |
Künasts Formelkompromiss zum Autoverkehr lautet nun: "Wir wollen Berlin von | |
den Verkehrsschildern befreien." Tempo-30-Schilder sollen demnach | |
abgeschraubt werden, und Tempo-50-Schilder dort angebracht werden, wo Tempo | |
50 erlaubt ist. Die Regel wird damit zur Ausnahme, ohne dass sich an den | |
Verhältnissen etwas ändert. Im Künast-Sprech heißt das: "Wir passen die | |
Gesetzeslage der Realität an." | |
Tatsächlich aber haben die Berliner Grünen ihre Spitzenkandidatin auf die | |
Beschlusslage verpflichtet. Mit den Abstimmungsproblemen und | |
Kommunikationspannen, über die sich vor allem grüne Fachpolitiker beklagt | |
hatten, soll nun Schluss sein. "Wir wollen das Programm in der Partei, aber | |
auch mit den Bürgern diskutieren", zeigte sich Künast lernfähig. | |
Die Botschaft, die von der endgültigen Verabschiedung des Wahlprogramms auf | |
einem Landesparteitag am 5. März ausgehen soll, hat die Spitzenkandidatin | |
schon mal vorformuliert: "Die Grünen haben programmatische Reife erreicht." | |
Ob Renate Künast bis dahin auch zur Höchstform aufläuft, ist die Frage, die | |
derzeit nicht nur die grünen Gemüter in Berlin bewegt. Geht es ums Detail, | |
ist sie nicht selten uninformiert und wirkt verkrampft. Steht dagegen das | |
Große und Ganze zur Debatte, wird Künast schnell blumig. "Wir wollen ein | |
Berlin für alle", sagt sie zum Schluss ihrer Präsentation. "Für alle, die | |
hier geboren sind und zugezogen sind, ein Berlin für alle Schichten." | |
Ob die Freizeitkickerin damit am Ende die Meisterschale hochhält? Acht | |
Monate Zeit hat Renate Künast, das Blatt zu wenden. | |
2 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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