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# taz.de -- Berlinale-Eröffnungsfilm "True Grit": Zungen im Duell
> "True Grit" von den Brüdern Joel und Ethan Coen eröffnet die 61.
> Berlinale. Die Romanadaption balanciert souverän zwischen Ernst und
> Ironie.
Bild: Sanftherziger Wild-West-Lebowski mit Killerinstinkt: Jeff Bridges interpr…
BERLIN taz | Das Einzigartige an Charles Portis Wild-West-Satire "True
Grit" aus dem Jahr 1968 ist, dass sich hier selbst die nebensächlichste
Nebenfigur aufspielt, als hätte sie eigentlich das Zeug dazu, Protagonist
in einem Shakespeare-Drama zu sein. Selten jedenfalls wird in einem Roman
derart ausgiebig und eloquent mit dem eigenen Schicksal gehadert wie hier.
Diese Neigung zum Lamentieren ist einerseits extrem komisch, gleichzeitig
lässt sie trotz aller alttestamentarischen Gerechtigkeitsfantasien, die
Portis Geschichte umwehen, die Grenzen zwischen Gut und Böse immer wieder
momenthaft zerfließen.
Henry Hathaway hat den Portis-Roman 1969 mit einem alternden John Wayne in
der Rolle des aufgedunsenen einäugigen Deputy Marshals Reuben "Rooster"
Cogburn verfilmt, wofür Wayne mit einem Oscar, dem einzigen seiner
Karriere, ausgezeichnet wurde. Jetzt haben sich die Coen-Brüder noch einmal
an "True Grit" herangewagt und genau wie Hathaway halten sie sich in Bezug
auf Dialoge und Dramaturgie akribisch an die Vorlage.
"True Grit" spielt in den 1870er-Jahren, wenige Jahre nach Ende des
amerikanischen Bürgerkriegs, und erzählt die Geschichte der
vierzehnjährigen Mattie Ross, die sich am Feigling Tom Chaney, dem Mörder
ihres Vaters, rächen möchte. Chaney befindet sich auf der Flucht, es geht
das Gerücht um, er habe sich der Gangsterbande von Lucky Ned Pepper
angeschlossen. Um ihn aufzuspüren, heuert Mattie Cogburn an, der dafür
bekannt ist, im Zweifel eher einmal zu viel als zu wenig Gebrauch von
seiner Schusswaffe zu machen. Im Schlepptau haben die beiden den
aufgeblasenen Texas Ranger LaBoeuf (sprich: LaBeef), der zunächst wenig
Interesse daran zeigt, Mattie mit auf die Jagd zu nehmen.
In "True Grit" feilscht jeder ständig mit jedem, alle sind irgendwie
käuflich, alles hat seinen Preis, und so werden die Duelle in der ersten
Hälfte weniger mit der Waffe als mit der Zunge ausgetragen. Das wird sich
in der zweiten Hälfte grundlegend ändern. Hier offenbart sich die große
Stärke der Neuverfilmung. Denn während Hathaways Film ab der Mitte mehr und
mehr in sich zusammenfällt, gelingt es den Coens auch hier, wo weniger über
Dialoge als über Bilder erzählt wird, dem Geist des Romans weitgehend treu
zu bleiben.
Das funktioniert zum einen über einen Off-Kommentar, der die Geschichte eng
an die Erzählstimme Matties anbindet, zum anderen über jene Coen-typische
Art der Inszenierung, der es gelingt, gleichzeitig ernst und ironisch zu
sein und die deshalb perfekt zu Portis Roman-Erzählton passt. Die
Kameraarbeit von Roger Deakins changiert zwischen extremen Nahaufnahmen und
epischen Totalen, dem Soundtrack dient Charles Laughtons Thriller "The
Night of the Hunter" mit Robert Mitchum als mordendem Mann Gottes als
Referenzpunkt.
Kontrastiert wird diese eher düstere Atmosphäre von Figuren, die sich stets
am Rande der Lächerlichkeit bewegen. Matt Damon hat seinen schnauzbärtigen
LaBoeuf mit einer bräsigen Selbstgefälligkeit ausgestattet. Jeff Bridges
interpretiert Rooster Cogburn als sanftherzigen Wild-West-Lebowski mit
Killerinstinkt, Josh Brolin ist die dümmliche Verschlagenheit des Killers
Chaney ins Gesicht geschrieben. Alle drei werden jedoch von der streng
bezopften Hailee Steinfeld in der Rolle des engelsgesichtigen Racheengels
Mattie an die Wand gespielt, die mit ihrem trocken-humorlosen Naturell den
perfekten Kontrast zu den in grotesker Weise vom Leben gezeichneten Männern
in ihrer Umgebung darstellt.
"True Grit". Regie: Ethan und Joel Coen. Mit Jeff Bridges, Hailee
Steinfeld, Matt Damon u.a. USA 2010, 111 Min.
Donnerstag, 19.30 Uhr, Berlinale Palast, 20.30 Uhr, Friedrichstadtpalast,
Freitag 12 Uhr und 15 Uhr Friedrichstadtpalast. Regulär im Kino ab 24. 2.
10 Feb 2011
## AUTOREN
Andreas Resch
## TAGS
Film
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