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# taz.de -- Auf Spurensuche mit Corinna Harfouch: Verschollen in Frankreich
> Als Mutter ist Corinna Harfouch bei Jan Krügers Berlinale-Beitrag "Auf
> der Suche" (Forum), denn die Spur ihres Sohnes löst sich nach einer Reise
> nach Marseille in Luft auf.
Bild: Mutter (Carolina Harfouch) und Ex-Freund (Nico Rogler) des Vermissten sin…
Der Aufwand, um das eigene Land zu verlassen und in ein anderes zu
verschwinden, ist gering geworden, zumindest für die Bewohner westlicher
Zivilisationen. Und der Reiz, dieses andere Land zu nutzen, um noch ganz
andere Grenzen zu überschreiten, war seit je groß. Dass man dabei auch ganz
und gar verschwinden kann, gehört dazu.
"Auf der Suche" von Jan Krüger ist eine jener Geschichten, die sich häufen
in einer globalisierten Welt, die ihre Grenzen auflöst und die nicht mehr
nur den Exzentrikern anbietet, sich selbst zu entgrenzen oder dabei gleich
ganz verloren zu gehen. In dem neuen Film des jungen Regisseurs ist es
Simon, der zunächst nach Marseille aufbricht, um sich einige Zeit später
ganz in Luft aufzulösen.
Dabei fällt auf, dass es oft die Mütter sind, die nach den Vermissten
suchen. So wie in Fatih Akins "Auf der anderen Seite", wo die (lesbische)
Tochter gesucht wird, ist es auch hier eine Mutter, Corinna Harfouch, die
von Deutschland nach Marseille fliegt, um den (schwulen) Sohn ausfindig zu
machen. Allerdings holt sie sich einen Begleiter an ihre Seite, den
Exfreund des Sohnes, gespielt von Nico Rogler. Die beiden kennen sich kaum;
was sie vorübergehend verbindet, ist die Suche nach Simon. Ansonsten
interessieren sie sich nicht groß füreinander. Obwohl sie gemeinsam suchen,
scheint sich der Exfreund jedes Mal umdrehen zu wollen, wenn sich die
Mutter an ihn wendet. Doch ist unklar, warum sie sich so auffallend wenig
zu sagen haben.
Die Spurensuche, auf die sie sich begeben, könnte eine nachträgliche
Entdeckungsreise sein, die um so reizvoller ist, als die fremde Welt nun
von jenen entdeckt wird, die einst zurückgelassen wurden. Solche Momente
gibt es, wenn sie einen Ausflug in die Provence unternehmen, um den Weinhof
aufzusuchen, auf dem Simon sich gern aufgehalten hat. Auch das Bad im
Atlantik verführt dazu, sich vorzustellen, dass die Suchenden zu vergessen
beginnen, wonach sie suchen, und sich stattdessen das Leben des Vermissten
aneignen. Doch solche Momente scheinen kurz auf und verebben wieder in den
Wartesälen, auf den Fluren, vor Aufzügen, in den Zwischenräumen, in denen
sie als Fremde zusammengeworfen werden.
Mit der unbekannten Welt, die jetzt entdeckt wird, offenbaren sich
naturgemäß neue und fremde Seiten dieses Menschen. Doch was man erfährt,
trägt kaum dazu bei, dass man ein anderes Bild von diesem Simon bekommt.
Dass er, der sonst schwul ist, auch eine weibliche Geliebte hatte, sich ein
gelbes Auto gekauft hat und als Genussmensch auch Antidepressiva nahm,
vermag die Geschichte nicht aufzuladen.
Vielmehr gewinnt man den Eindruck, der Film reichere sich überall dort, wo
er einfach nur ausspart, mit Klischees an. Das trifft auch auf die neuen
Freunde zu. Die alten und neuen Vertrauten des Verschollenen stehen sich
plötzlich gegenüber, fragen sich aber wenig bis gar nichts.
Mutter und Exfreund bleiben einer Suche verhaftet, die nirgendwo hinführt.
Das scheint ein Problem des Films zu sein, der unentschieden wirkt, als
wüsste er selbst nicht, was ihn an dem Stoff interessiert.
Es ist allein Corinna Harfouch, die als präzise denkende und spielende
Schauspielerin in die Geschichte eindringt und als ernsthaft Fragende und
Suchende dem schlappen Drehbuch Leben einzuhauchen vermag. Die anderen
stehen nur da in der neuesten Mode.
14. 2., 23 Uhr, Arsenal; 15. 2., 22.15, Cubix 9; 22. 2., 19.15 Uhr, Delphi.
14 Feb 2011
## AUTOREN
Maxi Obexer
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