# taz.de -- "También la lluvia" als Film im Film: Aufstand in Cochabamba | |
> "También la lluvia" (Sogar der Regen) von Icíar Bollaín inszeniert den | |
> Kampf einer bolivianischen Provinzstadt gegen die Privatisierung der | |
> Grundversorgung (Panorama). | |
Bild: Ein Zeitgenosse von Christoph Kolumbus oder ein Darsteller aus der Gegenw… | |
Im Jahr 2000 erschüttern Unruhen die bolivianische Provinzhauptstadt | |
Cochabamba. Die Bevölkerung revoltiert gegen die Privatisierung der | |
Wasserversorgung. Der Aufstand eskaliert zum Bürgerkrieg mit mehreren | |
Toten. Dies ist der Hintergrund für den Spielfilm "También la lluvia" | |
("Sogar der Regen") der spanischen Regisseurin Icíar Bollaín. Es ist eine | |
geschickt inszenierte Auseinandersetzung um die Aktualität kolonialer | |
Mythen und die Realität heutiger gesellschaftlicher Kämpfe. | |
Dabei ist Bollaíns Filmkonstruktion relativ einfach gewählt: Der leicht | |
naive Regisseur Sebastián - gespielt von Schauspielstar Gael García Bernal | |
- will in Cochabamba einen Film über Christoph Kolumbus drehen. Sein Film | |
soll zeigen, wie es damals wirklich war, als die Spanier ankamen und die | |
Indianer unterwarfen. Der Film im Film wird reenactgemäß gedreht, die | |
Dreharbeiten sind Teil der von Bollaín erzählten Handlung. Sebastián lässt | |
die spanischen Eroberer von weißen Berufsdarstellern spielen, die wiederum, | |
so zeigt es Bollaín, in der neokolonialen Umgebung Boliviens automatisch | |
zur weißen Oberschicht zählen. Sebastiáns Darsteller der indigenen | |
Bevölkerung sind hingegen Laienschauspieler, rekrutiert aus der heutigen | |
Unterschicht Cochabambas. | |
Bollaín lässt den Film im Film immer stärker mit der Umgebung kollidieren: | |
Sebastián will die Geschichte des Kolonialismus kritisch reflektieren, | |
während seine Laiendarsteller und damit sein beabsichtigter | |
Historienschinken immer stärker in den realen Aufstand involviert werden. | |
Bollaíns Regiearbeit gewinnt ihren Reiz durch die spielerische Verknüpfung | |
der verschiedenen Zeit- und Realitätsebenen. Die Indios, die gerade noch | |
von den Hunden der historischen Konquistatoren gehetzt werden, gehören in | |
einer anderen Zeitebene zu den Protagonisten der Wasser-Bewegung von | |
Cochabamba oder diskutieren mit den weißen Filmleuten ihre Bezahlung. | |
Manches an dem Werk, Bollaín arbeitete öfters mit Ken Loach zusammen, | |
scheint etwas zu pathetisch und konventionell gedacht. Doch ist der Film | |
nicht ohne Witz und die Andenkulisse birgt überraschende Momente. Im | |
Wasserkrieg von 2000 siegten tatsächlich die Armen gegen das neokoloniale | |
Gespenst. Und fünf Jahre später wählte die Bevölkerungsmehrheit Boliviens | |
Evo Morales zum Präsidenten. Der tritt bei Bollaín nicht persönlich auf, | |
doch zeigt der Film andere, ohne die er nicht wäre. | |
Es wäre sicher auch lehrreich gewesen, die Regisseurin und ihr | |
spanisch-französisch-mexikanisches Produzententeam selbst bei der Arbeit | |
mit der Kamera beobachtet zu haben. Bollaíns Perspektive auf die indigene | |
Bevölkerung wirkt an manchen Stellen leicht paternalistisch, bleibt eine | |
von außen, wodurch der Film teilweise zum Bestandteil dessen wird, was er | |
attackieren möchte. Dennoch ist er sehenswert. | |
15. 2., 19 Uhr, CinemaxX 7; 16. 2., 19.30 Uhr, MGB; 22.45 Uhr, CineStar 3; | |
17. 2., 20.15 Uhr, Cubix 7; 18. 2., 20 Uhr, International. | |
15 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Andreas Fanizadeh | |
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