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# taz.de -- Shakespeares Coriolanus der Gegenwart: Häuserkampf nach Shakespeare
> Ralph Fiennes müht sich in seinem Regiedebüt, Shakespeares "Coriolanus"
> zeitgemäß zu bebildern (Wettbewerb).
Bild: Auch die Söldner reden im Blankvers.
Das Volk zieht wütend durch die Straßen. Getreide ist knapp und teuer
geworden, die Menschen leiden Hunger. Vor den Vorratsspeichern der
Mächtigen versammelt sich eine protestierende Menge. Soldaten fahren in
Panzern auf. Keine Seite ist bereit zu weichen.
Mit diesen überraschend aktuellen Bildern beginnt "Coriolanus", für den
Ralph Fiennes die Titelrolle und erstmals auch die Regie übernommen hat.
Mehr Parallelen mit gegenwärtigen Ereignissen wird es in den folgenden 120
Minuten Filmhandlung allerdings nicht geben.
Der römische Feldherr Caius Martius (Fiennes), genannt Coriolanus, kehrt
siegreich aus der Schlacht zurück. Er soll zum Konsul ernannt werden, aber
er wirbt nur widerwillig um die Zustimmung der Plebejer, für die er als
Angehöriger der Oberschicht nur offene Verachtung zeigt. Die Tribune, die
um ihre Macht fürchten, wiegeln die Menge gegen ihn auf. Coriolanus wird in
die Verbannung geschickt, verbündet sich mit den Feinden Roms, die er einst
bekämpft hat, und zieht gegen die Stadt.
Fiennes hat sich alle Mühe gegeben, der 400 Jahre alten Vorlage von William
Shakespeare einen zeitgemäßen Anstrich zu verpassen, und hat das Stück in
eine Gegenwart verlegt, wie sie täglich auf CNN zu sehen sein könnte. Der
Häuserkampf wird mit staubverschmierter Handkamera gefilmt, wichtige
Ereignisse werden als Nachrichtensendung eingespielt, Rom sieht aus wie der
Balkan. Nur die Dialoge stammen weiterhin von Shakespeare und selbst
stiernackige Söldner reden im Blankvers.
Shakespeares Lehrstück über Gewinn und Erhalt politischer Macht wird bei
Fiennes zum Drama des beleidigten Mannes. Statt als Aristokraten, der seine
Verachtung des "Plebs" durch kühle Gleichgültigkeit zur Schau stellen
würde, spielt Fiennes Coriolanus als hitzköpfigen und narbengesichtigen
Haudegen, der auf dem Schlachtfeld zu blutiger Form aufläuft, auf der
politischen Bühne jedoch völlig deplatziert wirkt. Zwar geht alle Gewalt
vom Volk aus, aber das erweist sich als Spielball in den Händen der
Politiker. Anders als in besinnungsloser Akklamation oder in wutverzerrter
Ablehnung erhebt es seine Stimme nicht. Zustimmung oder Ablehnung wird über
Fernsehshows organisiert. Die Ereignisse in Ägypten und Tunesien haben
bewiesen, dass sich keine Bevölkerung mehr für derart dumm verkaufen lässt.
20. 2., 12.30 Uhr, Friedrichstadtpalast
14 Feb 2011
## AUTOREN
Dietmar Kammerer
## TAGS
Shakespeare
William Shakespeare
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