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# taz.de -- Indie-Drama "Vampire" bei Berlinale: Wenn Kleinbürger aus der Spur…
> Blut fließt nur selten: Shunji Iwai zeigt in "Vampire" einen scheuen
> Biologielehrer mit ausgefallenem Hobby. Dieser Vampir ist nicht cool oder
> romantisch, sondern nervös und unsicher.
Bild: "Vampire" ist kein Horrorfilm im engeren Sinne, sondern eher ein leises, …
Simon ist "der Vampir". Als solcher bewegt er sich im Internet in
Gothicforen, wo er sich mit Vorliebe an junge, lebensmüde Frauen
heranmacht. Er vereinbart mit ihnen Treffen zwecks gemeinsamen Suizids,
allerdings ist am Ende des Rendezvous stets nur die Frau hinüber, und Simon
kehrt mit seiner blutigen Beute nach Hause zurück.
Ob "der Vampir" auch tatsächlich ein Vampir im mythologischen Sinne ist
oder einfach nur ein schüchterner Biologielehrer mit ausgefallenem Hobby,
der gemeinsam mit seiner pflegebedürftigen Mutter ein einsames, isoliertes
Leben führt, bleibt bis zum Schluss offen. Geschickt hält der Film
eventuelle metaphysische Dimensionen in der Schwebe; mit Sonnenlicht und
Knoblauch kommt man diesem nerdigen Monster zumindest nicht bei.
Vor zehn, fünfzehn Jahren zählten nicht wenige Shunji Iwai zu den zentralen
Regisseuren des japanischen Kinos. Seine ausufernden, stilistisch
exzessiven Jugenddramen, allen voran "Swallowtail Butterfly" und "All About
Lily Chou-Chou", brachten viel von dem auf den Punkt, was die Popkultur
ihrer Zeit bewegte. In letzter Zeit wurde es ruhiger um Iwai. Sein
Regiecomeback nach fünf Jahren Pause ist gleichzeitig seine erste
englischsprachige Arbeit. "Vampire" ist freilich keine calling card für
Hollywood, sondern ein Autorenfilm durch und durch, vielleicht das
persönlichste Werk seines Regisseurs. "Buch, Regie, Kamera, Musik,
Produktion: Shunji Iwai" heißt es im Abspann.
Mit der Renaissance des Vampirfilms in Kino ("Twilight") und Fernsehen
("True Blood") hat Iwais Werk, dessen Titel zum Trotz, wenig gemein. Genau
genommen ist "Vampire" nicht einmal ein Horrorfilm im engeren Sinne,
sondern eher ein leises, atmosphärisches Indie-Drama über zerbrechliche
junge Menschen, entfernt verwandt vielleicht mit George A. Romeros
"Martin". Wenn doch einmal Blut fließt, dann haben die Bilder nichts
Aggressives, eher geht es um eine physische Manifestation jugendlichen
Weltschmerzes, die die Kamera in fast zärtlich anmutenden Großaufnahmen
einfängt.
Das Grand-Guignol ist dem Film zutiefst fremd. Simon, ein Blutsauger mit
eigenwilligem, aber durchaus ernsthaftem moralischem Bewusstsein, wendet
sich angewidert ab, wenn einer seiner Internetfreunde, ein Rabauke in
lächerlicher Verkleidung inklusive künstlicher Vampirzähne, ein Mädchen auf
der Straße aufliest und sich am Straßenrand auf sie stürzt: "Das ist nichts
anderes als Vergewaltigung."
Kevin Zegers, der vorher in zahlreichen Kino- und TV-Nebenrollen kaum
einmal einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat, scheint wie geschaffen
für die Rolle des dezent psychotischen Außenseiters Simon. Zegers Vampir,
der seine eher poetisch als triebhaft inspirierten Bluttaten nicht mit
profanen Vergewaltigungen in einen Topf geworfen sehen will, ist nicht
cool, nicht souverän, auch kein ätherischer Romantiker, sondern einfach nur
ein nervöser, unsicherer Kleinbürger, dessen Leben zwar ziemlich
grundsätzlich aus der Spur geraten ist, der sich aber mit aller Kraft an
die vermeintliche Normalität klammert.
Dienstag, 15.2., 22.30 Uhr, Cubix 7; 19. 2., 22 Uhr, CinemaxX 7
14 Feb 2011
## AUTOREN
Lukas Foerster
## TAGS
Schule
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