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# taz.de -- Prozess gegen Silvio Berlusconi: Schluss mit Bunga Bunga
> Der Prozess gegen Silvio Berlusconi wegen Amtsmissbrauch und Umgang mit
> minderjährigen Prostituierten beginnt Anfang April. Ihm drohen bis zu 15
> Jahre Haft.
Bild: Die "Ruby"-Affäre holt ihn ein: Im Mai 2010 soll Berlusconi die damals 1…
ROM taz | Silvio Berlusconi muss sich am 6. April in Mailand vor Gericht
verantworten. Das entschied am Dienstag die Ermittlungsrichterin Cristina
Di Censo auf Antrag der Staatsanwälte. Berlusconi muss sich verantworten,
weil er bezahlten Sex mit einer Minderjährigen gehabt haben soll und dann,
zur Vertuschung dieser Straftat, zu Nötigung im Amt geschritten sein soll -
was weit mehr als "nur" Amtsmissbrauch sein würde. Überdies droht ihm eine
relativ schnelle Verurteilung zu bis zu 15 Jahren Haft. Denn mit dem
Beschluss der Ermittlungsrichterin wird die sonst in Italien übliche
Voranhörung umgangen, die sich mithilfe guter Anwälte auch auf mehrere
Jahre hinziehen lässt. Die Beweislage gegen Berlusconi sei offenbar so
klar, dass die Voranhörung unnötig sei, sagte Di Censo.
Klar sind die Fakten, die dem 74-jährigen, immer noch sexuell sehr
unternehmungslustigen Premier und Medienunternehmer jetzt die Anklage
eingebrockt haben: Am Abend des 27. Mai 2010 nimmt eine Polizeistreife in
Mailand die damals 17-jährige Karima El Mahroug unter Diebstahlverdacht
fest. Nach diversen Zeugenaussagen soll sie unter dem Künstlernamen Ruby
auch der Prostitution nachgehen. Karima ruft von ihrem Handy eine
befreundete brasilianische Prostituierte an, die wiederum Berlusconis
Nummer gespeichert hat und den Ministerpräsidenten sofort kontaktiert.
Berlusconi, in Regierungsgeschäften auf einem offiziellen Abendessen in
Paris, findet die Zeit, selbst mehrfach auf dem Polizeipräsidium von
Mailand anzurufen. Den Beamten tischt er die Mär auf, das Mädchen sei die
Nichte des damaligen ägyptischen Präsidenten Mubarak. Er verlangt von der
Polizei, Karima sofort freizulassen und einer von Berlusconi benannten
Vertrauensperson zu übergeben.
Damit betritt Nicole Minetti die Szene. Die 25-Jährige steht für das
Karrieremodell, das unter Berlusconi für junge Frauen in der Politik schon
zur Regel geworden ist. Mit gespritzten Lippen und vergrößertem Busen sitzt
das frühere TV-Sternchen seit 2009 im Parlament der Lombardei mit
monatlichen Diäten von 10.000 Euro. Es war Berlusconi selbst, der in
letzter Minute ihre Aufstellung auf einem sicheren Listenplatz durchgesetzt
hat.
Berlusconi weiß, was er an Minetti hat: Sie ist nicht nur selbst
regelmäßiger und aktiver Gast auf seinen Sexpartys, sie kümmert sich auch -
das jedenfalls glauben die Staatsanwälte beweisen zu können - um die
Rekrutierung der zahlreichen Mädchen, die Berlusconi für seine
"Bunga-Bunga-Feten" braucht: Auf einen Schlag sind es auch schon mal 20 bis
25 Frauen, die sich in enge Polizeiuniformen und in die Monturen von
Krankenschwestern zwängen und dann an der Lapdance-Stange im Keller von
Berlusconis Villa strippen.
In jener für Berlusconi jetzt womöglich fatalen Nacht erhielt Minetti
tatsächlich, gegen alle gesetzlichen Prozeduren, die Obhut über Ruby. Kaum
waren die beiden vor der Tür, zog die junge Marokkanerin aber allein mit
der befreundeten brasilianischen Prostituierten ab.
Berlusconi behauptet bis heute, er habe gar nicht gewusst, dass Karima-Ruby
minderjährig sei, und er habe felsenfest geglaubt, sie sei wirklich
"Mubaraks Nichte". Nur um diplomatischen Schaden vom Land abzuwenden, habe
er deshalb die Freilassung erwirkt. Deshalb sei das Gericht gar nicht
zuständig. Über ihn dürfe nur das sogenannte Ministertribunal urteilen, das
wiederum erst zusammentreten darf, wenn das Abgeordnetenhaus seine
Zustimmung gibt.
Die Staatsanwaltschaft konnte dagegen jetzt die Ermittlungsrichterin von
der These überzeugen, Berlusconi habe mit seiner Intervention bei der
Polizei nicht den italienischen Staat, sondern bloß sich selbst schützen
wollen. Insgesamt zwölf Nächte habe Karima in Silvios Villa verbracht und
auch Sex mit dem Premier gehabt. Dafür habe es reichlich Geld gegeben.
Karima selbst hat bisher mal von 7.000 Euro, mal von 8.500 Euro gesprochen.
Doch es sollen noch weit größere Summen geflossen sein.
Das Berlusconi-Lager hält mit einer widersprüchlichen Strategie dagegen.
Die Anwälte des Regierungschefs haben schon Dutzende Zeugenaussagen von
Kellnern, Köchen, Mädchen und männlichen Gästen gesammelt, die auf seinen
Partys waren. Danach fanden dort züchtige Abende statt, mit Gesang und
Filmvorführungen, floss höchstens "Coca-Cola light und Sodawasser", wurde
im äußersten Fall mal ein zweideutiger Witz erzählt.
Parallel dazu erzählen Berlusconis Parteigänger, die Staatsanwälte und die
Oppositionspolitiker seien "bloß Schlüssellochgucker" und hätten eine
"puritanische und moralistische Kampagne" losgetreten, um den Premier gegen
den Volkswillen aus dem Amt zu jagen. Dagegen gelte für die "wirklich
liberalen" Berlusconi-Anhänger weiterhin: Der alte und doch ewig junge
Casanova könne "in den eigenen vier Wänden" machen, was er will. In den
Medien ist diese Strategie angesichts der Übermacht des
Berlusconi-Imperiums erfolgreich - doch vor Gericht dürfte sie kaum Bestand
haben. Zwölf Jahre Haft drohen für die Nötigung im Amt, und drei für
bezahlten Sex mit einer Minderjährigen.
15 Feb 2011
## AUTOREN
Michael Braun
Michael Braun
## TAGS
Italien
Silvio Berlusconi
Silvio Berlusconi
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