# taz.de -- Kommentar zu Berlusconi vor Gericht: Italien privat | |
> Haben wir nicht alle privat ein wenig Dreck am Stecken? Das ist die | |
> Verteidigungslinie der Berlusconigetreuen. Doch mit Privatsphäre hat | |
> "Ruby-Gate" nichts mehr zu tun. | |
Bild: Unschluldiger Berlusconi: In der Villa habe es nur Abendessen gegeben, ke… | |
Vergangene Woche rief der prominente italienische Journalist Giuliano | |
Ferrara zu einer Kundgebung auf, um seinen bedrängten Premier Berlusconi zu | |
unterstützen. "In Unterhosen, aber lebendig", so lautete sein bizarrer | |
Slogan. Denn angeblich werde Italiens Premier nun wegen ganz privater | |
Verfehlungen von der Justiz terrorisiert. | |
Die These von der Justiz, die sich als "heilige Inquisition" mitsamt ihrer | |
Überwachungstechniken bis in die Unterhosen ihrer Bürger schleicht, fällt | |
im katholisch geprägten Italien auf fruchtbaren Boden. "Wer ohne Sünde ist, | |
der werfe den ersten Stein", merkt zum Beispiel der Regionalgouverneur der | |
Lombardei, Roberto Formigoni, zu der Affäre an. Und haben wir nicht alle | |
privat ein wenig Dreck am Stecken? Dies ist die Verteidigungslinie, hinter | |
der sich Berlusconis Getreue nun zurückziehen. | |
Doch bei Berlusconis aktueller Affäre geht es nicht bloß um "Privates": Als | |
Privatmann hätte Italiens Premier schließlich nie die Polizeispitze | |
Mailands dazu bewegen können, eine 17-jährige Verdächtige freizulassen. Und | |
auch der Anspruch auf ein Privatleben gibt ihm nicht das Recht, straflos | |
minderjährige Mädchen gegen Bezahlung zum Sex einzuladen, wie ihm nun | |
vorgeworfen wird. | |
"Privat" ist an der ganzen Geschichte nur Berlusconis Vorstellung von der | |
Res publica. Er ist in die Politik gegangen, um den ganzen Laden für sich | |
zu privatisieren. Nicht nur die Gesetze zugunsten seiner Medienholding und | |
all der anderen Firmen, mit denen er Milliarden verdient, auch die vielen | |
"Justizreformen", um sich den Prozessen gegen ihn zu entziehen, zeugen von | |
dieser Haltung. | |
Da kommt es nicht von ungefähr, dass er auch bei der Auswahl seiner | |
Abgeordneten mittlerweile völlig privaten Maßstäben folgt. Viele der jungen | |
Frauen, die Berlusconi in den letzten Jahren verstärkt ins nationale und | |
ins Europaparlament sowie in die Regionalparlamente entsandte oder gar zu | |
Ministerinnen ernannte, verdankten ihren Aufstieg allein der Tatsache, dass | |
sie dem "Sultan" gefielen, auf welchem Weg auch immer. | |
Ob Berlusconi sich auf wilden Partys amüsiert, ist in der Tat allein seine | |
Sache, solange er dabei keine Straftaten begeht. Dass Italiens politische | |
Elite mittlerweile auf freizügigen Bunga-Bunga-Partys und in Talentshows | |
ausgewählt wird - das allerdings hat mit "Privatsphäre" schier gar nichts | |
zu tun, sondern ist der eigentliche Skandal am "Ruby-Gate". | |
15 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Michael Braun | |
## TAGS | |
Silvio Berlusconi | |
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