# taz.de -- Berlinale: Gesellschaftsdrama aus Iran: Scheidung auf Iranisch | |
> Asghar Farhadis Film "Nader und Simin, eine Trennung" (Wettbewerb) macht | |
> deutlich, dass allein Willkür und Zufall über Glück und Unglück des | |
> Einzelnen entscheiden. | |
Bild: Nader (Peyman Moadi) ist nach der Trennung von Simin (Leila Hatami) über… | |
Der Iran ist auch dieses Jahr prominent im Wettbewerb der Berlinale | |
vertreten. Asghar Farhadi hält die Flagge für die kritischen | |
Filmschaffenden hoch, nachdem sein Kollege Jafar Panahi in Iran gerade | |
verurteilt und mit Berufsverbot belegt wurde. 2009 erhielt Farhadi für die | |
Regie von "Alles über Elly" den Silbernen Bären verliehen, nun ist er mit | |
seinem Spielfilm "Jodaiye Nader az Simin" dabei. | |
Dieser Film zeigt eine Gesellschaft, in der die kleinste Richtungsänderung | |
eine private Tragödie auslösen kann. Nader (Peyman Moadi) arbeitet auf | |
einer Bank, kümmert sich um seine elfjährige Tochter Termeh (Sarina | |
Farhadi) und pflegt seinen an Alzheimer erkrankten Vater | |
(Ali-Asgar-Shabazi). Der attraktive und fürsorgliche Nader ist überfordert, | |
seine Frau Simin (Leila Hatami) hat ihn gerade verlassen. Die Kleinfamilie | |
wollte aus dem Iran fliehen, doch Nader hatte sich im letzten Moment anders | |
entschieden: Er kann den dementen Vater nicht zurücklassen. In Iran ersetzt | |
weitgehend die Familie das fehlende staatliche Sozialsystem. | |
Zwischen Simin und Nader tobt ein kleiner Scheidungskrieg um Tochter | |
Termeh, die bei Vater und Großvater leben möchte. Regisseur Farhadi | |
verzichtet auf vordergründige Gesellschaftskritik. In häuslicher, | |
städtischer Umgebung plätschern die Szenen ruhig dahin, auch wenn alles | |
zunehmend eskaliert und sich in Richtung Krankenhaus und Gericht verlagert. | |
In das private Leben waren nach Simins Auszug nämlich Dritte getreten, was | |
bei der Gesellschaftssituation Irans kaum einmal Gutes bedeutet. Nader hat | |
zur Pflege seines Vaters eine Hilfskraft aus der Unterschicht eingestellt. | |
Und mit ihr ziehen auch die Probleme von einem Ort zum nächsten und sollen | |
auf Naders kleinen Mittelstandshaushalt abgewälzt werden. | |
Farhadis Film macht die verdrehten Moral- und Rechtsauffassungen eines | |
neurotischen Systems deutlich. Willkür und Zufall entscheiden über Glück | |
oder Unglück der Einzelnen. Peyman Moadi spielt dabei einen beeindruckenden | |
Nader, der sich immer tiefer in kaum beeinflussbare Widersprüche | |
verstrickt. Mit größtmöglicher Gelassenheit ringt er bis zuletzt um die | |
Wahrheit und seine Tochter. Das ist nach Rafi Pitts letztjährigem | |
Berlinale-Beitrag "The Hunter" ein weiteres kleines Meisterwerk aus einem | |
Land, in dem man eigentlich keine Filme mehr drehen kann. | |
16. 2., 9.30 Uhr, Friedrichstadtpalast; 16. 2., 20 Uhr, Urania; 20. 2., | |
22.30 Uhr Urania. | |
16 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Andreas Fanizadeh | |
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