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# taz.de -- Drei Regisseure - "Dreileben": Erkundungen zu einem Provinz-Mord
> Mit ihrem Projekt "Dreileben" erzählen Dominik Graf, Christoph
> Hochhäusler und Christian Petzold drei Leben in drei Filmen zwischen
> routiniert-unsauberem Kino und Autorenfilm (Forum).
Bild: Amour fou: "Etwas Besseres als der Tod" von Christian Petzold.
Ein Mörder ist entkommen - in Dreileben, einer fiktiven thüringischen
Stadt, nimmt die Polizei die Fahndung auf. So die Vorgabe für drei an
wenigen Punkten miteinander verwachsene, ansonsten aber eigenständige Filme
von Christian Petzold, Dominik Graf und Christoph Hochhäusler.
Drei Regisseure, drei Filme, drei Leben: Petzold erzählt vom Zivi Johannes
(Jacob Matschenz) und Ana (Luna Mijovic), die einander umkreisen, sich
annähern, zueinanderfinden und sich immer wieder abstoßen. Die Fahndung
nach dem Mörder bildet das Hintergrundrauschen für diese Amour fou:
Hubschrauber in der Luft, Blaulichtreflexion an Zimmerwänden, gedämpfte
Sirenen in der Ferne.
Bei Graf kommt die Polizeipsychologin Johanna (Jeanette Hain) aus München
in die Stadt und stößt auf eine gemeinsame Vergangenheit mit Vera (Susanne
Wolf), einer Studienfreundin, bei der sie untergekommen ist: Ohne
voneinander zu wissen, waren beide zur selben Zeit mit demselben Mann
zusammen. Hochhäusler konzentriert sich auf den Flüchtling selbst: Molesch
(Stefan Kurt) flüchtet in die Berge, auf der Suche nach der eigenen
Vergangenheit.
Seinen Ausgang nahm das Projekt von einem in der Zeitschrift Revolver
dokumentierten Mailwechsel im Jahr 2006, in dem die drei Regisseure ihre
Ansichten über Filmästhetik und das Filmemachen diskutierten. In Abgrenzung
zum der Kunst wegen zu Tode kontrollierten "Schneewittchenfilm" plädiert
Graf darin für ein routiniert-unsauberes Kino. Petzold und Hochhäusler
reflektieren, als der sogenannten Berliner Schule zugewiesenen Regisseure,
über die Möglichkeit eines Autorenfilms unter deutschen
Produktionsbedingungen.
Mehr als der beliebig zusammengewürfelte Omnibusfilm "Deutschland 09"
betont das "Dreileben"-Projekt durch eine gemeinsame Prämisse und
abweichende Ausgestaltungen Verbindendes und Trennendes. Raum für Spiel
entsteht obendrein: In seinem ansonsten weitgehend klassizistischen Beitrag
schmuggelt Petzold eine Ahnung von Slasher- und Horrorkino, wenn der Mörder
in die dichte Beziehungswelt von Johannes und Ana zu drängen droht. Auch
Hochhäusler liebäugelt anfangs mit dem Genrekino. Doch entzieht der
Regisseur zusehends das Tempo und lässt sich voll auf Moleschs meditativ in
Szene gesetztes Psychodrama ein.
Die Annäherung ans Genre wirkt wie ein Wink in Richtung Dominik Graf, mit
seinen Polizeithrillern der vielleicht einzige wirkliche "Genre-Auteur" in
Deutschland. Dass Graf selbst nicht aus den Vollen schöpft, sondern einem
potenziellen Polizeithriller durch Weglassungen und Abschweifungen mit
lässiger Geste den Thriller abhandenkommen lässt, macht seinen Beitrag zur
echten und willkommenen Überraschung. Den toten Figuren des Kunstfilms
stellt er prächtig lebendige entgegen: Etwa wenn Johanna und Vera beim
nächtlichen Glas Wein Schritt für Schritt die gemeinsame Vergangenheit
rekonstruieren und vergessen geglaubte Café-Namen sich schlagartig ins
Gedächtnis zurückspulen oder ein zuvor von der Kamera betont in die
Aufmerksamkeit gerückter Gartenzaun von einem Auto abrasiert wird.
Während so das Leben seine Splitter in den Film streut, rückt die
Polizeiarbeit oft ins Beiläufige. Bald wird Johannas Biografie zum
Aufmerksamkeitsträger: In den getupften Farben der Provinz nimmt ein
dunkler Fleck Kontur an. Doch Graf bleibt entspannt: Sein Beitrag endet
vergnügt im Kinderzimmer - ein Meisterwerk der kleinen Filmform.
16. 02. 2011, 18 Uhr, Delphi; 20. 2., 14 Uhr, International
16 Feb 2011
## AUTOREN
Thomas Groh
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