Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Erst Lobby-Stiftung, dann Staatssekretär: Politiker mit Stallgeruch
> Der Hühnermast-Konzern PHW/Wiesenhof bindet über eine Stiftung Politiker
> und Beamte an sich. Im Kuratorium saß auch der heutige Staatssekretär
> Bleser (CDU).
Bild: Peter Bleser, der neue Staatssekretär.
BERLIN taz | Die Agrarindustrie hat es gerne kuschelig mit Politikern, die
sie regulieren – und die spielen mit. So verteilt Deutschlands größter
Geflügelmäster PHW (Marke: "Wiesenhof") an staatliche Entscheidungsträger
Ämter bei seiner "Heinz-Lohmann-Stiftung", die das Image der Branche
verbessern soll. Der langjährige landwirtschaftspolitische Sprecher der
CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Peter Bleser, saß im Kuratorium der
Organisation – nach Angaben des Verbands von 2006 bis zu Blesers
Amtsantritt als parlamentarischer Staatssekretär im Agrarministerium vor
einer Woche. Diese Tätigkeit meldete er nicht der Bundestagsverwaltung,
obwohl die Verhaltensregeln für die Parlamentarier das verlangen.
Bleser ist nur einer von mehreren Politikern und Beamten in der "Stiftung".
Der SPD-Politiker Karl-Heinz Funke ist seit seiner Zeit als Agrarminister
von Niedersachsen und später des Bundes in dem Kuratorium. Wie auch Werner
Zwingmann, der bis zu seiner Pensionierung 2009 die Unterabteilung für
Tiergesundheit und Lebensmittelhygiene im Bundesministerium leitete.
Der Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), Andreas
Hensel, wurde ebenfalls gebeten, Mitglied zu werden. Dabei berät das BfR
die Bundesregierung und die Länder zum Beispiel zu den Gefahren der
giftigen Dioxine in Geflügel, wie es PHW liefert. Den Vorwurf eines
möglichen Interessenkonflikts wies Hensel aber zurück. Erst nach Anfrage
der taz bei seinem Dienstherrn, dem Agrarministerium, erklärte dieses, dass
er "das angebotene Mandat für die Stiftung nicht annehmen will und nicht
annehmen wird".
Die Organisation nennt sich zwar "Stiftung" und suggeriert damit, sie sei
unabhängig. Doch laut ihrem Tätigkeitsbericht vom Januar ist sie ein – wenn
auch gemeinnütziges – Unternehmen der PHW-Gruppe. Die Organisation will
nach eigener Darstellung insbesondere dazu beitragen, dass "Landwirtschaft
und Verbraucher nicht weiter auseinander driften und bei Verbrauchern
bestehende Verunsicherungen durch Informationen versachlicht werden".
Außerdem fördere sie Forschung etwa zur "Optimierung der
Produktionsbedingungen". Sie solle Akzeptanz der Massentierhaltung wie bei
PHW erreichen, sagt Friedrich Ostendorff, Agrarsprecher der Grünen im
Bundestag. Dabei haben Tierschützer Mästern der Firmengruppe wiederholt
Tierquälerei vorgeworfen.
Die Initiative LobbyControl stuft die "Heinz-Lohmann-Stiftung" denn auch
als Lobbyorganisation ein. "Es ist üblich, dass Unternehmen mit Stiftungen
die politische Landschaft pflegen", sagt Sprecherin Heidi Klein. Wie andere
Lobbyisten lade die Lohmann-Organisation Abgeordnete zu "Parlamentarischen
Abenden" ein. 2004 etwa lautete das Thema "Globalisierung der Ernährung.
Wie lange lassen sich deutsche Qualitätsstandards noch aufrechterhalten?".
Bei den Kuratoriumssitzungen treffen die staatlichen Entscheidungsträger in
vertrauter Runde beispielsweise auf die PHW-Führungsgruppe um Paul-Heinz
und Peter Wesjohann oder deren PR-Berater Peter Engel.
Zwar bekommen die Kuratoren laut "Stiftung" keine Aufwandsentschädigung,
sondern eine Reisekostenerstattung. "Aber bei solchen Treffen entsteht eine
Nähe, die der Unabhängigkeit des Abgeordneten widerspricht. Man kennt sich,
man schätzt sich, man schützt sich", sagt Ostendorff.
Heidi Klein von LobbyControl kritisiert auch, dass CDU-Mann Bleser diese
Tätigkeit nicht dem Bundestag mitteilte, bevor er Staatssekretär wurde.
"Wenn solche Tätigkeiten nicht zu erkennen sind, weiß man nicht, ob man so
jemanden in so einer Position haben will."
Bleser antwortet, er sei ja auf einem Gruppenfoto der Organisation im
Internet zu sehen. Gemäß den Verhaltensregeln für Parlamentarier habe er
die Tätigkeit nicht dem Bundestag melden müssen, weil der Verband einer
Stiftung mit nur lokaler Bedeutung gleichgestellt sei. Ostendorff ist nicht
überzeugt: "Die Organisation taucht in Berlin auf, zum Beispiel bei ihren
Parlamentarischen Abenden. Die PHW-Gruppe ist schließlich ein weltweit
agierender Konzern und keine lokale Wohltätigkeitsveranstaltung."
22 Feb 2011
## AUTOREN
Jost Maurin
## ARTIKEL ZUM THEMA
EU-Parlament beschließt Lobbyregister: Ein bisschen Transparenz
Lobbyisten bekommen in Zukunft nur noch einen dauerhaften Hausausweis, wenn
sie sich in ein Transparenzregister eintragen. Den Grünen reicht das nicht.
Externe Berater in der Politik: Offene Türen für Lobbyisten
Bundesministerien schätzen weiterhin die Arbeit externer Berater auf teils
wichtigen Positionen. 2010 waren es noch mehr als im Jahr zuvor. Offiziell
heißt das "Synergie".
Lebensmittelskandal bei PHW/Wiesenhof: Fäkalien auf Hühnerfleisch
Schimmel und Kühlprobleme: Behörden kritisieren die miserable Hygiene in
einem Schlachthof, der zum größten deutschen Hähnchenproduzenten gehört.
Heidemark-Skandal: Peta dokumentiert Putenquälerei
Tierschützer haben in einem weiteren Mastbetrieb per Video miserable
Haltungsbedingungen dokumentiert. Kritiker fordern schärfere Gesetze und
Kontrollen.
Lohmann plant Deal mit Staatsanwaltschaft: Teilamputationen "im Prinzip illegal"
Mit viel Geld will der weltgrößte Hybrid-Hennen-Hersteller einen
Tierquälerprozess abwenden. Die Firma hat Küken Zehen und Kämme
teilamputiert.
Transparency-Korruptionsbarometer 2010: Bürger halten Politik für käuflich
Parteien und Wirtschaft sind anfällig für Bestechung, glauben die
Deutschen. Vertrauen haben sie laut einer Studie von Transparency
International in Polizei und Justiz.
Internationaler Lobbyismus: Schmutzige Tricks von Eon und Co.
Europäische Großkonzerne sollen den Wahlkampf von Klimaschutz-Gegnern in
den USA finanziert haben. Umweltverbände halten ihr Dementi für
unglaubwürdig und üben Kritik.
Neues Online-Portal von Lobby Control: Netzwerk gegen Lobby-Netzwerke
Mit Lobbypedia ist nun ein Internetportal gestartet, das aufzeigen will,
wie weit Lobbyismus in Politik und Wirtschaft verbreitet ist. Noch klappt
nicht alles.
Bilanz ein Jahr Schwarz-Gelb: Gesundheitsreförmchen und Lobbyismus
Eine große Gesundheitsreform sollte es geben, die Beiträge sollten sinken.
Stattdessen wurden das paritäische System ausgehöhlt und fragwürdige neue
Regeln geschaffen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.