Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Verhältnis Deutschland-Griechenland: Enttäuschte Liebe
> Der griechische Ministerpräsident ist in Berlin, vor einem Jahr
> attackierte die "Bild" sein Land sehr hart. Wie ist es ums
> deutsch-hellenische Verhältnis heute bestellt?
Bild: "Ihr Pleitegriechen kriegt nix von uns", titelte die "Bild" vor gut einem…
BERLIN taz | Es begann mit einem Focus-Titel im Februar 2010: "Betrüger in
der Euro-Familie" sah das Münchner Magazin am Werk und zeigte auf seinem
Titel die griechische Göttin Aphrodite mit erhobenem Mittelfinger.
Daraufhin konterte die konservative Athener Tageszeitung Eleftheros Typos
mit einer Fotomontage der Göttin Viktoria mit Hakenkreuz.
Bei so vielen göttlichen Ressentiments wollte die Bild-Zeitung natürlich
nicht zurückstecken und liefert seitdem saftige Schlagzeilen: "Warum zahlen
wir den Griechen ihre Luxus-Renten?" hieß es dort im schönsten
Boulevardzeitungsdeutsch. Und überhaupt: "Ihr Pleitegriechen kriegt nix von
uns". Dazu gleich ein Servicebeitrag: "Verkauft doch eure Inseln".
Damit bedient die Bild-Redaktion gleich mehrere antideutsche Vorurteile und
Ängste, die rund um das Mittelmeer latent vorhanden sind: Diese Deutschen
seien nicht nur geizig und rücksichtslos selbstbezogen, jetzt wollen sie
auch noch einmarschieren auf unsere Inseln, hieß es in Hellas unter
vorgehaltener Hand.
Diese Reaktion war gewiss überempfindlich. Denn selbst wenn man Polemik und
Sensationslust beiseite lässt, kann man die Tatsache nicht leugnen, dass
fast alle griechischen Regierungen der letzten 30 Jahre das Land in den
wirtschaftlichen Ruin getrieben haben, was ja auch keine Glanzleistung
europäischer Solidarität darstellt.
Anscheinend hatte die politische Klasse in Griechenland insgeheim gehofft,
dass Europa auf einem unausgesprochenen Kompromiss beruht:
Selbstverständlich dürfen Deutschland, Frankreich und andere Exportnationen
alles aufkaufen und neue Märkte erobern; dafür sei es doch nicht zu viel
verlangt, wenn jedes Jahr ein paar Milliarden aus der EU-Kasse nach
Griechenland fließen, damit die Politiker dort ihre Klientelpolitik
finanzieren können.
Als sie merkten, dass alte Spielregeln nicht mehr gelten, reagierten viele
Griechen wie enttäuschte Liebhaber, deren romantische Euphorie abrupt
zurückgewiesen wird. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass Solidarität
und Teilhabe in griechischen Augen irgendwie auch deutsche Tugenden sind.
Waren es nicht die deutschen Dichter und Denker, die an das Gute im
Menschen glaubten? Waren es nicht Karl Marx, Rosa Luxemburg und Willy
Brandt, die für soziale Gerechtigkeit kämpften, wenn auch mit, na ja,
unterschiedlichem Erfolg?
Irgendwie kommt niemand auf den Gedanken, Deutschland zu lieben, weil es
Manfred Kanther und Rudolf Seiters hervorgebracht hat.
Aus deutscher Sicht leidet man allerdings auch unter enttäuschten Gefühlen:
Irgendwie hat man wohl erwartet hierzulande, dass die Erfinder der
Demokratie und der Wissenschaft sich eine bessere Lösung zum Abbau
steigender Schuldenberge einfallen lassen als die nicht näher definierte
"europäische Solidarität". Zumindest hat man gehofft, dass die Griechen
sich halt mit weniger zufrieden geben, wenn es sein muss. Mehr
Hippie-Romantik als Konsumrausch sozusagen.
Ein griechischer Freund hat dies mal so formuliert: "Wir haben doch die
Demokratie, die Philosophie und die Kunst erfunden, dazu noch die Logik,
die Naturwissenschaften und viele andere Disziplinen. Ich glaube, jetzt
wird es Zeit, dass wir auch mal Pause machen?"
Der griechische Ministerpräsident Papandreou darf natürlich so etwas nicht
erzählen, wenn er in Berlin zu Gesprächen mit Bundeskanzlerin Merkel
eintrifft. Auf dem außenpolitischen Parkett macht er ohnehin eine gute
Figur, er gilt auch als eloquenter Gesprächspartner, der zu überzeugen
weiß. Ob das reicht, damit Berlin einer Verlängerung der Kredite für
Griechenland zustimmt, ist allerdings eine ganz andere Frage.
23 Feb 2011
## ARTIKEL ZUM THEMA
Milliarden für Athen: Griechenland wird privatisiert
50 Milliarden Euro will das Land bis 2015 durch Privatisierungen einnehmen.
Verkauft werden die Eisenbahngesellschaft und Teile des Telekomkonzerns.
Kommentar Wirtschaftskrise Griechenland: Lehren aus der Argentinienkrise
Die Krise in Griechenland hat viel mit der von Argentinen vor zehn Jahren
gemein. Der Vergleich zeigt, dass ein Ausschluss aus der Währungsunion der
falsche Weg wäre.
Elfter landesweiter Streik in Griechenland: Generalstreik gegen Spardiktat
Unermüdlich kämpfen die Gewerkschaften im Lande gegen Lohndumping und
Steuerhöhungen. Besonders leidenschaftlich beteiligt sind wieder die
Beamten.
Wie der Euro gerettet werden kann: Abschied von der Schrumpfpolitik
Alternative Ökonomen legen einen Plan zur Euro-Rettung vor. Ein
Gegenentwurf zu Merkels 6-Punkte-Plan. Sie wollen lieber eine besondere
Banker-Spezies bändigen.
Finanzkrise in Griechenland: Nicht verkauft, sondern verwertet
Konservative deutsche Politiker schockten letztes Jahr mit ihrer Forderung,
Griechenland solle einfach "ein paar Inseln verkaufen". Etwas ähnliches
passiert jetzt wirklich.
Mehr Privatisierungen gefordert: Griechen sauer auf Kontrolleure
EU, IWF und EZB fordern mehr Privatisierungen und kritisieren die Proteste
in Athen. Damit verärgern sie die griechische Regierung, die sich die
Einmischung verbittet.
Gemeinschaftswährung in der Krise: Euro-Rettung ist vertagt
Die EU-Finanzminister können sich in Brüssel nur darauf einigen, dass sie
sich demnächst einigen wollen. Das Problem ist erkannt: Der
EU-Rettungsschirm ist zu klein.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.