# taz.de -- Finanzkrise in Griechenland: Nicht verkauft, sondern verwertet | |
> Konservative deutsche Politiker schockten letztes Jahr mit ihrer | |
> Forderung, Griechenland solle einfach "ein paar Inseln verkaufen". Etwas | |
> ähnliches passiert jetzt wirklich. | |
Bild: Oia, Gemeinde auf Thera, Santorini. | |
ATHEN taz | "Griechenland den Griechen" – die Parole gab schon Andreas | |
Papandreou, der Vater des heutigen Ministerpräsidenten, in den | |
Achtzigerjahren als Regierungschef aus. Mit Wucht hat der Volkstribun | |
damals auf Europa und die USA eingedroschen, die den Ausverkauf | |
Griechenlands im Sinn hätten. | |
Eigentlich ist sein Sohn, Giorgos Papandreou, aus anderem Holz geschnitzt. | |
Er kennt auch keine Berührungsängste zu politischen Gegnern. 2004 sorgte er | |
allerdings für Verdruss bei der eigenen Partei, als er gleich zwei | |
Ex-Wirtschaftsminister von der konservativen Partei abwarb und zu | |
sozialistischen Parlamentskandidaten kürte. | |
Nach diesem Missgriff weiß man: Auch Erbprinz Papandreou bringt | |
gelegentlich Parteifreunde gegen sich auf. Seitdem die griechische | |
Haushaltspolitik unter EU-Aufsicht gestellt wurde, kommt dies deutlich | |
öfter vor. Und wenn ausländische Finanzkontrolleure auch noch | |
Privatisierungserlöse und Immobilienverkäufe in Höhe von 50 Milliarden Euro | |
einfordern, dann kocht die Parteiseele gegen den sicher geglaubten | |
Ausverkauf des Landes. | |
Da kann ein Griff in die politische Trickkiste des Vaters von Vorteil sein: | |
"Staatliche Immobilien werden nicht veräußert, wir verkaufen nicht unser | |
Land", donnerte Giorgos Papandreou und kündigte jetzt einen entsprechenden | |
Gesetzesvorschlag an. | |
In Griechenland sind Immobilienveräußerungen allein schon deswegen | |
schwierig, weil der Staat gar nicht weiß, wie viel Land er besitzt. Ilias | |
Mossialos, Vorsitzender einer parteinahen Stiftung, rechnet mit einem | |
potenziellen Verkaufsvolumen von 250 Milliarden Euro, gibt allerdings auch | |
zu, dass bei 45 Prozent der in Frage kommenden Immobilien die | |
Eigentumsverhältnisse unklar sind. Viele Griechen haben unbebaute | |
Immobilien einfach in Besitz genommen, manche machen Eigentumsansprüche | |
durch Ersitzung geltend. Selbst die griechisch-orthodoxe Kirche beruft sich | |
gerne auf Eigentumsrechte aus der Spätzeit des Osmanischen Reiches. | |
Was tun? Auf dem Papier gibt es schon Alternativen, etwa ein härteres | |
Vorgehen gegen Steuerhinterzieher oder eine Kostenkontrolle in öffentlichen | |
Krankenhäusern. Doch die Regierung stößt immer wieder auf die Grenzen der | |
Realität. Ihr Versuch, Namen von Steuerflüchtlingen zu veröffentlichen, | |
scheiterte am Datenschutz. Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen werden mit | |
Streiks beantwortet. Und was die Mitarbeiter der Elektrizitätswerke DEI von | |
einer Privatisierung ihres Hauses halten, machten sie mehr als deutlich: | |
Sie besetzten einfach die Unternehmenszentrale und drohen jetzt mit einem | |
landesweiten Stromausfall, falls sich Papandreou nicht eindeutig zum | |
öffentlichen Charakter der Energieversorgung bekennt. | |
Möglich wäre nun ein erneuter Griff in die Trickkiste des Landesvaters | |
Andreas Papandreou, der sich die Wahrheit so zurechtbiegen konnte, dass sie | |
ihm passte. So wurde etwa aus einer Ministerentlassung eine | |
"Regierungsumbildung"; und sein Wahlkampfversprechen, alle | |
US-Militärstützpunkte in Griechenland zu schließen, führte zu einem | |
griechisch-amerikanischen "Abkommen über militärische Zusammenarbeit". Im | |
Licht dieser Tradition ist es wohl kein Zufall, dass der heutige | |
Ministerpräsident Giorgos Papandreou eine "Verwertung" staatlichen | |
Eigentums in Aussicht stellt. Mag der Verkauf von staatlichen Immobilien | |
auch verboten sein - gegen ihre "Verwertung" ist ja nichts einzuwenden. | |
18 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Jannis Papadimitrou | |
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