# taz.de -- Mehr Privatisierungen gefordert: Griechen sauer auf Kontrolleure | |
> EU, IWF und EZB fordern mehr Privatisierungen und kritisieren die | |
> Proteste in Athen. Damit verärgern sie die griechische Regierung, die | |
> sich die Einmischung verbittet. | |
Bild: Ausschreitungen in Keratea, 50 Kilomenter südöstlich von Athen. | |
Die Ankündigung kam aus heiterem Himmel, auch wenn sie ganz routinemäßig | |
vorgetragen wurde: 50 Milliarden Euro müsse die griechische Regierung bis | |
2015 aus der Privatisierung staatlicher Unternehmen oder Immobilien | |
einnehmen, forderten die hohen Vertreter von Internationalem Währungsfonds | |
(IWF), EU und Europäischer Zentralbank (EZB) auf einer Pressekonferenz am | |
Freitagabend in Athen. Die Journalisten reagierten misstrauisch: "Sie | |
meinen wohl fifteen billion, 15 Milliarden Euro?" - "Nein, nein, fifty | |
billion, 50 Milliarden" sei schon die richtige Summe, versicherten die | |
Vertreter der Troika. | |
Griechenland ist auf Milliardenhilfe von außen angewiesen, weil es sich | |
wegen seiner hohen Staatsschulden nicht mehr über die Finanzmärkte | |
refinanzieren kann. Im Mai 2010 beschlossen EU, EZB und IWF, Athen bis 2013 | |
rund 110 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. Im Gegenzug müssen die | |
Griechen Sparauflagen erfüllen, deren Einhaltung Kontrolleure der Troika | |
vierteljährlich überprüfen. | |
Für griechische Verhältnisse sind 50 Milliarden Euro eine gigantische | |
Summe, die fast schon an die Privatisierungswelle der achtziger Jahre in | |
Lateinamerika erinnert. So viel Griechenland kann man eigentlich gar nicht | |
verkaufen. Es sei denn, die sozialistische Regierung von Giorgos Papandreou | |
würde auch Inseln und einsame Badestrände unter den Hammer bringen - was | |
die Mehrheit der Griechen als schlechtes Geschäft, wenn nicht als | |
Hochverrat empfände. | |
Nicht nur die Höhe der Summe, sondern auch die Art und Weise der | |
Ankündigung sorgte für Aufregung: Es könne ja wohl nicht angehen, dass | |
solche tiefgreifenden Maßnahmen von ausländischen Sparkommissaren und nicht | |
etwa von der gewählten Regierung des Landes verkündet würden, hieß es | |
gleich in TV-Kommentaren. | |
Regierungssprecher Giorgos Petalotis redete am Samstag Tacheles: "Wir | |
brauchen Hilfe, aber wir haben auch Würde. Befehle erhalten wir nur vom | |
griechischen Volk", erklärte er. Daraufhin verfasste die Troika eine | |
Erklärung, in der sie ihren "tiefsten Respekt" für die griechische | |
Regierung zum Ausdruck bringt, aber in der Sache eigentlich gar nichts | |
zurücknimmt. Will heißen: 50 Milliarden müssen her, ob mit oder ohne | |
Respekt. | |
Somit steht Ministerpräsident Papandreou vor der Wahl: Entweder er hält an | |
seinem Konsolidierungskurs konsequent fest und riskiert, noch mehr | |
enttäuschte Wähler an die Opposition zu verlieren. Oder er gibt sich | |
zufrieden mit seinem bisherigen bescheidenen Erfolg und geht auf | |
Konfrontationskurs zu den unbeliebten Sparkommissaren. | |
Wer mit den byzantinischen Gepflogenheiten griechischer Parteipolitik | |
vertraut ist, hält sogar beide Optionen für möglich: harte | |
Wirtschaftspolitik, damit die Märkte wohlgestimmt werden, verbunden mit | |
leicht antiwestlicher Rhetorik für die eigenen Wähler. | |
Ganz unschuldig sind die Kontrolleure an den jüngsten Verstimmungen | |
allerdings auch nicht. Jüngst erklärte EU-Wirtschafts- und | |
Währungskommissar Oli Rehn, seit die Griechenlandkrise ausgebrochen sei, | |
müsse er schweren Herzens sogar auf sein Fußballtraining verzichten. In | |
Brüssel mag das ein guter Witz zur Mittagspause in der Kommissionskantine | |
sein. Bei griechischen Rentnern, die mit weniger als 700 Euro im Monat | |
auskommen müssen, kam die Leidenserklärung nicht gut an. Spätestens seit | |
diesem Zwischenfall reagiert die griechische Öffentlichkeit empfindlich auf | |
Anweisungen der Troika. | |
14 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Jannis Papadimitriou | |
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