# taz.de -- Bundesregierung und IT-Sicherheit: Ab in den Cyber-Abwehrkrieg | |
> Die Regierung richtet ein Zentrum gegen Attacken aus dem Internet ein. | |
> Opposition und FDP sorgen sich, weil auch Geheimdienste und die | |
> Bundeswehr beteiligt sind. | |
Bild: Hier arbeiten auch Internetausdrucker: Plakat des Nationalen Cyber-Abwehr… | |
BERLIN taz | Das Bundesinnenministerium hatte sich etwas einfallen lassen, | |
um der Presse die Gefahren zu verdeutlichen, die im Internet lauerten. In | |
Präsentationen warnten Computerexperten vor Trojanern, Viren und | |
Zombie-Rechnern. Anschließend kaperte bei einem "Live-Hack" ein "schwarzes | |
Schaf" den Rechner eines "weißen Schafs". Später sagte Bundesinnenminister | |
Thomas de Maizière: "Es ist wie bei Strom und Wasser - wir sind darauf | |
angewiesen, dass das Internet funktioniert." | |
Zuvor hatte das Kabinett am Mittwochmorgen eine | |
"Cyber-Sicherheitsstrategie" beschlossen. Zentraler Bestandteil soll ein | |
neu einzurichtendes "Nationales Cyber-Abwehrzentrum" (NCAZ) sein. Schon zum | |
1. April soll es in Bonn die Arbeit aufnehmen, zunächst mit zehn | |
Mitarbeitern des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik, vom | |
Verfassungsschutz und vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz. Darüber hinaus | |
sind aber auch das Bundeskriminalamt, die Bundeswehr und der | |
Bundesnachrichtendienst mit Verbindungsbeamten beteiligt. | |
In der Opposition, aber auch in der FDP-Fraktion löst das Sorgen aus. Damit | |
drohe die Trennung zwischen Polizei und Geheimdienst sowie zwischen Innerer | |
und äußerer Sicherheit zu verschwimmen, hieß es bei den Liberalen. Von | |
"IT-Sicherheitsaktivismus" sprach die Linkspartei. | |
Innenminister de Maizière begründet die Notwendigkeit eines | |
Cyber-Abwehrzentrums mit der zunehmenden Zahl von Angriffen auf die | |
Computernetze von Behörden und Unternehmen. Aufgabe des neuen Zentrums sei | |
es, Informationen über die Attacken zusammenzutragen und zu analysieren, | |
wer hinter ihnen stecke. Im Fall "einer unmittelbar bevorstehenden oder | |
eingetretenen Krise" soll das NCAZ dem Krisenstab im Innenministerium | |
berichten, hieß es in der Kabinettsvorlage, die der taz vorliegt. | |
"Kriminelle, terroristische und nachrichtendienstliche Akteure nutzen den | |
Cyber-Raum als Feld für ihr Handeln", steht dort weiter. "Auch militärische | |
Operationen können hinter solchen Angriffen stecken." | |
Es ist ein konkreter Vorfall, der das Innenministerium zu der etwas hastig | |
wirkenden Einrichtung des Cyber-Zentrums veranlasst: der Computerwurm | |
"Stuxnet", mit dem vergangenes Jahr eine iranische Atomanlage sabotiert | |
wurde. "Die Erfahrungen mit dem Schadprogramm Stuxnet zeigen, dass auch | |
wichtige industrielle Infrastrukturbereiche von gezielten IT-Angriffen | |
nicht mehr ausgenommen bleiben", steht in der Kabinettsvorlage. Neben dem | |
Cyber-Abwehrzentrum soll es auch noch einen "Nationalen | |
Cyber-Sicherheitsrat" geben, in den auch Vertreter von Wirtschaft und | |
Wissenschaft eingebunden werden sollen. | |
Für Kritik seitens der FDP hatte schon im Vorfeld gesorgt, dass im neuen | |
Cyber-Abwehrzentrum Polizei, Geheimdienste und Bundeswehr an einem Tisch | |
sitzen sollen. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger | |
(FDP) wies am Mittwoch im Kabinett deshalb nochmals auf das Trennungsgebot | |
zwischen Polizei und Geheimdiensten hin und ließ in den Beschluss noch den | |
Satz schreiben: "Neue Eingriffsbefugnisse werden mit der | |
Cyber-Sicherheitsstrategie nicht geschaffen." De Maizière sagte | |
anschließend, alle Bedenken seien ausgeräumt. | |
Bei der FDP-Innenpolitikerin Gisela Piltz klingt das etwas anders. Es sei | |
"notwendig, dass die Bundesregierung dem Parlament regelmäßig Bericht | |
erstattet, wie in der praktischen Arbeit die rechtlichen und tatsächlichen | |
Grenzen eingehalten werden", sagte sie der taz. | |
23 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Wolf Schmidt | |
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Schwerpunkt Überwachung | |
Cyberkriminalität | |
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