Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Bürgerkrieg in Libyen: Gaddafi schießt, Diplomaten betroffen
> Mit der Luftwaffe hat Gaddafi Aufständische im Osten angegriffen. 100.000
> Menschen sind auf der Flucht, nach Deutschland dürfen sie nicht kommen,
> sagt Außenminister Westerwelle.
Bild: Die Kämpfe in Libyen verschärfen sich: Oppositioneller vor Tripolis.
TRIPOLIS/GENF/BERLIN afp/dapd/dpa/rtr/taz | Muammar al-Gaddafi bleibt hart.
Die Gefolgsleute des libyschen Staatschefs haben am Montag in der
Hauptstadt Tripolis nach Augenzeugenberichten neue Kontrollposten
eingerichtet und Patrouillen auf Streife geschickt, um jegliche Anzeichen
von Protest zu ersticken. Einige Geschäfte hatten geöffnet, die Preise für
Lebensmittel schossen um bis zu 500 Prozent in die Höhe. Vor Banken
bildeten sich Schlangen von Bürgern, die die versprochenen 400 Dollar
abholen wollten.
In den von den Rebellen kontrollierten westlichen Städten Sawija und
Misurata erwarteten Einwohner Gegenoffensiven der Gaddafi-Seite. Nach
Angaben von Regimegegnern haben sich rund 2.000 Gaddafi-treue Soldaten rund
um die Stadt Sawija mit etwa 210.000 Einwohnern versammelt. "Unsere Leute
erwarten sie, und so Gott will, werden wir sie schlagen", sagte ein
Einwohner gegenüber AP. Nahe der 200 Kilometer östlich der Hauptstadt
gelegenen Stadt Misurata kam es weiterhin zu Kämpfen. Wie ein Augenzeuge
berichtete, schossen die Rebellen ein Kampfflugzeug der Gaddafi-Luftwaffe
ab.
Einem Bericht der britischen Zeitung Daily Telegraph zufolge wurden die
Anhänger Gaddafis inzwischen aus der Stadt Nalut an der Grenze zu Tunesien
sowie aus weiteren Städten südwestlich von Tripolis vertrieben. Ein
"Revolutionäres Komitee" übernahm dort die Verwaltung.
## Angriffe mit der Luftwaffe
Gaddafis Luftwaffe bombardierte gestern laut AFP Ziele in Ajdabiya und
Rajma im von den Rebellen gehaltenen Osten des Landes. In Bengasi, der
größten Stadt der Region, gab es indes widersprüchliche Angaben über eine
alternative Führung zu Gaddafi, wie die Washington Post berichtete. Am
Sonntag hatte der zurückgetretene Innenminister Mustafa Abdel Jalil bekannt
gegeben, dass er dabei sei, eine Übergangsregierung zu bilden. Dem
widersprach Menschenrechtsanwalt Abdel Hafidh Ghoga auf einer
Pressekonferenz. Er stritt die Existenz einer solchen Regierung ab und
erklärte, Repräsentanten der Stadträte würden einen Übergangsrat bilden.
In den von Aufständischen kontrollierten östlichen Landesteilen zeichneten
sich nach dem Abflauen der Kämpfe Versorgungsprobleme ab. Innerhalb von
drei Wochen könnten Lebensmittel und Medikamente knapp werden, sagte der
libysche Helfer Chalifa el-Faituri der Nachrichtenagentur Reuters unter
Berufung auf Informationen von Ärzten und Krankenschwestern. Frankreich
kündigte Hilfslieferungen an.
Am Montag sollten zwei Flugzeuge mit Ärzten, Krankenschwestern,
Medikamenten und medizinischen Hilfsmitteln nach Benhasi fliegen. Es sei
"der Beginn einer massiven Operation zur humanitären Unterstützung der
Bevölkerungen der befreiten Gebiete", erklärte Frankreichs Premierminister
François Fillon. An Libyens Westgrenze zu Tunesien flog das
UN-Welternährungsprogramm WFP Hilfsgüter für Flüchtlinge ein.
## 100.000 Menschen sind bereits geflohen
Nach Angaben des UNO-Hochkommissars für Flüchtlinge, António Gueterres, vom
Sonntagabend sind seit dem 20. Februar bereits über 100.000 Menschen aus
Libyen nach Tunesien und Ägypten geflohen, und es werden stündlich mehr. Da
nicht alle vor Ort versorgt werden könnten, sei das UNHCR dringend auf die
Aufnahmebereitschaft von Drittländern angewiesen. Die deutsche
Bundesregierung ist dazu aber nicht bereit.
Auf eine entsprechende Frage der taz erklärte Außenminister Guido
Westerwelle gestern am Rande einer Sitzung des UN-Menschenrechtsrates in
Genf: "Wir können und wir wollen nicht jeden Menschen aufnehmen. Wir
engagieren uns dafür, dass die Menschen wieder sicher in ihren Ländern
leben können." Westerwelles österreichischer Amtskollege Michael
Spindelegger erklärte in Genf hingegen die Bereitschaft seines Landes zur
temporären Aufnahme von "5.000 bis 8.000 Flüchtlingen".
Nach Gesprächen mit den Außenministern aus den USA, Frankreich,
Großbritannien und Italien schlug Westerwelle das "Einfrieren von
sämtlichen Zahlungen an Libyen" für einen Zeitraum von 60 Tagen vor. Dazu
gehöre beispielsweise auch die Begleichung von Öl-Rechnungen. "Wir müssen
verhindern, dass frisches Geld in die Hände von Herrn Gaddafi kommt."
Zurückhaltend äußerte er sich zur Frage der Etablierung einer
Flugverbotszone über Libyen, um die Zivilbevölkerung vor Luftangriffen zu
schützen und das Hereinfliegen ausländischer Söldner zu verhindern.
US-Außenministerin Hillary Clinton forderte Gaddafi zum sofortigen
Rücktritt auf.
## Strafgerichtshof leitet Untersuchung ein
Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat unterdessen eine
Voruntersuchung zu den Gewalttaten gegen libysche Regierungskritiker
eingeleitet. Es würden Vorwürfe geprüft, ob dabei Verbrechen gegen die
Menschlichkeit begangen worden seien, sagte der Chefankläger des IStGH,
Luis Moreno-Ocampo, am Montag in Den Haag. Anschließend müsse entschieden
werden, ob eine Untersuchung eröffnet werde.
Der UN-Sicherheitsrat hatte am Samstag das Gericht damit beauftragt, die
Gewalttaten zu prüfen, weil "die derzeit stattfindenden weit verbreiteten
und systematischen Angriffe" gegen die Zivilbevölkerung "Verbrechen gegen
die Menschlichkeit gleichkommen" könnten.
28 Feb 2011
## ARTIKEL ZUM THEMA
Schriftsteller über libyschen Aufstand: "Es geht nicht um Brot"
Die Revolte im Lande Gaddafis hat nichts mit Armut zu tun, sagt der
Schriftsteller Ibrahim al-Koni. Die Geduld des Volkes sei schlicht am Ende.
Neuer Libyen-Skandal in Frankreich: Alptraumhafte Mittelmeerferien
Sarkozys Ghostwriter weilte zum Jahreswechsel in Libyen: Immer wenn in
einem nordafrikanischen Land die Revolution ausbricht, hat ein Pariser
Politiker gerade dort Urlaub gemacht.
Aufstand in Libyen: "Gaddafi muss lebend verhaftet werden"
Der Aufstand in Libyen begann mit einer Demonstrantion für die Freilassung
von Fathi Terbil. Der junge Anwalt vertritt Angehörige von Opfern einer
Massenerschießung in einem Gefängnis in Tripolis.
Proteste in Jemen und Oman: Zehntausende demonstrieren in Jemen
Präsident Saleh versucht, seine Gegner zu beschwichtigen. Auch im Sultanat
Oman und wird demonstriert. Bundespräsident Wulff kritisiert den deutschen
Umgang mit Autokraten in Nahost.
Aufstand in Libyen: "Gaddafi droht lebenslange Haft"
Der Internationale Strafgerichtshof prüft die aktuelle Lage in Libyen.
Dabei geht es vor allem um Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sagt der
Völkestrafrechtler Kai Ambos.
Kommentar Aufstand in Libyen: Stillstand oder Gegenangriff?
Entweder mauert Gaddafi sich ein und weigert sich weiterhin,
zurückzutreten. Oder er schlägt zurück und greift die verlorenen Regionen
an.
Eishockeyteam warb für "Grünes Buch": Gaddafis deutscher Club
Der Eishockeyclub ECD Iserlohn machte in den 1980ern Werbung für Gaddafis
"Grünes Buch". Manche klagen noch heute über die "Doppelmoral" in Sachen
Libyen.
Debatte Arabische Revolution: Die Türkei ist kein Vorbild
Die Türkei wird jetzt als Vorbild für die arabische Welt gehandelt. Aber
die Ägypter haben Besseres verdient als weichgespülte Muslimbrüder.
Volkskomitees in der libyschen Stadt Tobruk: Es gibt kein Zurück mehr
Sie verteilen Lebensmittel, bewachen Ölanlagen, schützen Schulen,
organisieren den Alltag: Libyens neue Volkskomitees. Zu Besuch in der
befreiten Stadt Tobruk.
Kommentar Sanktionen Libyen: Menschen erster und zweiter Klasse
Der UN-Sicherheitsrat hat zu spät und nur halbherzig gehandelt. Die
mutmaßlichen Verbrechen in Libyen und die Gefahr ihrer Fortsetzung
erfordern jetzt ein Eingreifen.
Aufstand in Libyen: Gaddafi entgleitet die Macht
Gaddafi-Gegner kommen Tripolis und damit dem libyschen Regime immer näher.
Die drittgrößte Stadt Misurata haben sie bereits unter Kontrolle. In
Bengasi sitzt nun eine Übergangsregierung.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.