# taz.de -- Abzocke in der Spielhalle: Das Geschäft mit dem Glück | |
> Der Staat ist größter Gewinner der Spielsucht: Er kassiert mehr als eine | |
> Milliarde Euro. Die Kommunen können die Höhe der Vergnügungssteuer selbst | |
> festlegen. | |
Bild: Den großen Gewinn mit den Spielautomaten macht der Staat. | |
Warum geht die Politik nicht konsequent gegen Spielautomaten vor? | |
Weil der Staat damit viel Geld verdient. Im Jahr 2005 wurden die | |
gesetzlichen Vorgaben sogar noch einmal ausdrücklich gelockert, um das | |
Spiel weiter anzuheizen. Die Konferenz der Wirtschaftsminister der | |
Bundesländer hatte ausdrücklich gefordert, dass "dem gewerblichen Spiel | |
Perspektiven gegeben werden, um im Wettbewerb mit dem | |
öffentlich-rechtlichen Spiel und dem Spiel im Internet bestehen zu können". | |
Der Umsatz der Branche stieg seither massiv an - und so auch die | |
Steuereinnahmen. Laut dem Verband der deutschen Automatenindustrie zahlte | |
die Branche im Jahr 2005 noch 250 Millionen Euro an Vergnügung-, Umsatz- | |
und Gewerbesteuer. Im Jahr 2008 waren es bereits 1,25 Milliarden Euro. Aber | |
selbst dann, wenn ein einzelnes Bundesland oder eine einzelne Kommune etwas | |
gegen Spielautomaten unternehmen will, müssen sie erkennen, dass sie nur | |
wenig ausrichten können: Die Kompetenzen sind nämlich ziemlich verworren. | |
Wer ist eigentlich für die Spielautomaten-Branche zuständig? | |
Alle und niemand. Der Bund macht die Regeln für die Automaten: Er gibt vor, | |
wie viel Geld ein Spieler während einer Stunde maximal gewinnen und | |
verlieren darf und wie viele Sekunden ein einzelnes Spiel dauern muss. Der | |
Bund kann auch festlegen, welcher Abstand innerhalb einer Spielhalle | |
zwischen zwei Automaten liegen muss. Die Länder machen die Regeln für die | |
Orte, an denen Spielautomaten aufgestellt werden: wie groß die Räume der | |
Spielhallen sein müssen, wie viele Stunden am Tag sie öffnen dürfen, | |
welcher Abstand zwischen zwei Spielhallen liegen muss. Die Länder können | |
auch festlegen, wie die Mitarbeiter in den Spielhallen qualifiziert sein | |
müssen und ob auf Warnhinweisen in den Hallen vor Spielsucht gewarnt werden | |
muss. Die Kommunen schließlich legen die Vergnügungsteuer fest: Manche | |
verlangen einen festen Betrag pro Gerät, andere wollen am Umsatz beteiligt | |
werden, einige verzichten ganz auf die Steuer. Die Vergnügungssteuer darf | |
aber nicht so hoch sein, dass alle Spielcasinos in den Ruin getrieben | |
werden - damit würden die Kommunen unzulässig in die Gewerbefreiheit | |
eingreifen - und diese Grenze liegt wohl irgendwo zwischen 20 und 25 | |
Prozent des Umsatzes. Die Kompetenzen wurden zuletzt bei der | |
Föderalismusreform neu verteilt und im Grundgesetz festgeschrieben. Das | |
Bundeswirtschaftsministerium hat nun rechtlich gar nicht die Möglichkeit, | |
einer Kommune zu erlauben, alle Spielhallen dichtzumachen. | |
Wie wird die Spielsucht eingedämmt? | |
Wenn in einer Gaststätte zwei Automaten stehen, müssen diese ständig | |
beaufsichtigt werden. Bei drei Automaten muss technisch überprüft werden, | |
dass keine Jugendlichen spielen (etwa wie bei Zigarettenautomaten durch das | |
Einführen des Personalausweises). Eine repräsentative Befragung des | |
Instituts für Therapieforschung im Auftrag des | |
Bundeswirtschaftsministeriums kam allerdings zu dem Ergebnis: Kein einziger | |
der befragten Wirte kannte diese Vorgaben. In Spielhallen sollen | |
Sichtblenden zwischen den Automaten dafür sorgen, dass Spieler nicht | |
gleichzeitig an mehreren Automaten spielen können. Bei derselben | |
Untersuchung kam allerdings heraus, dass 62 Prozent der Spielhallen | |
Sichtblenden gar nicht oder falsch aufstellen. In einer Spielhalle standen | |
zwar Sichtblenden in der vorgeschriebenen Größe - aber sie hatten ein | |
Fenster zum Durchgucken. Auch bei anderen Vorgaben gibt es "zahlreiche | |
Mängel", so das Fazit der Studie. | |
Wie viel Geld kann man am Automaten gewinnen? | |
Um die Sucht zu begrenzen, wollte die Politik im Jahr 2005 den wichtigsten | |
Spielanreiz begrenzen: den Gewinn. Maximal 500 Euro pro Stunde sollten | |
erlaubt sein. Doch die Branche fand einen Weg, die Vorgabe zu umgehen: In | |
ihren Geräten gewinnt man Punkte, nicht Euro. Bei einem einzigen Spiel kann | |
man Punkte im Wert von mehreren tausend Euro gewinnen - und damit werben | |
die Spielhallen auch. Das Gerät spuckt den Gewinn allerdings nur in Etappen | |
aus: 500 Euro pro Stunde. In vielen Fällen muss der Spieler aber nicht | |
selbst warten: Der Betreiber der Spielhalle zahlt den Gewinn sofort bar | |
aus. | |
Warum dürfen private Unternehmen Spielautomaten aufstellen? | |
Spielautomaten gelten offiziell nicht als Glücksspiel wie Roulette, Lotto | |
oder Toto, sondern als Unterhaltung wie Kino, Eisessen oder | |
Achterbahnfahren. Dies hat sich historisch so entwickelt, weil | |
Spielautomaten die Nachfahren von Flipperautomaten und ähnlichen Geräten | |
sind, die immer schon jeder aufstellen durfte. | |
Warum sind Spielautomaten in der politischen Diskussion? | |
Der Europäische Gerichtshof hatte im September vergangenen Jahres darüber | |
zu entscheiden, ob das staatliche Monopol auf Lotto und Sportwetten | |
zulässig ist. Dieses Monopol wird offiziell damit erklärt, dass es | |
notwendig sei, um die Spielsucht einzudämmen. Doch die Richter bestimmten, | |
dass der Staat dann auch konsequent gegen andere Formen der Spielsucht | |
angehen muss. Dabei ist es egal, wie der Gesetzgeber die Automaten | |
bezeichnet - es kommt auf das Suchtpotenzial an. Jetzt müssen sich Bund und | |
Länder entscheiden: Entweder sie geben das Lotto-Monopol auf, oder sie | |
gehen ernsthaft gegen Automatenspielsucht vor. Die Verhandlungen laufen auf | |
Ebene der Ministerpräsidenten und noch kann man nicht absehen, wann die | |
Entscheidung fällt. | |
5 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Heiser | |
## TAGS | |
WM 2011 – Mixed Zone | |
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