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# taz.de -- UN-Intervention in Libyen: Die Truppen gehen in Stellung
> Ein Sondergipfel in Paris beschließt sofortige Aktionen. Merkel begrüßt
> das Eingreifen, Deutschland wird sich aber nur indirekt am Einsatz
> beteiligen. Gaddafi-Truppen ignorieren Waffenruhe.
Bild: Siegessicher: Rebellen jubeln auf einem eroberten Panzer.
WASHINGTON/BENGASI/PARIS dapd/rtr/dpa/taz/afp | Nach langen Verhandlungen
ist die internationale Gemeinschaft am Samstag zur Tat geschritten, um ein
weiteres Vordringen der Truppen von Machthaber Muammar al Gaddafi zu
verhindern. Vertreter aus 22 Ländern beschlossen auf dem Sondergipfel in
Paris ein sofortiges militärisches Eingreifen gegen Libyen. Laut dem
französischen Staatschef Nicolas Sarkozy wurde vereinbart, "alle
notwendigen Maßnahmen, insbesondere militärische" zu ergreifen, um Gaddafi
zur Einhaltung der am Donnerstag vom UN-Sicherheitsrat beschlossenen
Resolution zu bewegen.
In der Abschlusserklärung des Sondergipfels hieß es, der Einsatz in Libyen
sei auf langfristige Basis angelegt. Es werde nicht mehr zugelassen, dass
sich Gaddafi und sein Regime weiterhin dem Willen der internationalen
Gemeinschaft verweigerten und das eigene Volk verhöhnten. "Wir werden
unsere Hilfe für die Libyer so lange fortsetzen, dass sie ihr Land wieder
aufbauen können und zugleich die Souveränität und die territoriale
Integrität des Landes vollständig respektieren", hieß es weiter.
Aufgabe der französischen Flugzeuge sei es zunächst, Luftangriffe durch
libysche Regierungstruppen auf die Stadt Bengasi zu verhindern, sagte
Sarkozy. In Süditalien liefen unterdessen die Vorbereitungen für konkrete
Militäraktionen. Sechs dänische Kampfflugzeuge vom Typ F-16 landeten auf
einem US-Stützpunkt in Sigonella auf Sizilien. Zudem entsandten die
Streitkräfte Spaniens vier Kampfjets, ein Tankflugzeug, ein U-Boot und eine
Fregatte.
Die US-Streitkräfte haben am Samstag mit der Vorbereitung von Angriffen auf
libysche Ziele begonnen. Schiffe und Flugzeuge seien in Position gebracht
worden, sagte ein Militär-Sprecher. Die amerikanische Marine werde
Stellungen der libyschen Flugabwehr entlang der Küste vom Mittelmeer aus
angreifen. Auch Flugzeuge aus Kanada erreichten am Samstag die Region und
sollten nach Angaben eines Sprechers von Ministerpräsident Steven Harper
innerhalb von zwei Tagen einsatzbereit sein. "Die Zeit zu Handeln ist
gekommen, und es muss schnell geschehen", sagte der britische
Premierminister David Cameron.
Britische Militäreinheiten sind nach Informationen des "Focus" bereits seit
Wochen in Libyen, um Kampfeinsätze vorzubereiten. Die Sonderkommandos
würden strategische Ziele wie Fliegerhorste, Luftabwehrstellungen und
Kommunikationszentralen vermessen und für Bombenangriffe markieren,
schreibt das Münchener Magazin (neue Ausgabe).
Die Kommandos gehörten zum Special Air Service (SAS) und zum Special Boat
Service (SBS), die im Zweiten Weltkrieg gegründet wurden. Diese Einheiten
wurden auch für Einsätze hinter den feindlichen Linien in Afghanistan und
im Irak eingesetzt. Der "Focus" beruft sich in seinem Bericht auf Berliner
Sicherheitskreise.
## Merkel begrüßt Entscheidung zu Militäraktionen
Die Geduld mit Gaddafi werde ein Ende haben, sagte Bundeskanzlerin Angela
Merkel. Der libysche Machthaber müsse in den nächsten Minuten oder Stunden
reagieren. Trotz der deutschen Enthaltung bei der Abstimmung über die
UN-Resolution begrüßte Merkel am Samstag die Entscheidung der
Staatengemeinschaft zum militärischen Eingreifen gegen das libysche Regime.
"Die UN-Resolution gilt, deshalb wollen wir auch, dass sie erfolgreich
umgesetzt wird", sagte Merkel.
Deutschland wolle sich am Libyen-Einsatz nur indirekt beteiligen, indem die
Bundeswehr die Nato in Afghanistan stärker entlastet. Außerdem sollen für
den Libyen-Einsatz die US-Stützpunkte in Deutschland zur Verfügung gestellt
werden kündigte Merkel in Paris an.
Die Organisation der Islamischen Konferenz haben die Resolution der
Vereinten Nationen zu Libyen begrüßt. Der Außenministerrat der
Organisation, der 58 Staaten angehören, erklärte am Samstag nach einer
Sitzung in Riad, die Resolution 1973 diene dem Schutz der Zivilisten. Es
sei absolut inakzeptabel, Zivilisten mit Kampfflugzeugen und Granaten zu
attackieren. Russland steht dem militärischen Eingreifen der
Koalitionstruppen in Libyen hingegen skeptisch gegenüber. "Moskau bedauert
die Militäraktion", teilte das Außenministerium mit.
## Gaddafi-Truppen ignorieren Waffenruhe
Angesichts drohender Militärschläge verstärken die Gaddafi-Truppen den
Kampf gegen die Rebellen. Trotz einer vom libyschen Regime ausgerufenen
Waffenruhe hatten Regierungssoldaten am Vormittag die von Rebellen
gehaltene Stadt Bengasi beschossen. Artillerie und Kampfflugzeuge waren zu
sehen, Einschläge erschütterten die Stadt.
Zudem haben offenbar libysche Aufständische ein Kampfflugzeug abgeschossen.
Dieses stammt nach Angaben der Aufständischen aus ihren eigenen Reihen. Es
handele sich nicht um einen von Gaddafi geschickten Flieger, sagte Aseldin
al-Scharif, der der Oppositionsgruppe Britisch-Libysche Solidaritätsaktion
vorsteht.
Auch in der drittgrößten Stadt Misrata, dem westlichsten noch von
Aufständischen gehaltenen Ort, dauerte der Beschuss nach Angaben von
Rebellen und einem Arzt auch nach der Ankündigung der Waffenruhe weiter an.
Scharfschützen Gaddafis seien auf den Hausdächern postiert, seine Truppen
durchsuchten Gebäude nach Aufständischen, sagte der Arzt.
Für die libysche Regierung stellt sich die Lage ganz anders dar: Laut
Regierungssprecher Ibrahim Mussa hätten Regierungstruppen am Samstag keine
libyschen Städte beschossen. Die Weltmächte hätten kein Recht, sich in die
inneren Angelegenheiten Libyens einzumischen. Die westlichen Mächte würden
es bereuen, wenn sie es doch täten.
Vielmehr seien es die Aufständischen, die die Waffenruhe brächen, indem sie
militärische Einheiten angriffen. "Unsere Streitkräfte ziehen sich
weiterhin zurück und verstecken sich, aber die Rebellen beschießen und
provozieren uns weiter", sagte Mussa der AP.
Nach Meinung des Rebellenchefs Mustafa Abdel Dschalil muss die
internationale Gemeinschaft schnell reagieren, um die Zivilisten vor den
Angriffen der Truppen von Muammar Gaddafi zu schützen. Derzeit würden alle
Stadtteile von Bengasi beschossen, sagte Dschalil dem Fernsehsender Al
Dschasira. Die internationale Gemeinschaft sei bereits spät dran. Falls man
heute nicht die Beschlüsse des UN-Sicherheitsrates umsetze, werde es in
Bengasi eine Katastrophe geben.
## Libyen will Ölverträge künftig an Verbündete vergeben
Libyen drohte unterdessen, lukrative Verträge zur Ölförderung im Land
künftig nur noch an Verbündete von Staatschef Muammar al Gaddafi zu
vergeben. Der Vorsitzende der staatlichen Ölgesellschaft, Schukri Ghanim,
erklärte am Samstag in Tripolis, in schweren Zeiten zeige sich, auf wen man
sich wirklich verlassen könne.
Eine Regierung, die sich gegen Gaddafi stelle, werde anders behandelt als
die, "die nicht gekommen sind und Gerüchte verbreitet haben", erklärte
Ghanim auf einer Pressekonferenz. Er versicherte, die Ölgesellschaft wolle
trotz der Kämpfe zwischen Regimegegnern und Regierungstruppen alle Verträge
erfüllen. Ghanim räumte allerdings ein, dass die Produktion von 1,7
Millionen Barrel pro Tag vor Beginn der Unruhen auf weniger als 400.000
Barrel pro Tag gefallen sei. Grund sei, dass ausländische Experten geflohen
seien.
Hier finden Sie eine Zusammenfassung der gestrigen Ereignisse. Beachten Sie
auch die Bilder aus Bengasi in der Galerie auf der rechten Seite.
18 Mar 2011
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Schwerpunkt Deniz Yücel
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