# taz.de -- Libyen-Protest in Berlin: Bomben sorgen für Jubel - und Protest | |
> Der Kampfeinsatz in Libyen bewegt auch Berlin: Vor dem Brandenburger Tor | |
> protestiert die Linkspartei gegen das Bombardement, in Charlottenburg | |
> fordern Exil-Libyer genau diesen Einsatz. | |
Bild: Einig gegen den Kampfeinsatz: Klaus Ernst und Gesine Lötzsch. | |
Steffen Kühne wiegt den Kopf hin und her. "Es gibt diesmal kein schwarz und | |
weiß." Sicher sei es richtig, den libyschen Aufständischen zu helfen. Aber | |
mit Bomben? "Gerechter Krieg, das ist einfach nur eklig", findet der | |
29-Jährige, Mitglied der Linksparteijugend. Langfristig könne die libyische | |
Demokratie nur auf zivilem Wege aufgebaut werden. | |
Die meisten Linksparteiler plagen am Sonntagmittag weniger Zweifel. Gut 100 | |
Demonstranten haben sich vorm Brandenburger Tor zu einer Kungebung | |
versammelt, mit roten Fahnen und einer einhelligen Botschaft: kein Krieg in | |
Libyen. Einen Tag zuvor startete der Westen seine Angriffe auf Gaddafi. | |
Selbstverständlich sei man solidarisch mit den Libyern, ruft ein | |
aufgebrachter Klaus Ernst, Linken-Bundeschef. "Aber doch nicht mit einem | |
Bombardement, das auch die Bürger trifft." Ernst nimmt die Brille von der | |
Nase, wirbelt sie durch die Luft. Von der "Doppelmoral des Westens" | |
schimpft er, von "einer Eskalation mit offenem Ende". Da müsse er doch mal | |
FDP-Außenminister Westerwelle loben. Dessen Enthaltung bei der UN zur | |
Flugverbotszone sei "richtig". Denn natürlich gehe es ums Öl. "Oder warum | |
sind wir nicht im Jemen oder an der Elfenbeinküste?" | |
Die meist älteren Zuhörer applaudieren. Am lautesten dann, wenn wie von | |
Co-Linkenchefin Gesine Lötzsch das pazifistische Mantra betont wird: "Mit | |
Krieg wurde noch nie Frieden geschaffen." Merkel müsse sich dafür | |
einsetzen, das Bombardement sofort einzustellen, fordert sie. Gadaffi müsse | |
zivil geächtet und isoliert werden. "Wir wollen kein Krieg für Öl, wir | |
wollen kein zweites Afghanistan." | |
Dass die Positionierung in dieser Frage nicht so leicht ist, zeigt eine | |
Demonstration libyischer Exilanten einen Tag zuvor in Charlottenburg. | |
"Gaddafi raus", fordern die 150 Demonstranten und schwenken | |
rot-schwarz-grüne Fahnen. "Wir alle sind froh über den Einsatz", freut sich | |
Same Ghati von der libyschen Gemeinde. "Jeden Tag hat Gaddafi Menschen | |
umgebracht - wir konnten nur zuschauen." Es sei nur noch der militärische | |
Weg geblieben, so Ghati. Nach den UN-Angriffen werde das libyische Volk | |
"den Rest schaffen". Auf die Linkspartei ist Ghati nicht gut zu sprechen. | |
"Denen geht's nicht um Libyen, denen geht's um Wahlstimmen." | |
Vorm Brandenburger Tor schüttelt Rim Farha, geborene Syrerin und Mitglied | |
der Lichtenberger Linken, den Kopf. "Erst liefern wir Waffen nach Libyen, | |
jetzt bombardieren wir. Das macht keinen Sinn." Ein älterer Demonstrant | |
betont, dass Gaddafi mehr für sein Volk getan habe als andere Despoten aus | |
der Ecke. Die vielen Touris knipsen lieber die Fahnen der | |
Allierten-Statisten als die der Linken. "Gaddafi muss endlich weg, der | |
macht die ganze Welt verrückt", findet eine Schweizerin. Eine Leipzigerin | |
empfindet die UN-Angriffe dagegen als "Gipfel der Heuchelei": "Es gibt so | |
viele Brennpunkte, aber zufällig in Libyen geht der Westen rein." | |
Nach einer halben Stunde rollen die Linksparteiler ihre Fahnen ein. Nebenan | |
legen Yoga-Anhänger blaue Kissen aufs Pflaster, setzen sich im Kreis um | |
einen Strauß weißer Rosen in den Lotussitz, schließen die Augen. Zu Libyen | |
kein Wort. "Für den inneren Frieden", steht aber auf einem Flyer zu ihrer | |
Open-Air-Meditation. "Dann gibt es keinen Krieg mehr." | |
20 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Ticker Libyen am Montag: EU verhängt weitere Sanktionen | |
Innerhalb der EU gibt es Streit darüber, wer die Führung der Luftangriffe | |
in Libyen übernimmt. Putin spricht von einem "Kreuzzug". Gaddafis Truppen | |
greifen unterdessen weiter Misrata an. | |
Frankreich kritisiert deutsche Libyen-Politik: Breitseite gegen "Deutschland AG" | |
Ungewöhnlich scharf kritisieren französische Medien die Enthaltung Berlins | |
bei der Abstimmung über die Libyen-Resolution. Tenor: Die Drecksarbeit | |
dürfen die anderen machen. | |
Haltung Deutschlands zum Krieg: Libyen befreien? Nicht mit uns! | |
Zu gefährlich der Einsatz, zu unabsehbar die Folgen, zu willkürlich die | |
Gründe: Die Bundesregierung verteidigt ihre Ablehnung der | |
Libyen-Resolution. Doch die Kritik bleibt. | |
Krieg in Libyen: Angriff auf die Nachschublinien | |
Die westliche Allianz greift Flugabwehrstellungen und andere militärische | |
Einrichtungen an. Währenddessen toben weiterhin heftige Kämpfe zwischen | |
Rebellen und Regierungstruppen. | |
Krieg in Libyen: Berichterstatter und Vorbild | |
Er war entschlossen, die Revolution zu gewinnen - dafür berichtete er | |
unermüdlich. Am Samstag wurde der junge Netzaktivist Mohammed Nabbous | |
erschossen. | |
Kommentar Krieg in Libyen: Erst bomben, dann denken | |
Wer die beste moralische und rechtliche Begründung für einen Krieg hat, ist | |
nicht davon entbunden, die Sache zu Ende zu denken. Und zwar vor dem ersten | |
Schuss. | |
UN-Intervention in Libyen: Die Truppen gehen in Stellung | |
Ein Sondergipfel in Paris beschließt sofortige Aktionen. Merkel begrüßt das | |
Eingreifen, Deutschland wird sich aber nur indirekt am Einsatz beteiligen. | |
Gaddafi-Truppen ignorieren Waffenruhe. |