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# taz.de -- Lagebericht Fukushima I: Wieder am Stromnetz
> Am Dienstag waren wieder alle sechs Reaktoren am Stromnetz. Dennoch ist
> die Lage noch immer kritisch, immer wieder steigt Dampf auf. Viele der
> Steuersysteme sind defekt.
Bild: Rauch über Fukushima I.
Über die aktuellen Entwicklungen berichten wir [1][im Live-Ticker].
BERLIN/FUKUSHIMA dpa/dapd/afp/taz | Die Situation im japanischen
Katastrophen-Kraftwerk Fukushima I (Daiichi) bleibt angespannt. Nachdem
Helfer am Wochenende erste Erfolge bei der Sicherung der beschädigten
Reaktorblöcke erzielten, stieg am Montag und am Dienstag erneut Rauch und
Dampf über zwei Reaktoren auf. Immer wieder müssen die Arbeiter wegen
solcher Vorfälle zeitweilig zurückgezogen werden. Insgesamt sechs
Reaktorblöcke gehören zu dem japanischen Atomkomplex Fukushima I.
Immerhin ist die Anlage inzwischen wieder mit dem Stromnetz verbunden –
allerdings können nur die Anlagen 5 und 6 den Strom tatsächlich nutzen. In
den anderen Blöcken müssen erst noch die elektrischen Systeme überprüft
werden, bevor man den Ein-Schalter drücken kann. Vieles ist durch die
Überhitzungen und Explosionen beschädigt worden.
Die Betreiber wollen nun wichtige Steuer-und Mess-Systeme wieder in Gang
bringen. Bis Mittwoch will man dabei in den Reaktoren 1 und 2, bis
Donnerstag auch in den Reaktoren 3 und 4 wesentliche Fortschritte machen.
## Die Reaktoren im Einzelnen:
In Block 1 sind Reaktorkern und Brennstäbe beschädigt und die Kühlsysteme
ausgefallen, der Sicherheitsbehälter ist aber intakt. Das Reaktorgebäude
ist von einer Wasserstoffexplosion schwer beschädigt worden.
Bei Block 2 vermuten die Experten ein Leck im Sicherheitsbehälter
(Containment). Reaktorkern und Brennstäbe sind beschädigt, die Kühlsysteme
nicht funktionsfähig. Das Reaktorgebäude ist nur leicht beschädigt. Am
Montag und Dienstag stieg erneut weißer Dampf über dem Reaktorblock auf,
die Ursache war zunächst unklar. Es wird jedoch vermutet, dass es sich nur
Wasserdampf handelt. In dem zum Reaktorblock gehörendem Abklingbecken, in
dem benutzte Brennstäbe lagern, wurde zur Kühlung Meerwasser gespeist.
Block 3 gilt als besonders gefährlich, weil er Brennstäbe mit
Plutonium-Uran-Mischoxid (MOX) benutzt. Plutonium ist nicht nur radioaktiv,
sondern auch hochgiftig. Auch in Block 3 sind Reaktorkern und Brennstäbe
beschädigt, sowie die Kühlsysteme ausgefallen. Das Reaktorgebäude wurde
durch eine Wasserstoffexplosion zerstört, der Sicherheitsbehälter gilt aber
als intakt.
Sorge bereitet hier auch das Abklingbecken, das nur noch wenig Kühlwasser
enthält. Deshalb wurde der Reaktor am Dienstag wieder mit Meerwasser
besprüht. Zwischenzeitlich lag ein Dunstschleier über dem Reaktorblock.
Im Reaktordruckbehälter von Block 4 waren zum Zeitpunkt des Erdbebens keine
Brennstäbe. Kritisch ist jedoch die Lage im Abklingbecken, das nur wenig
Kühlwasser enthält. Das Abklingbecken wird immer wieder mit Meerwasser
besprüht.
Block 5 und Block 6 sind heruntergefahren worden und haben Sonntag den
Status "kalt und unterkritisch" erreicht. Sie gelten damit als gesichert.
Die Stromversorgung steht, auch werden die Abklingbecken wieder ausreichend
gekühlt.
## Jod und Cäsium im Trinkwasser
Derweil wurde im Trinkwasser der japanischen Hauptstadt Tokio radioaktives
Cäsium nachgewiesen. Am Montag riet das Gesundheitsministerium zudem den
etwa 6.000 Bewohnern des Dorfes Iitate wegen erhöhter Werte radioaktiven
Jods im Wasser davon ab, Leitungswasser zu trinken. Iitate liegt etwa 30
Kilometer nordöstlich des Atomkraftwerkes Fukushima.
Ein Sprecher des Ministeriums sagte zu den Werten von Iitate, es sei Wasser
mit dreimal höheren Werten als normal. In allen Fällen sei die Verstrahlung
jedoch zu gering, um unmittelbare Schäden zu verursachen. Im Gegensatz zu
verstrahltem Jod, das nach etwa acht Tagen zerfällt, können sich
radioaktive Isotope wie Cäsium-137 und Uran-238 über Jahrzehnte in der
Natur halten.
## Offenbar Schlamperei
Bei der Inspektion des havarierten Atomkraftwerks Fukushima-Daiichi hat es
offenbar massive Unregelmäßigkeiten gegeben. Das geht aus einem Bericht der
japanischen Atomsicherheitsbehörde hervor, der neun Tage vor dem
verheerenden Erdbeben und dem anschließenden Tsunami veröffentlicht wurde.
Demnach ließ der Betreiber Tepco 33 Teile der Anlage nicht inspizieren.
Darunter hätten sich Notstromgeneratoren, Pumpen und andere Teile des
Kühlsystems befunden, die dann vom Tsunami beschädigt wurden und deren
Ausfall zu den massiven Problemen in dem Kraftwerk führte.
Schon vor der jüngsten Katastrophe hatte es immer wieder Kritik an Tepco
wegen nachlässiger Wartung von Atomkraftwerken gegeben.
21 Mar 2011
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## TAGS
Fukushima
Schwerpunkt Atomkraft
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