# taz.de -- Krieg in Libyen: Amerikaner wollen nicht führen | |
> Frankreich und die Türkei sind in der Libyenpolitik uneins - der einzige | |
> Konsens: Die Nato soll sich raushalten. Die Alliierten können sich | |
> derweil auf kein gemeinsames Ziel einigen. | |
Bild: Da schien die französisch-türkische Welt noch in Ordnung: Sarkozy und E… | |
GENF taz | Die befürchtete Eroberung Bengasis und ein Blutbad in der von | |
Aufständischen kontrollierten zweitgrößten Stadt Libyens konnte mit den | |
Angriffen gegen Gaddafis vorrückende Truppen verhindert werden. Doch was | |
sind die weiteren Ziele der militärischen Gewaltanwendung nach diesen | |
Angriffen? Wer übernimmt die operative Koordination und politische Führung | |
weiterer Militäraktionen? | |
Bei allen internationalen Militäroperationen seit Ende des Kalten Krieges | |
war die Antwort klar. Ob im Irak 1991 und 2003, Bosnien 1993-1995 oder | |
Serbien/Kosovo 1999, ob mit oder ohne UNO-Mandat, mit oder ohne offizielle | |
Beteiligung der Nato oder einzelner Staaten in einer "Koalition der | |
Willigen" - stets übernahmen die USA die militärische, operative und | |
politische Führung und steuerten die meisten Soldaten, Waffen und Munition | |
bei. | |
Das soll diesmal anders sein, wie in den vergangenen Tagen verschiedene | |
Vertreter der Obama-Regierung und der US-Armee immer wieder deutlich | |
gemacht haben. Zwar war der unter Druck des Kongresses in Washington am | |
Donnerstag erfolgte abrupte Schwenk der Obama-Regierung hin zur Anwendung | |
militärischer Mittel ausschlaggebend für den Beschluss des | |
UN-Sicherheitsrats. | |
Auch übernahmen die Luft- und Seestreitkräfte der USA zumindest in den | |
ersten 24 Stunden den Hauptteil der Angriffe auf libysche | |
Luftabwehrstellungen sowie militärische Kommando- und | |
Kommunikationssysteme, um damit die Voraussetzung für eine Flugverbotszone | |
zu schaffen. Doch dabei soll es bleiben, erklärte Verteidigungsminister | |
Robert Gates. | |
Die Obama-Regierung will die Führung an die Nato, an Frankreich oder an | |
Großbritannien abgeben - aus politischen Gründen - und nach den Kriegen in | |
Irak und Afghanistan unbedingt den Eindruck vermeiden, sie führten einen | |
dritten Krieg gegen ein islamisches Land. Doch unter den 28 | |
Mitgliedsstaaten der Nato zeichnet sich bislang nicht der erforderliche | |
Konsens zur Übernahme der Führungsrolle im Libyen-Konflikt ab. | |
## Türken und Franzosen gegen Nato-Kommando | |
Der stärkste Widerstand kam von Frankreich und der Türkei. Der französische | |
Präsident Nikolas Sarkozy, in den vergangenen zwei Wochen wesentlicher | |
Antreiber für ein militärisches Eingreifen in Libyen, beansprucht die | |
Führungsrolle für sein Land. Denn vom Ausgang des Libyen-Konflikts hängt | |
möglicherweise sein politisches Überleben bei den Präsidentschaftswahlen | |
2012 ab. Doch gegen eine Führungsrolle Frankreichs sperrt sich die Türkei. | |
Die Regierung in Ankara ist über die bisherige Rolle Frankreichs vergrätzt, | |
da Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan von Sarkozy am Samstag nicht zum | |
Libyen-Gipfel nach Paris eingeladen wurde. Zugleich sperrt sich die Türkei | |
dagegen, dass die Nato das Oberkommando über weitere Militäraktionen in | |
Libyen oder auch nur die Überwachung der Flugverbotszone übernimmt. | |
Dahinter steht die Sorge, eine offizielle Führungsrolle der Nato könne | |
denjenigen in den arabischen und nordafrikanischen Staaten sowie in der | |
islamischen Welt, die hinter den Militäraktionen nur das imperialistische | |
Interesse des Westens vermuten, zusätzliche Argumente liefern. | |
Allerdings ist zu bezweifeln, dass es für diese Wahrnehmung einen | |
Unterschied macht, ob wie bislang Kampfflugzeuge und Kriegsschiffe der drei | |
führenden Nato-Staaten USA, Großbritannien und Frankreich ohne | |
Nato-Kommando die Angriffe auf Libyen ausführen oder künftig diese drei | |
Staaten eventuell gemeinsam mit ein paar weiteren Ländern unter einem | |
Nato-Kommando. Selbst wenn sich demnächst tatsächlich auch einige | |
Kampfflugzeuge aus arabischen Ländern aktiv an den Angriffen beteiligen | |
sollten, dürfte das die Wahrnehmung nicht wesentlich verändern. | |
Der entscheidende Grund für die Uneinigkeit im Lager der westlichen Staaten | |
von Nato und EU ist die Frage, was die mittel-und langfristigen Ziele der | |
Militäraktionen sein sollen. Noch vor zehn Tagen beschloss ein EU-Gipfel | |
offiziell die Forderung, Gaddafi müsse abtreten. Auch US-Präsident Barack | |
Obama verlangte den Abgang des Diktators. Gaddafi habe "jegliche | |
Legitimität verloren, sein Volk zu führen". Doch diese Forderung ist weder | |
in den beiden Resolutionen 1970 und 1973 des UN-Sicherheitsrats vom Freitag | |
und dem 26. Februar enthalten, noch dem Beschluss mit dem die Arabische | |
Liga eine Flugverbotszone befürwortete. | |
## Gaddafis Absetzung nicht Ziel der Militäraktion | |
Für die drei afrikanischen Mitgliedsstaaten des Sicherheitsrates, Nigeria, | |
Südafrika und Gabun war dies eine ausdrückliche Bedingung ihrer Zustimmung | |
zu diesen Resolutionen. Inzwischen rückte zumindest die US-Militärführung | |
von der Forderung nach einem Abtritt Gaddafis ab. Das sei "nicht Ziel der | |
Militäraktionen", betonte Generalstabschef Mike Mullen am Sonntag. | |
Zugleich aber erklärte der britische Verteidigungsminister Liam Fox, ein | |
militärischer Angriff auf die Person Gaddafis sei "eventuell eine | |
Möglichkeit". Und auch Außenminister William Hague erklärte auf eine | |
entsprechende Frage der BBC: "Ich werde nicht über die Ziele von | |
Luftangriffen spekulieren; das hängt von den Umständen zu bestimmten | |
Zeitpunkten ab." | |
Die Antwort auf die Frage nach der politischen Zukunft Gaddafis spielt eine | |
Rolle für die Entscheidung, ob künftige aktive Maßnahmen der libyschen | |
Aufständischen, etwa zur Rückeroberung von Städten, militärisch von außen | |
gestützt werden sollen oder nicht. Ist es das Ziel, die territoriale | |
Einheit Libyens zu erhalten? Oder wird eine Zweiteilung des Landes in Kauf | |
genommen oder gar aktiv befördert? Dazu gibt es weder unter den | |
Mitgliedsstaaten der Nato und EU noch unter den Ländern der Region, | |
geschweige denn im UN-Sicherheitsrat Einigkeit. | |
22 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Andreas Zumach | |
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