# taz.de -- Krieg in Libyen: Rebellen kritisieren Nato | |
> Die Nato bombardiere oft zu spät und gehe nicht entschieden genug vor, | |
> kritisieren die Rebellen in Bengasi. Die Nato weist das zurück. Um die | |
> Stadt Adschabija toben derweil schwere Kämpfe . | |
Bild: "Leider hat uns die Nato bisher enttäuscht": General Abdulfattah Junis. | |
BENGASI dpa/rtr/dapd | Trotz der Unterstützung durch Kampfflugzeuge der | |
Nato kommen Libyens Aufständische im Kampf gegen die Milizen von Diktator | |
Muammar al-Gaddafi nicht voran. In mehrtägigen blutigen Kämpfen konnten die | |
Rebellen noch nicht den entscheidenden Erfolg beim Ölhafen Al-Brega | |
erzielen, auch der Ring der Gaddafi-Truppen um Misurata konnte nicht | |
durchbrochen werden. Jetzt klagen die Rebellen über Mängel in der | |
Unterstützung durch die Nato. Diese weist die Kritik zurück. | |
Scharfe Kritik an der Strategie der Nato bei ihren Luftangriffen übte der | |
Militärführer der libyschen Rebellen, General Abdulfattah Junis. Die Nato | |
bombardiere oftmals zu spät und gehe nicht entschieden genug vor, sagte | |
Junis am Dienstag in Bengasi. "Leider hat uns die Nato bisher enttäuscht", | |
sagte Junis. Von einem Kontakt der Rebellen zur Nato bis zum Luftangriff | |
dauere es bis zu acht Stunden. | |
Wenn sich dies nicht ändere, müsse er den Übergangsrat der Aufständischen | |
bitten, die Angelegenheit vor den UN-Sicherheitsrat zu bringen, sagte | |
Junis. Den Belagerungsring der Truppen Gaddafis um die Stadt Misurata hätte | |
die Nato nach seiner Einschätzung bereits vor Tagen mit Luftangriffen | |
aufbrechen können. Die Rebellen unternähmen alles, um gegen die Truppen | |
Gaddafis voranzukommen. Junis, Ex-Innenminister Gaddafis, war zu den | |
Rebellen übergelaufen und ist dort jetzt Generalstabschef. | |
## Nato weist die Vorwürfe zurück | |
Die Nato wies die Vorwürfe am Mittwoch mit dem Hinweis zurück, Misurata | |
habe für die Allianz höchste Priorität. Frankreich wies darauf hin, | |
Gaddafis Truppen hätten in der Nähe von Zivilisten Stellung bezogen, die es | |
zu schützen gelte. "Das macht Einsätze noch schwieriger", sagte | |
Außenminister Alain Juppé. | |
Ähnlich äußerte sich in Brüssel Nato-Sprecherin Carmen Romero. Die Lage am | |
Boden verändere sich ständig. Gaddafis Truppen hätten ihre Taktik geändert, | |
führen Zivilfahrzeuge, hätten in Städten wie Misurata Panzer stationiert | |
und benutzten menschliche Schutzschilde, sagte Romero. Die Nato bestritt | |
zudem Vorwürfe der Rebellen, die Intensität der Luftangriffe habe | |
nachgelassen, seitdem sie vorige Woche das Kommando des Einsatzes | |
übernommen hatte. Am Montag habe das Bündnis 137 Einsätze geflogen, am | |
Dienstag 186 und für Mittwoch waren laut Romero 198 Flüge geplant. | |
Junes, ein früherer Innenminister Gaddafis, widersprach der Darstellung des | |
Bündnisses, dass sich die Truppen des Machthabers hinter menschlichen | |
Schutzschilden verschanzten. Ein Kämpfer aus Misurata sagte, es seien keine | |
Zivilisten in der Nähe von Gaddafis Soldaten. | |
Derweil versuchten die Aufständischen im Osten Libyens verlorenes Terrain | |
zurückzugewinnen. Westlich von Adschdabija seien schwere Kämpfe im Gange. | |
Die Gefechte hätten am Morgen begonnen, nachdem Gaddafis Truppen über Nacht | |
mit Munition versorgt worden seien, berichtete der Kämpfer einer | |
Spezialeinheit der Rebellen. Die Front verlaufe jetzt 20 Kilometer östlich | |
von Brega. Am Dienstag waren die Rebellen so weit wie seit Tagen nicht | |
zurückgeschlagen worden. | |
## Zivilbevölkerung als "Schutzschild" | |
## | |
Die Nato-Führung hatte zuvor darauf hingewiesen, dass gezielte | |
Luftangriffe, etwa bei Misurata, Piloten und Einsatzplaner vor größte | |
Probleme stellten. Gaddafi missbrauche inzwischen die Zivilbevölkerung als | |
"Schutzschild", um schwere Waffen, wie beispielsweise Panzer und | |
Schützenpanzer, vor Angriffen der internationalen Truppen zu schützen. | |
Insgesamt verfüge Gaddafi nach Ansicht der Nato jetzt über 30 Prozent | |
weniger Militärkapazität als vor Beginn der Luftschläge zum Schutz der | |
Zivilbevölkerung. | |
Erstmals wurden von den Rebellen Waffenlieferungen aus befreundeten Ländern | |
- unter Umgehung des Waffenembargos - bestätigt. Bruderländer sowie | |
freundlich gesonnene Staaten hätten leichte Waffen geliefert, sagte Junis | |
dem arabischen Satellitensender "Al-Aan" (Dubai). "Das ist aber nicht | |
genug", sagte er. | |
Erste Sondierungen des Gaddafi-Clans über Gespräche mit den Rebellen | |
verliefen bisher ergebnislos. Das Regime in Tripolis bot der Opposition | |
zwar Gespräche über "politische Reformen" an, hält aber an der Herrschaft | |
des Gaddafi-Clans fest. In diese Richtung weist auch ein Bericht des | |
US-Senders CNN, demzufolge die jüngste diplomatische Offensive der Führung | |
in Tripolis für die Idee werben sollte, dass Gaddafis Sohn Seif al-Islam | |
die Macht von seinem Vater übernimmt. | |
Die Übergangsregierung der Aufständischen hatte allerdings in den | |
vergangenen Wochen immer wieder betont, dass die Gaddafi-Familie nach Ende | |
des Konfliktes nie wieder eine Rolle im Land spielen sollte. Dies ist auch | |
die Position der westlichen und der meisten arabischen Staaten. | |
6 Apr 2011 | |
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