| # taz.de -- Schleppnetze im Schutzgebiet: Fischer behindern Artenschutz | |
| > In den deutschen Naturschutzgebieten auf See darf gefischt werden wie | |
| > überall sonst. Regeln für eine nachhaltige Fischerei seien nötig, | |
| > kritisiert der WWF. | |
| Bild: Junge Seehunde nehmen ihr erstes Bad in der Nordsee am Strand von Juist. | |
| HAMBURG taz | Deutschland hat zahlreiche Meeresschutzgebiete ausgewiesen. | |
| Doch der tatsächliche Schutz für Tiere und Pflanzen ist nach Einschätzung | |
| der Umweltstiftung WWF mangelhaft. Vor allem fehlten Regeln für die | |
| Fischerei in diesen Gebieten - und das fünf Jahre nachdem sie bei der EU in | |
| Brüssel angemeldet worden sind. | |
| Bis heute durchpflügen Schleppnetze und Baumkurren, Netze etwa zum Fang von | |
| Garnelen, den Meeresboden. Robben und Seevögel ertrinken als Beifang in | |
| Stellnetzen. "Das ist, als würden wir es zulassen, dass ein geschütztes | |
| Moor von einem Bulldozer durchpflügt wird", sagt Stephan Lutter vom WWF. | |
| Deutschland hat 30 Prozent seiner "Ausschließlichen Wirtschaftszone" (AWZ) | |
| auf Nord- und Ostsee in das europäische Schutzgebietsnetz "Natura 2000" | |
| eingebracht. Die AWZ erstreckt sich jenseits der 12-Meilen-Zone bis maximal | |
| 200 Seemeilen ins Meer hinein, dort besitzt das Land eingeschränkte | |
| Hoheitsrechte. Die Schutzgebiete sind bis zu 5.000 Quadratkilometer große | |
| Areale, die nach der Flora-Fauna-Habitat (FFH)- oder der | |
| Vogelschutzrichtlinie der EU als schützenswert gelten. | |
| Soll in einem solchen Gebiet Kies abgebaut, nach Öl gebohrt oder ein | |
| Windpark errichtet werden, muss zuvor geklärt werden, ob das Vorhaben mit | |
| der FFH- und der Vogelschutzrichtlinie vereinbar ist. Die Fischerei, die | |
| von jeher in der Nord- und Ostsee betrieben wird, braucht solche | |
| Genehmigungen nicht. Vertreter des Bundesamtes für Naturschutz und der | |
| Bundesanstalt für Fischerei diskutieren aber bereits, wie eine nachhaltige | |
| Fischerei aussehen müsste. | |
| ## Empfehlungen des Internationalen Rates für die Meeresforschung | |
| Grundlage dafür sind Empfehlungen des Internationalen Rates für die | |
| Meeresforschung (ICES) aus dem Jahr 2008, die auch der WWF in einer jetzt | |
| erschienen Studie ausgewertet hat. In Abstimmung mit seinen Nachbarstaaten | |
| müsse Deutschland auf mindestens 50 Prozent der Fläche seiner | |
| Meeresschutzgebiete die Fischerei verbieten, findet der WWF. | |
| "Deutschland ist bei der Ausweisung mariner Natura-2000-Gebiete | |
| vorangegangen", sagt Lutter, "jetzt müssen auch zeitnah verbindliche | |
| Schutzmaßnahmen folgen." | |
| Peter Breckling vom Deutschen Fischereiverband hält die Kritik für haltlos, | |
| schließlich spiele Deutschland ja den Vorreiter. Die 50-Prozent-Regel des | |
| WWF hält er für existenzbedrohend. Sie würde der Fischerei ein Sechstel der | |
| AWZ versperren. "Ich halte das für eine zu pauschale und nicht ausreichend | |
| begründete Forderung", sagt der Generalsekretär. Der ICES habe mehrfach | |
| darauf hingewiesen, dass die Datengrundlage zu schwach für eine Bewertung | |
| sei. | |
| Stationäre Schutzgebiete sind Brecklings Argumentation nach ungeeignet, | |
| weil viele Fischarten wanderten. Und die vom WWF kritisierte Methode, mit | |
| schweren Schleppnetzen den Meeresboden aufzureißen, sei wegen des hohen | |
| Dieselpreises obsolet geworden. "Die Zeiten der tonnenschweren | |
| Fanggeschirre sind vorbei", sagt Breckling. | |
| ## Fischereifreie Schutzgebiete | |
| Das ist ganz im Sinne des Bundesamtes für Naturschutz (BfN). "Wir arbeiten | |
| daran, weniger zerstörerische Fischereimethoden hoffähig zu machen", sagt | |
| Henning von Nordheim vom BfN. Der Wissenschaftler vermutet aber, dass das | |
| nicht reichen wird. | |
| "Ich würde mich freuen, wenn die Fischerei akzeptieren würde, dass | |
| Gebietsschließungen helfen können, ihre Fischbestände wiederaufzubauen", | |
| sagt er. Fischereifreie Gebiete in aller Welt böten den Beweis für diesen | |
| Effekt. | |
| Auch nicht ortsgebundene Arten suchten zum Laichen oder zur Aufzucht der | |
| Jungen bestimmte Gebiete auf. Gelänge es, die Anliegen des Naturschutzes | |
| mit der Fischerei zu verbinden, könnten wohl mehr Fische als heute gefangen | |
| und die Bestände doch stabil gehalten werden. | |
| Das BfN und die Bundesforschungsanstalt für Fischerei wollen in den | |
| nächsten Wochen ein Gesamtkonzept für die Meeresschutzgebiete den deutschen | |
| Entscheidungsgremien vorlegen. Danach könnte es reif sein für die Debatte. | |
| "Ich wünschte auch, es ginge schneller. Aber solide erarbeitete Vorschläge | |
| benötigen Zeit", sagt von Nordheim. | |
| 11 Apr 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Gernot Knödler | |
| ## TAGS | |
| Fischerei | |
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