# taz.de -- Kommentar Flüchtlingspolitik: Ein europäisches Trauerspiel | |
> Berlusconi und Co. nutzen die Not der Flüchtlinge um innenpolitisch | |
> Kapital zu schlagen. Der deutsche Innenminister zieht nach und macht die | |
> Grenze dicht, auch wenn Menschen ertrinken. | |
In einem zumindest haben die Innenpolitiker der CSU, die sich derzeit wie | |
in längst vergangen geglaubten Zeiten als Scharfmacher in Sachen | |
Flüchtlingspolitik hervortun, recht: Der Notstand auf der Mittelmeerinsel | |
Lampedusa, auf der seit dem Sturz des tunesischen Präsidenten Ben Ali mehr | |
als 20.000 Flüchtlinge auf Nordafrika angekommen sind, ist inszeniert. | |
Wenn Italien nur wollte, wäre das Land durch die Anzahl der Flüchtlinge | |
nicht überfordert, sondern könnte sie menschenwürdig aufnehmen. | |
Doch Berlusconi und Co. nutzen die Not der Flüchtlinge innenpolitisch und | |
bereiten zugleich Kommendes vor, denn die Zahl der Menschen, die unter | |
Lebensgefahr versuchen, Europa zu erreichen, wird vermutlich weiter | |
zunehmen. | |
Innenpolitischen Profit verbucht auch der deutsche Innenminister, der nun | |
droht, jedem fortschrittlichen Europa-Gedanken zum Trotz die Kontrollen an | |
den Grenzen zu verschärfen und von Italien mit einem Visum ausgestattete | |
Flüchtlinge nicht einreisen zu lassen. | |
Friedrich weigert sich, die europäische Verantwortung für die Flüchtlinge, | |
die in Italien, auf Malta oder in Griechenland ankommen, zu begreifen. Er | |
will sie weiter in der Zuständigkeit der Länder verbannt wissen, die an den | |
Rändern Europas liegen. | |
Wohin das führt, hat erst jüngst das Beispiel Griechenland gezeigt, wo | |
schlicht kein funktionierendes Asylsystem existiert und wo weder die | |
Deckung menschlicher Grundbedürfnisse noch die medizinische Versorgung der | |
Flüchtlinge gewährleistet ist. | |
An Friedrichs Haltung ändert auch seine Zusage nichts, einhundert der | |
Flüchtlinge aufzunehmen, die auf Malta gestrandet sind. Denn das ist nicht | |
nur eine verschwindend kleine Anzahl, sondern vor allem die Ausnahme von | |
der Regel. | |
Und die lautet: Das Land, über das ein Flüchtling in die EU einreist, ist | |
auch für diesen Flüchtling zuständig. So steht es in der europäischen | |
Asylzuständigkeitsregelung, die Dublin II genannt wird. | |
Diese Regelung - seit Griechenland angeknackst - will Friedrich retten. | |
Denn sie bedeutet, dass ein Land wie Deutschland kaum Verantwortung für | |
Flüchtlinge übernehmen muss. Schließlich kommen die meisten hier einfach | |
nicht rein. | |
Angesichts sehr niedriger Asylbewerberzahlen hätte Deutschland die | |
Kapazität, Flüchtlinge aufzunehmen. Doch Deutschland macht dicht, auch wenn | |
andere Menschen im Mittelmeer ertrinken. | |
11 Apr 2011 | |
## AUTOREN | |
Sabine am Orde | |
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