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# taz.de -- Ai Weiwei und Konfliktkulturen: Aufklärung für Maoisten
> Alle diskutieren über China. Alle? Nein, trotz der Festnahme des
> Künstlers Ai Weiwei spart sich das Goethe-Institut eine Debatte über
> Kunst und Freiheit.
Bild: Protest mit der Sprühschablone in Hongkong: "Wer hat Angst vor Ai Weiwei…
BERLIN taz | Zynisch gesagt: Das Goethe-Institut schlug am Dienstag in der
ifa-Galerie den chinesischen Weg ein. Obwohl es um die Vorstellung seines
neuen, in Zusammenarbeit mit dem Institut für Auslandsbeziehungen
entstandenen Essaybandes mit dem sprechenden Titel "Konfliktkulturen" ging:
Auf China kam die Rede nur höchst peripher.
Die Kunst fragt derzeit täglich, ob die Ausstellung "Die Kunst der
Aufklärung", an der das Goethe-Institut beteiligt ist, wegen der Verhaftung
von Chinas bekanntestem Künstler Ai Weiwei vorzeitig geschlossen werden
soll. Die Politik fragt dringend, wie angemessen mit einer Großmacht
umzugehen ist, die immer erfolgreicher und aggressiver wird. Dazu aber
hatte Christoph Bartmann, Leiter der Abteilung Kultur im Goethe-Institut
München, wenig zu sagen. Man habe gute Absichten verfolgt. Die äußeren
Umstände hätten das Projekt ins Schlingern gebracht. Ende der Ansage.
Dies zur Erklärung: In "Konfliktkulturen" wird versucht zu ergründen, was
eine solche Kultur sein kann - und ob es Kulturen gibt, die über mehr
beziehungsweise weniger Konfliktbereitschaft verfügen. Ein brisantes Thema
in Zeiten der Jasminrevolution. Und spannend, da derzeit wieder einmal
offenbar zu werden scheint, dass die Kulturen, deren Konfliktverständnis am
meisten kollidiert, Deutschland und China sind.
In den letzten Jahren ist viel darüber nachgedacht worden, ob der Westen
mit China nicht manchmal zu offensiv ist. Seminare zum richtigen Umgang mit
chinesischen Geschäftspartnern waren in aller Munde. Es hieß, man dürfe
China nicht das Gefühl geben, es könnte das Gesicht verlieren. In diesem
Sinne äußerten sich auch auf dem genannten Podium zur Buchvorstellung vor
allem der Autor Hamed Abdel-Samad und Theaterregisseurin und Choreografin
Helena Waldmann. Es herrschte Konsens: Man habe sich längst von der
Besserwisserei und Hochnäsigkeit früherer Tage verabschiedet. Und müsse
sich in der Begegnung mit anderen Kulturen als Gast benehmen.
Dass dies immer mehr genau so gehandhabt wird - auch bei der "Kunst der
Aufklärung", die auf subtile Untertöne setzt und die Bedenken der
chinesischen Partner respektiert -, wurde dann schließlich in einem
interessanten Redebeitrag aus dem Publikum offenbar. Erzählt wurde von der
Entführung der kleinen Meerjungfrau, dem Nationalsymbol der Dänen, zur Expo
nach Schanghai 2009. Es habe, so der Herr im Publikum, wie ein
Vertrauensvorschuss gewirkt, als Dänemark die Statue abbaute und nach China
verschiffte - und zwar als Original, so dass zugleich ein unterschwelliger
Kommentar zur chinesischen Plagiatskultur aufblitzte. Und: Auf dem leeren
Felsen am Rande des Kopenhagener Hafens installierte man eine Leinwand, auf
der Livebilder von der Meerjungfrau in Schanghai und ihren chinesischen
Betrachtern übertragen wurden - ungeschnitten und unzensiert. Der Erfinder:
niemand anderes als Ai Weiwei.
Wer Projekte wie diese ausfeilt, der kann nicht alles falsch gemacht haben.
Die westliche Welt, also auch Deutschland, hat sich in den letzten Jahren
im Dialog mit China bis auf ein paar Aussetzer recht geschickt angestellt.
Was aber hilft es, was helfen schlaue Bücher wie "Konfliktkulturen", wenn
China langsam durchzudrehen scheint? Darauf wusste das Podium in der
ifa-Galerie keine Antworten.
Ein interessanter, chinesischer Beitrag in "Konfliktkulturen" handelt
davon, dass auch offene, unangenehme Wortwechsel in China Tradition haben -
und dass auch Konfuzius dafür plädierte, persönlicher Gunst oder Missgunst
mit offenem Konflikt zu begegnen. Vielleicht ist es jetzt an der Zeit,
jeden Respekt vor der Andersartigkeit der chinesischen Konfliktkultur zum
Teufel zu jagen. Möglicherweise gilt nun wirklich, China - den
wechselseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeiten, seiner beginnenden
Rechtsstaatlichkeit und seinem relativ offenen, experimentellen Politikstil
zum Trotz - mit harten Restriktionen unter Druck zu setzen.
13 Apr 2011
## AUTOREN
Susanne Messmer
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