# taz.de -- Klaus Staeck über Ai-Weiwei-Proteste: "Die subversive Kraft der Ku… | |
> Es geht nicht nur um Ai Weiwei, sagt Klaus Staeck. Er meint, | |
> Grenzverletzungen sind der einzige Weg voran. Und besonders die Deutschen | |
> hätten wegen der Ostpolitik damit Erfahrung. | |
Bild: Mit der Kunstaktion " 1001 Stühle für Ai Weiwei" fordern Demonstranten … | |
taz: Herr Staeck, wie bewerten Sie, dass der regierungskritische Künstler | |
Ai Weiwei von Chinas Behörden verschleppt wurde, unmittelbar nachdem die | |
hochrangige deutsche Delegation samt Bundesaußenminister abgereist ist, die | |
in Peking die Ausstellung "Kunst der Aufklärung" eröffnet hat? | |
Klaus Staeck: Das war eine schwere Provokation nicht nur gegenüber den | |
Veranstaltern und dem Minister, auch gegenüber den Deutschen. Gerade die | |
Chinesen, die so darauf bedacht sind, das Gesicht zu wahren, sollte man | |
daran erinnern, dass andere auch ein Gesicht haben. | |
Was halten Sie von den bisherigen deutschen Reaktionen? | |
Mich stört, was in der Demokratie aber selbstverständlich ist, diese | |
Vielstimmigkeit. Die einen sagen, die Ausstellung sollte sofort geschlossen | |
werden, andere, sie sollte eventuell später geschlossen werden. Manche | |
sagen, das sollte geschehen wegen Besuchermangel. Andere (dazu zähle ich) | |
sagen, es gäbe Gründe, sie zu schließen, aber das wäre von unserer Seite | |
falsch. | |
Warum? | |
Ich glaube immer noch an die produktive, subversive Kraft der Kunst. Es | |
wäre töricht, eine Sache, die jahrelang vorbereitet worden ist, jetzt | |
kurzfristig zu schließen. Man täte den Chinesen vielleicht noch einen | |
Gefallen. Schließungen von Ausstellungen sind dort nichts Besonderes. Wenn | |
die Ausstellung in China wirklich bisher kaum bekannt ist, könnte man die | |
Schließung auch kaum vermitteln. | |
Was wäre die angemessene Reaktion? | |
Sich auf allen möglichen Kanälen für Ai Weiweis Freilassung einzusetzen. | |
Damit zu drohen samt Setzung einer Frist, dass man, wenn dieser Mann nicht | |
freikommt oder wenigstens bekannt wird, wo er ist, darüber nachdenken | |
könnte, ob man die Ausstellung tatsächlich ein ganzes Jahr laufen lässt. | |
Sie haben gerade gesagt, mit einer Schließung würde man dem Regime | |
vielleicht einen Gefallen tun. Dann wäre eine Drohung doch hohl. | |
Das ist in der Tat ein Widerspruch. Sie merken daran, dass ich zwei Seelen | |
in meiner Brust habe. Es gibt für beide Argumente gute Begründungen. | |
Trotzdem müssen wir uns verhalten. | |
Wenn wir überzeugt sind, dass diese Ausstellung wichtig ist und die | |
Aufklärung nach China gebracht werden soll, wäre es unklug, sie zu | |
schließen. Zugleich muss man auch die Vertreter der Industrie, die ja gute | |
Geschäfte in China machen, daran erinnern, dass es auch eine Verantwortung | |
gegenüber unserem Rechtssystem gibt. Es wäre gut, wenn auch sie sich melden | |
würden. Es geht ja nicht nur um Ai Weiwei. Es überrascht, dass ein Land, | |
das sich international so stark gebärdet und auch ist, Angst vor einigen | |
Künstlern hat. | |
Muss es bei einer Politik des Wandels durch Annäherung "rote Linien" geben? | |
Die "rote Linie" bestimmen doch immer die anderen. Deshalb würde ich mich | |
da gar nicht drauf einlassen. Es gibt Grenzen, die man vorher kennt. Wenn | |
man sie bewusst verletzt, hat das Konsequenzen. Aber im Umgang mit Regimen | |
wie China sind Grenzverletzungen eigentlich der einzige Weg, um | |
voranzukommen. Das hat ja auch Ai Weiwei nach Meinung der Chinesen | |
praktiziert. Wenn man seine letzten Interviews liest, wusste er, was er | |
riskierte, und hat deshalb Anspruch, von uns in jeder möglichen Form | |
unterstützt zu werden. Ein China, das Weltmacht spielt, muss die | |
internationalen Regeln so beachten, das es nicht den Anschein erweckt, dass | |
es tatsächlich ein Gewaltregime ist. | |
Hätte man Chinas Verhalten nicht vorhersehen können? | |
Man konnte mit dieser Provokation nicht rechnen. Aber deshalb machen wir ja | |
so was. Kulturaustausch war immer ein Türöffner für jede Art von | |
Liberalität. | |
Wie sollte es jetzt weitergehen? | |
Indem man wieder versucht, die Tür zu öffnen. Jedenfalls sollten wir nicht | |
von unserer Seite aus eine zweite Tür schließen. Wir Deutschen haben | |
ausreichend Erfahrungen mit der Ostpolitik und mit dem Kulturaustausch mit | |
der DDR gemacht. Es geht immer um die Künstler dort. Durch Isolation | |
befördern wir eine Politik wie in Nordkorea, und das wollen wir auf keinen | |
Fall. | |
18 Apr 2011 | |
## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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