# taz.de -- Ministerpräsidentenwahl in BaWü: Kretschmann erster grüner Lande… | |
> Winfried Kretschmann ist nun offiziell Ministerpräsident von | |
> Baden-Württemberg. Für die Grünen ist es ein historisches Ereignis. Ihr | |
> Kandidat erhielt sogar zwei Stimmen aus der Opposition. | |
Bild: Winfried Kretschmann beim Schwur auf die Landesverfassung. | |
STUTTGART dapd/afp | Winfried Kretschmann ist als erster Grünen-Politiker | |
in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zum Ministerpräsidenten | |
gewählt worden. Der 62-Jährige erhielt am Donnerstag im ersten Wahlgang die | |
Mehrheit der 138 Abgeordnetenstimmen im Landtag in Stuttgart. Damit geht | |
nach knapp 58 Jahren die Herrschaft der CDU in Baden-Württemberg zu Ende. | |
Von 138 Stimmen entfielen 73 auf Kretschmann. Damit wurde er auch mit zwei | |
Stimmen aus der Opposition gewählt. | |
Nach Bekanntgabe des Ergebnisses brach im Parlamentssaal großer Jubel unter | |
den Abgeordenten der Grünen und der SPD aus. Winfried Kretschmann nahm die | |
Wahl an und schwörte den Eid auf die Landesverfassung. | |
Nach der Wahl äußerte sich Kretschmann erleichert und erfreut über seine | |
Wahl. Die Nervosität, die er am Morgen noch spürte, sei verflogen. | |
Kretschmann freute sich über die beiden Stimmen aus den Reihen der | |
Opposition, sah sie aber auch als Verpflichtung an, Interessen | |
zusammenzuführen und nicht zu polarisieren. Die Wahl bedeute eine große | |
Herausforderung für ihn, denn der Erwwartungsdruck sei sehr hoch. | |
Die anstehende Aufgabe sei, so Kretschmann, den Wohlstand, den das Land | |
kennzeichnet, mit den Zielen des ökologischen Umbaus zusammenzubringen. | |
Bildung soll von der Herkunft entkoppelt werden. Es gelte aber auch, den | |
Haushalt zu sanieren und die Bürgerschaft an die Politik heranzuführen. | |
Allerdings gab Kretschmann auch zu, dass das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 | |
ein Stolperstein zwischen den Koalitionären bleiben könnte. SPD und Grüne | |
seien da nicht einer Meinung. Kretschmann: "Wir hoffen, dass wir nicht in | |
die Baugrube fallen". Er fügte aber hinzu, dass ein guter Stolperer nicht | |
hinfalle. | |
Der SPD-Landeschef und künftige Vize-Ministerpräsident Nils Schmid zeigte | |
sich zufrieden über das Ergebnis für Kretschmann und sagte, dass der Start | |
für die neue Koalition kaum besser sein könnte. Schmid glaubt an eine | |
Signalwirkung der grün-roten Koalition über das Land hinaus. Es werde sich | |
zeigen, dass man Sozialdemokraten und Grüne auch ein industriestarkes Land | |
anvertrauen könne. Stuttgart 21 sieht er nicht als Stolperstein für die | |
Koalition. | |
Der CDU-Fraktionsvorsitzende in Baden-Württemberg, Peter Hauk, wünschte | |
Kretschmann für seine Aufgabe viel Erfolg. Dass dieser auch Stimmen aus der | |
Opposition bekommen habe, sei Ausdruck gelebter Demokratie, so Hauk. Bei | |
früheren Ministerpräsidentenwahlen in Baden-Württemberg hätte es ein | |
solches Stimmverhalten auch schon gegeben. Hauk kündigte gleichwohl eine | |
harte Oppositionspolitik gegen die Inhalte der grün-roten Koalition an. | |
## | |
Die Bundes-SPD sieht die grün-rote Regierungskonstellation in | |
Baden-Württemberg als eine Ausnahme an. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles | |
verwies am Donnerstag im RBB-Inforadio darauf, dass die SPD im Südwesten | |
immer schwächer gewesen sei als anderswo. Daher sei die jetzige | |
Regierungskonstellation für die Sozialdemokraten akzeptabel. "Dass die SPD | |
auf Bundesebene nicht die Nase vor den Grünen hat, das halte ich überhaupt | |
nicht für eine realistische Option", fügte Nahles hinzu. Sie mahnte, die | |
Grünen hätten derzeit einen "unheimlichen Hype" und müssten aufpassen, | |
"dass das nicht nur eine Luftbuchung am Ende wird". | |
## Seehofer will kooperieren | |
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) schlägt in der Debatte über | |
den Umgang des Freistaats mit dem künftig grün-rot regierten | |
Baden-Württemberg versöhnliche Töne an. Seehofer stellte in den Nürnberger | |
Nachrichten klar, es gebe von ihm "keine Aufkündigung der Zusammenarbeit". | |
Schließlich hätten beide Bundesländer auch weiterhin gemeinsame Interessen. | |
Es werde "natürlich" auch einen Kontakt mit dem neuen | |
baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) | |
geben. | |
Seehofer hatte im April mit der Äußerung für Wirbel gesorgt, man habe nach | |
dem Regierungswechsel in Stuttgart einen "Wettbewerb der Systeme". | |
CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt bezeichnete Kretschmann als | |
Fehlbesetzung. Seehofer sagte nun, es sei vernünftig, in einen "sportlichen | |
Wettbewerb" einzutreten, "ohne dass man sich gegenseitig herabsetzt". | |
12 May 2011 | |
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