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# taz.de -- Kommentar Grüner Ministerpräsident: Eine ordentliche deutsche Par…
> Nur Umweltpolitik reicht langfristig nicht für eine Partei. Nach ihrem
> Erfolg in der Atompolitik müssen die Grünen jetzt auch in der
> Sozialpolitik Farbe bekennen.
Das Problem mit den historischen Momenten ist, dass man immer erst in der
Rückschau sicher sein kann, ob sie wirklich historisch gewesen sind -
nachhaltig, einschneidend, die Welt verändernd. Trotzdem spricht viel
dafür, dass gestern in Stuttgart ein Stück Geschichte geschrieben worden
ist.
Mit Winfried Kretschmann ist zum ersten Mal ein Grüner zum
Ministerpräsidenten gewählt worden. Zum ersten Mal in der Bundesrepublik
ist die SPD nun Juniorpartner einer anderen Partei als der Union. Nach 58
Jahren ist die schwarze Herrschaft in Baden-Württemberg vorbei. Eine Zäsur,
keine Frage.
Und nicht nur im Ländle. Denn auch bundesweit wird derzeit grüne Geschichte
geschrieben. Die Industrienation Deutschland wird deutlich zügiger als
zwischendurch geplant aus der Atomkraft aussteigen.
Mag der Teufel auch im Detail stecken - Angela Merkel wird hinter diese
Entscheidung nicht mehr zurückfallen können.
Der grüne Gründungsauftrag ist damit eigentlich erfüllt. Die Bewegung, aus
der die Grünen entstanden, begann 1973 in Baden-Württemberg mit dem Kampf
gegen das geplante AKW Wyhl. Über Brokdorf, Wackersdorf und Gorleben machte
sie sich auf den Weg hin zu einer ordentlichen deutschen Partei.
Das inhaltliche Spektrum der Grünen fächerte sich dabei weiter auf. Der
Pazifismus blieb auf der Strecke. Doch der Kampf gegen die Meiler blieb
Kernanliegen ihrer Anhänger- und Wählerschaft.
Und nun? Ein gelöstes Problem taugt nicht, um damit Stimmen zu fangen.
Sicher, die Grünen haben irgendwie das Copyright auf den Atomausstieg. Aber
dieser Ruhm wird verblassen.
Als sinnstiftendes Thema ist der Atomausstieg passé. Wollen die Grünen
dauerhaft eine führende Rolle in der deutschen Parteienlandschaft spielen,
werden sie nicht darum herumkommen, in der Sozialpolitik Farbe zu bekennen:
Wollen sie wirklich einen höheren Hartz-IV-Satz, den ihre Klientel zahlen
müsste? Wollen sie wirklich eine Bürgerversicherung, die die grünen
Besserverdienenden zur Kasse bittet? Sind sie mutig und innovativ genug für
eine echte Debatte über das bedingungslose Grundeinkommen?
In der Opposition gehen solche Forderungen leicht über die Lippen. Der
Beweis, dass es die Grünen ernst meinen, steht noch aus. Ohne massive
Flügelkämpfe wird das nicht abgehen. Bisher schützte die unvereinbar
scheinende Atompolitik der Union die Partei vor einer
Richtungsentscheidung. Dieses Bollwerk zerbröselt.
Kurzum: Im Erfolg der Grünen in der Atompolitik steckt die kniffelige
Frage, ob es reicht, wenn das gut verdienende Bürgertum den eigenen Kindern
Bioäpfel im Edelmarkt kaufen kann. Oder ob wirkliche Nachhaltigkeit etwas
mit Umverteilung zu tun hat. Und das nicht nur im eigenen Land.
12 May 2011
## AUTOREN
Ines Pohl
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