# taz.de -- Atomausstieg bis 2021: Wer bietet weniger? | |
> Am Mittwoch gelangte ein Entwurf des Abschlussberichts der | |
> Atomenergie-Ethikkommission an die Öffentlichkeit. Grüne, Linke und | |
> Umweltverbände wollen einen noch früheren Ausstieg. | |
Bild: Grüne Zahlenspiele: Jürgen Trittin will 2012, Renate Künast wäre auch… | |
BERLIN dpa/afp | Nach dem Bekanntwerden eines Entwurfs für den | |
Abschlussbericht zum Atomausstieg gibt es Misstöne in der von Kanzlerin | |
Angela Merkel (CDU) eingesetzten Ethikkommission. "Ich halte Indiskretion | |
nicht für eine ethische Tugend", sagte der langjährige BASF-Chef Jürgen | |
Hambrecht dem "Handelsblatt". | |
Er sei über die Berichterstattung "sehr erstaunt". Das zitierte Dokument | |
sei ein Arbeitspapier, über das man in der Kommission "noch gar nicht | |
gesprochen" habe. In dem Papier wird der Regierung ein Ausstieg bis | |
spätestens zum Jahr 2021 empfohlen. | |
Der Entwurf, ein Arbeitspapier, war an alle 17 Mitglieder der Kommission | |
gegangen. Diese sollen bis zur Klausursitzung am Wochenende auf einem | |
Schloss in Brandenburg Kommentare und Ergänzungen dazu einbringen. Erst am | |
30. Mai soll der Abschlussbericht übergeben werden, der wahrscheinlich eine | |
Empfehlung für einen Korridor enthalten wird, bis wann ein Atomausstieg | |
realisiert werden kann. Unter anderem auf Basis des Berichts will die | |
Regierung ihre Entscheidung über Zeitpunkt und Prozedere des Atomausstiegs | |
treffen. | |
## Ilse Aigner mahnt Atomkonzerne | |
Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) forderte die | |
Atomkonzerne auf, sich konstruktiver an der Energiewende zu beteiligen | |
statt vor Stromausfällen zu warnen. "Derzeit sind elf Meiler vom Netz und | |
nur noch sechs in Betrieb. Die Warnungen waren völlig überzogen und | |
ziemlich überzogen", sagte Aigner der "Süddeutschen Zeitung". | |
"Statt mit Blackouts zu drohen, sollten sich die großen Konzerne endlich | |
konstruktiv an der Diskussion beteiligen", sagte Aigner. Die Konzerne | |
nutzten immer noch ihre "monopolistische Marktmacht und haben überhaupt | |
kein Interesse, niedrige Preise an die Kunden weiterzugeben". Sie riet den | |
Verbrauchern, sich Tarife genauer anzuschauen und Mut zum Anbieterwechsel | |
zu haben. | |
## Künast will Ausstieg 2017, Trittin 2012, Bulling-Schröter 2014 | |
Die Grünen-Politikerin Renate Künast forderte die Bundesregierung am | |
Donnerstag auf, den Abschied von der Kernenergie möglichst schnell perfekt | |
zu machen. Ihrer Ansicht nach sei es bereits 2017 möglich, das letzte Akw | |
in Deutschland abzuschalten, sagte die Vorsitzende der | |
Grünen-Bundestagsfraktion dem Radiosender Deutschlandradio Kultur. | |
Auch ihr Vorsitzenden-Kollege Jürgen Trittin findet 2021 zu spät. Der | |
Bericht zeige, dass ein Ausstieg noch vor 2012 möglich sei, "wenn die | |
Investitionshindernisse für Erneuerbare Energien weggeschoben werden", | |
sagte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin. Dazu bedürfe es | |
Investitionssicherheit, die es bei einer Revisionsklausel aber nicht geben | |
würde. Ehrgeizigere Ziele verlangte auch die Linke. "Technisch und | |
wirtschaftlich wäre der Ausstieg sogar bis Ende 2014 machbar", erklärte | |
ihre Umweltexpertin Eva Bulling-Schröter. | |
## Auch SPD will Ausstieg festschreiben | |
SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber forderte die Regierung auf, jetzt rasch ein | |
Atomausstiegsgesetz vorzulegen. Er äußerte auf handelsblatt.de die | |
Erwartung, dass es danach im Kern zu einer Rückkehr zum rot-grünen | |
Ausstiegsbeschluss kommen werde. SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas | |
Oppermann warnte mit Blick auf Überlegungen in der CDU/CSU vor einer | |
Revisionsklausel im Ausstiegsgesetz. Der Ausstieg müsse "unumkehrbar" | |
festgelegt werden, um den erforderlichen Ausbau erneuerbarer Energien | |
voranzutreiben. | |
Die Umweltverbände reagierten kritisch. "Weitere zehn Jahre Laufzeit für | |
Atomkraftwerke sind unverantwortlich", wandte sich der Umweltverband BUND | |
gegen ein Ausstiegsjahr 2021. Dass neun Atomkraftwerke für ein Jahrzehnt | |
weiterlaufen sollen, "ist angesichts der Gefahren nicht akzeptabel", | |
erklärte auch die Organisation "ausgestrahlt". Ein schnellstmöglicher | |
Ausstieg sei "auch ethisch geboten", verlangte Greenpeace. Die | |
Umweltverbände wandten sich gegen den Bau neuer Kohlekraftwerke. | |
## Debatte im Bundestag über Stromnetze | |
Im Bundestag kam es am Donnerstag zu einer Debatte über einen schnelleren | |
Ausbau der Stromnetze. "Nur wenn wir die Netze ausbauen, werde wir auch die | |
Erneuerbaren voranbringen können", sagte der energiepolitische Sprecher der | |
Unions-Fraktion, Thomas Bareiß, am Donnerstag im Bundestag. | |
Die Grünen hatten einen Antrag eingebracht, der mehr Transparenz und | |
Bürgerbeteiligung sowie unter anderem Erdkabel als Alternative zu | |
Freileitungen vorsieht. Bürgerinitiativen fürchten gesundheitliche Schäden | |
und eine Verschandelung der Landschaft durch Stromautobahnen. Union und FDP | |
warfen den Grünen vor, hier unrealistisch zu agieren, da Erdkabel bis zu | |
acht Mal so teuer wie Freileitungen seien. Die Grünen wiesen das zurück. | |
Die Partei kritisierte in ihrem Antrag, dass die Regierung gemeinsam mit | |
den Atomkonzernen den Eindruck erwecke, der Atomausstieg und der Ausbau der | |
erneuerbaren Energien könnten "aufgrund der fehlenden Leitungen nicht | |
kraftvoll vorangetrieben werden". | |
12 May 2011 | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Atomkraft | |
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