| # taz.de -- Atomausstieg der CDU: Merkel in Zeitnot | |
| > Ausstieg mit angezogener Handbremse: Die CDU will raus aus der | |
| > Atomenergie - und dafür mehr Braunkohle verfeuern. Doch wann soll es | |
| > soweit sein? | |
| Bild: Nicht das einzige Wesen, das beim Atomausstieg orientierungslos ist. | |
| BERLIN taz | Die CDU will raus aus der Atomkraft - aber bis wann in | |
| Deutschland alle Atommeiler abgeschaltet werden, bleibt ihr Geheimnis. Der | |
| CDU-Bundesvorstand hat am Montag ein sechsseitiges Papier mit dem Titel | |
| "Den Umstieg beschleunigen - Wegmarken in das Zeitalter der erneuerbaren | |
| Energien" beschlossen. Der Text ist recht allgemein gehalten. Man wolle die | |
| Atomkraft schneller beenden, heißt es, der Ausbau der erneuerbaren Energien | |
| soll beschleunigt werden. | |
| Das Ziel sei es, zu zeigen, "dass es innerhalb einer Generation gerade für | |
| ein Hochtechnologieland wie Deutschland möglich ist, die Stromversorgung | |
| weitestgehend aus regenerativen Energien zu bestreiten - und dabei | |
| führendes Industrieland zu bleiben". Dafür müsse man erst mal Kohle- und | |
| Gaskraftwerke ausbauen. | |
| Dabei setzt die CDU auf mehr deutsche Braunkohle. "Beispielsweise die gut | |
| und langfristig verfügbare heimische Braunkohle ist ein wirksames Mittel, | |
| um die Abhängigkeit von Energieimporten zu minderen." Was das Wort | |
| "beispielsweise" in diesem Kontext heißt, ist offen für Deutungen, passt | |
| aber zu der insgesamt vagen Diktion des Textes. Später heißt es, dass die | |
| Klimaschutzziele der Nutzung "von Kohle und Gas Grenzen setzen". Wie sich | |
| mehr Braunkohle-Verstromung konkret mit der CO2-Reduzierung verträgt, wird | |
| nicht erörtert. Dafür betont die CDU, dass sie als Volkspartei dafür sorgen | |
| muss, dass Energie kein Luxusgut wird. | |
| ## Ein bisschen abrücken von Gorleben | |
| Der Text wurde einstimmig verabschiedet. Er ist offenbar ein Kompromiss, | |
| mit dem auch die Minderheit in der CDU, der der avisierte Atomausstieg zu | |
| schnell geht, leben kann. Strittig war allerdings eine Passage, die das | |
| Endlager Gorleben betrifft. Die Union forciert die Erkundung von Gorleben, | |
| das viele Experten für ungeeignet halten. Die CDU möchte nun Gorleben | |
| weiter prüfen, aber auch "mögliche alternative Entsorgungsoptionen" | |
| untersucht wissen. Diese Passage wurde erst am Montag bei der | |
| Bundesvorstandsitzung eingefügt. Das heißt: Die CDU rückt ein bisschen von | |
| Gorleben ab. Denn andere Standorte zu suchen, ist nur sinnvoll, wenn die | |
| Eignung von Gorleben zweifelhaft ist. | |
| Dass die CDU den Ausstieg mit angezogener Handbremse angeht, hat vor allem | |
| mit Angela Merkels Zeitplänen zu tun. "Wir haben", so Generalsekretär | |
| Gröhe, "mit Rücksicht auf den Ethikrat kein Ausstiegsdatum genannt." Die | |
| CDU hat beim Atomausstieg ein selbstgemachtes Problem: Zeitnot. Merkel hat | |
| nach Fukushima die Reaktorsicherheits- und die Ethikkommission einberufen. | |
| Diese beiden Kommissionen sollen Merkels Rolle rückwärts in der Frage der | |
| AKW-Laufzeiten mit einem Anschein von Plausibilität versehen. Auch deshalb | |
| ist das CDU-Papier so vage: Wenn die CDU den schnelleren Atomausstieg | |
| konkret beschließen würde, dann wäre ja der ohnehin luftige Sinn der | |
| Ethikkommission noch mehr in Frage gestellt. | |
| ## Merkel braucht Opposition im Bundesrat | |
| Das dreimonatige Moratorium für die acht Altmeiler läuft am 15. Juni aus. | |
| Wenn es bis dahin kein neues Atomausstiegsgesetz gibt, dann könnten diese | |
| abgeschalteten Atommeiler rechtlich gesehen wieder ans Netz gehen. Und mit | |
| dem Ausstiegsgesetz wird es eng. Denn erst Mitte Mai soll die | |
| Reaktorsicherheitskommission ihren Bericht vorlegen, Ende Mai die | |
| Ethikkommission urteilen. Am 6. Juni soll das Kabinett über das | |
| Ausstiegsgesetz beschließen, am 7. soll das Gesetz in den Bundestag | |
| eingebracht werden. Mitte Juni sollte dann der Bundesrat den Atomausstieg | |
| beschließen. Doch daraus wird nichts. Denn Merkel braucht die | |
| Oppositionsfraktionen im Parlament und den Bundesrat, in dem gegen SPD, | |
| Grüne und Linkspartei nichts geht. | |
| Bei der Laufzeitverlängerung im letzten Herbst bugsierte Schwarz-Gelb die | |
| neue Atompolitik ruppig an Parlament und Bundesrat vorbei - diesmal wird | |
| die Opposition es Merkel nicht zu leicht machen. Der Bundesratstermin ist | |
| auf Druck der Länder auf den 8. Juli verschoben. Frühestens dann wird es | |
| ein neues Atomausstiegsgesetz geben, das zusammen mit einem Gesetz zum | |
| Stromtrassenausbau verabschiedet werden könnte. SPD und Grünen | |
| signalisierten gestern beim Treffen mit Angela Merkel | |
| Kompromissbereitschaft. Doch schon nach einer Stunde hatte man sich nichts | |
| mehr zu sagen - und vertagte sich erst mal. | |
| Sicher ist: Wenn es bis zum 8. Juli nicht klappt, rückt der Atomausstieg in | |
| die Ferne. Danach beginnt die parlamentarische Sommerpause. | |
| 9 May 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Reinecke | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Atomkraft | |
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