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# taz.de -- Treffen der Atomausstieg-Ethikkommission: Krieg der Welten
> 30 Experten reden über die Ethik der Energiewende. Zwei Lager beharken
> sich mit Argumenten, die bekannt sind. Näher kommen sie sich dabei auch
> in zehn Stunden nicht.
Bild: Reden, reden, reden, reden, reden.
Fast 30 Experten befragte die von der Bundesregierung einberufene
Ethikkommission "Sichere Energieversorgung" am Donnerstag in Berlin, zehn
Stunden lang, live im Fernsehen übertragen. Man wolle die Vielfalt der
Perspektiven aufgreifen, sagte einer der beiden Vorsitzenden, Matthias
Kleiner, vor Beginn. Zumindest das ist gelungen, denn die Diskussion bot
wenig Ausgleich zwischen den besorgt wirkenden Mahnern vor einer
Deindustrialisierung Deutschlands und denen, die in der grünen Energiewende
eine große Chance sehen.
Im Mittelpunkt standen die Fragen: Wie schnell können alle deutschen AKWs
abgeschaltet werden? Sind Stromnetze, erneuerbare Energien und
Stromspeicher schnell genug verfügbar? Wer zahlt den langfristig
vollständigen Umstieg auf andere Energieträger? Macht ein nationaler
Alleingang überhaupt Sinn: soziale, wissenschaftliche, technische und
gesellschaftliche Aspekte, aufgeteilt in 7-Minuten-Statements und
Fragerunden.
Auf der einen Seite standen etwa Eon-Chef Johannes Teyssen, der Chef der
Trimet Aluminium, Heinz-Peter Schlüter, oder Eberhard Umbach, Leiter des
Karlsruher Instituts für Technologie. Deren Argumentation, abgestimmt oder
nicht, ist im Prinzip die gleiche wie vor Fukushima: Ohne Atomkraft als
"Brückentechnologie" werde Strom zu teuer.
Die energieintensiven Industrien wie Aluminiumhütten drohten abzuwandern,
doch genau die liefere doch die Rohstoffe für die Energiewende. "Auch meine
Kinder wollen noch Ausbildungs- und Arbeitsplätze in diesem Land finden",
sagte Teyssen.
## "Schlechterdings unmöglich!"
Zweiter Punkt ist die Atomkraft als Klimaschützer: Die CO2-Emissionen
würden in Deutschland bis 2020 wegen des AKW-Ausstiegs ansteigen – um etwa
10 bis 15 Prozent, rechnete Teyssen vor. Die international verpflichtenden
CO2-Reduktionsziele der Bundesregierung um 40 Prozent bis 2020 seien
"schlechterdings unmöglich" zu erreichen. Der Eon-Chef spekulierte gar, das
zusätzliche Kohlendioxid könnte möglicherweise das Weltklima entscheidend
zum Kippen bringen. Zudem müsse man nun Atomstrom aus Frankreich
importieren.
Argumente, die Experten der anderen Seite Schritt für Schritt zu entkräften
versuchten. Es waren Vertreter wie Dietmar Schütz, Vorsitzender des
Bundesverbandes Erneuerbare Energie, oder Eicke Weber, Leiter des
Fraunhofer ISE in Freiburg, die sachliche Rechnungen präsentierten: dass
erneuerbare Energien bis 2020 trotz ihrer fluktuierenden Leistung bis dahin
die Leistung der AKWs ersetzen könnten.
## "Bewusste Lüge!"
Weber warf seinen Vorrednern "bewusste Lüge" vor: Die energieintensive
Industrie genieße in Deutschland seit Jahren sogar fallende Strompreise und
Sonderkonditionen. Michael Feist von den Stadtwerken Hannover rechnete vor,
dass die zusätzlichen CO2-Emissionen durch mehr Gebäudedämmung kompensiert
werden könnten.
All diese Argumente werden im Prinzip seit Jahren ausgetauscht und
diskutiert, darauf machte Felix Matthes vom Ökoinstitut aufmerksam: "Wir
können nachweisen, dass wir keinen Atomstrom aus Frankreich importieren
müssen." Und Ferdi Schüth vom Max-Planck-Institut Mühlheim meinte, dass der
kurzfristige Atomausstieg mit der vorhandenen Technik möglich sei.
Vor allem die geladenen Sozialwissenschaftler, Ethiker und Theologen
sorgten dafür, die Debatte auf eine andere Ebene zu heben: zum einen die
globalen Aspekte einer Energiewende und eine mögliche Vorbildfunktion
Deutschlands. Aber auch einen anderen Begriff von Wohlstand. "Billiges Geld
und billige Energie erzeugen Zwänge", sagte der Theologe Markus Vogt und
plädierte für einen neuen Begriff von Wohlstand, der nicht mehr auf der
Frage beruht, wie viele Ressourcen jedem Einzelnen für den Konsum zur
Verfügung stehen.
28 Apr 2011
## AUTOREN
Ingo Arzt
## TAGS
Schwerpunkt Atomkraft
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