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# taz.de -- AKW Krümmel und Brunsbüttel: Riskanter als Fukushima
> Greenpeace sieht Mängel bei Brunsbüttel und Krümmel. Ein schmelzender
> Kern würde nur von einer Stahlwanne aufgefangen.
Bild: Laut Greenpeace gefährlicher als das Atomkraftwerk in Fukushima: Der abg…
HAMBURG taz | Die Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel sind nach
Einschätzung von Greenpeace gefährlicher als das stark beschädigte AKW
Fukushima. Das liege vor allem daran, dass der Sicherheitsbehälter, der den
Reaktordruckbehälter mit den Brennstäben und dessen Anbauten umschließt,
aus Stahl statt aus Stahlbeton bestehe.
Die Umweltorganisation bemängelt außerdem, dass das Abklingbecken für
abgebrannte Brennstäbe außerhalb des Sicherheitsbehälters liege und dass
Notstrom- sowie Notkühleinrichtungen nicht ausreichend voneinander getrennt
seien. Eine Sprecherin des Betreibers Vattenfall sagte, in Deutschland
werde alles dafür getan, dass es zu einer Kernschmelze gar nicht erst
komme.
Die Kritik von Greenpeace orientiert sich an der Atomkatastrophe in Japan
und den Dingen, die dort schief gelaufen sind. Fazit der
Umweltorganisation: Manches in Krümmel und Brunsbüttel ist genauso
ungeschickt gebaut wie in Fukushima, manches sogar schlechter.
Wie der japanische AKW-Betreiber Tepco erst in der vergangenen Woche
bestätigte, sind in Fukushima einige Reaktorkerne teilweise geschmolzen.
Das ist gefährlich, weil die glühend heiße Masse durch den Boden des
Reaktordruckbehälters - des eigentlichen Reaktors - und des
Sicherheitsbehälters sacken könnte. Wahrscheinlich würde in einem solchen
Fall in großem Umfang Radioaktivität in die Umwelt gelangen.
Doch Fukushima verfügt gegenüber Krümmel und Brunsbüttel über einen
Vorteil: Der Sicherheitsbehälter des japanischen Kraftwerks besteht aus
einer mehrere Meter dicken Betonhülle. Sie kann Hitze viel besser
widerstehen als der stählerne Sicherheitsbehälter der deutschen
Siedewasserreaktoren. Während der Beton langsam mürbe würde, schmölze der
wenige Zentimeter dicke Stahl binnen Minuten durch.
Greenpeace nennt das einen "folgenschweren Konstruktionsfehler", unter dem
alle Siedewasserreaktoren der Baulinie 69 litten - benannt nach dem
Planungsjahr 1969. Er führe dazu, dass schnell viel Radioaktivität
freigesetzt werden könne und die Vorwarnzeit für den Katastrophenschutz
sehr kurz sei. Im Falle Brunsbüttels liege sie bei anderthalb bis fünf
Stunden, während es in Japan mehrere Tage sein könnten.
Das unterstelle, dass die Schmelze den Druckbehälter verlassen habe, sagt
Vattenfall-Sprecherin Barbara Meyer-Bukow. Dabei setze die deutsche
Sicherheitsphilosophie viel früher an. "Die Beherrschung von
Kernschmelzunfällen ist in Deutschland nicht gefordert, weil die
Anforderungen an die Vermeidung einer Schmelze so hoch sind", sagt
Meyer-Bukow.
Sollte es doch einmal so weit kommen, seien alle Notfallpläne darauf
ausgerichtet, den Reaktordruckbehälter zu kühlen, so dass die Schmelze
darin gefangen bliebe.
Gerade die Kühlung der Reaktoren und Abklingbecken erwies sich in Japan
jedoch als Problem. Nachdem durch das Erdbeben die reguläre Stromversorgung
ausgefallen war, stoppte der folgende Tsunami auch die Notstromdiesel. Die
Kühlwasserpumpen liefen noch eine Weile mit Batteriestrom, danach wurde die
Kühlung nur noch improvisiert.
Die Notkühlsysteme in Brunsbüttel und Krümmel seien von den Kraftwerken
räumlich getrennt und geschützt, versichert Vattenfall. In Brunsbüttel
sorge ein unabhängiges Notstandssystem (UNS) dafür, dass stets genug Wasser
die Brennstäbe umspüle.
Krümmel verfüge über eine verbunkerte Teilsteuerstelle, von der aus die
Kühlung gewährleistet werden könne. Sechs Notstromdiesel an zwei
Standorten, von denen einer verbunkert sei, lieferten die Energie für die
Pumpen, sagt Meyer-Bukow.
Als Gefahr haben sich in Japan auch die Abklingbecken für verbrauchte
Brennelemente erwiesen. Ohne Kühlung fangen sie an zu brennen und geben
Radioaktivität ab. In Fukushima aber auch in Krümmel und Brunsbüttel liegen
diese Becken außerhalb des Sicherheitsbehälters unter dem Dach. Geht hier
etwas schief, gibt es nur eine Barriere nach draußen.
Diese sei aber durchaus von Gewicht, betont Meyer-Bukow. Die äußere Hülle
des AKW Brunsbüttel könne immerhin ein abstürzendes Sportflugzeug
aushalten, Krümmel sogar den Absturz eines Düsenjägers. Als Krümmel gebaut
wurde, fiel immer mal wieder ein Starfighter vom Himmel, weshalb das
Kraftwerk sicherheitstechnisch aufgerüstet wurde.
Krümmel und Brunsbüttel gehören zu den Atomkraftwerken, die die
Bundesregierung nach dem Atomunfall in Japan am 14. März für drei Monate
stillgelegt hat.
Während dieses Moratoriums soll eine Ethikkommission die Risiken der
Atomenergie neu abwägen und die Regierung beraten. Dabei soll sie auf die
Arbeit die Reaktorsicherheitskommission (RSK) zurückgreifen, die bis Mitte
Mai untersucht, wie sicher die deutschen AKW sind. Am 16. Mai wird die RSK
ihren Bericht veröffentlichen.
29 Apr 2011
## AUTOREN
Gernot Knödler
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