Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kaum Bewerber für Freiwilligendienst: Zivis hinterlassen große L�…
> Die Diakonie in Schleswig-Holstein hat für 600 ehemalige Zivi-Stellen
> erst zwölf freiwillige Helfer. Auch anderen Sozialverbänden droht
> Personalnot. Jetzt werden die Werbetrommeln gerührt.
Bild: Sorgten für Menschlichkeit: Zivildienstleistende in der Altenpflege.
HAMBURG | taz Nur noch sechs Wochen, dann endet am 1. Juli mit der
Wehrpflicht auch der Zivildienst für junge Männer. Als Ersatz führt
Familienministerin Kristina Schröder (CDU) bekanntlich den neuen
"Bundesfreiwilligendienst", abgekürzt BFD, ein. Doch dies laufe chaotisch
und viel zu kurzfristig, kritisieren die Sozialverbände, die nun mit großen
Personallücken rechnen. Zudem werde überflüssigerweise eine Doppelstruktur
zum Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) aufgebaut.
Die bisherigen Zahlen sind noch nicht beruhigend. Beim Diakonischen Werk in
Schleswig-Holstein haben sich bislang zwölf Menschen für den BFD
verpflichtet. Der erste beginnt am 1. Juli in der Psychiatrie Rickling
seinen zwölfmonatigen Dienst. Doch es fallen dafür rund 600
Zivildienstleistende weg, die letzten werden im November ihren Dienst
beenden. "Es wird eine Lücke geben", sagt Diakonie-Sprecher Michael van
Bürk. "Spaziergänge mit Heimbewohnern, Ausflüge, Spielnachmittage - all
dies wird gegen null gehen, wenn wir keine BFDler bekommen."
Noch läuft die Werbekampagne erst an. Und zusätzlich hat die
schleswig-holsteinische Diakonie 500 FSJ-Plätze, die sich von denen des BFD
eigentlich nur darin unterscheiden, dass es eine Altersbegrenzung bis 26
Jahre gibt. "Doch auch beim FSJ ist die Nachfrage nicht mehr so groß wie
früher", sagt van Bürk. Dies könne an Berichten über freie Lehrstellen
liegen.
Die Zahlen sind überall ähnlich. Der Paritätische Wohlfahrtsverband in Kiel
hat erst zwei Bewerber für 250 BFD-Plätze. Und die Diakonie in Hamburg
zählt etwa zehn Leute für 200 Plätze. Insbesondere in der individuellen
Schwerstbehindertenbetreuung drohen dort ernsthafte Versorgungsengpässe. In
Niedersachsen hat der dortige Paritätische Wohlfahrtsverband "ungefähr 20
Verträge abgeschlossen", wie Fachreferent Heino Wolf berichtet. "Uns werden
aber ab dem 1. Juli 700 bis 1.000 Zivildienstkräfte fehlen", sagt Wolf.
"Dass das zu Leistungseinbußen führt, versteht sich von selbst." Auch bei
der Diakonie Hannover ist die Bewerberzahl "überschaubar", wie Fachreferent
Bernd Heimberg berichtet. "Wir werden die Zivildienststellen auf keinen
Fall dadurch ersetzen."
An sich stehen in Niedersachsen die Chancen, dass junge Menschen in 2011
für den freiwilligen Dienst geworben werden, nicht schlecht. Hier wird im
Sommer der doppelte Abiturjahrgang die Schulen verlassen. "Das erleichtert
die Sache, aber ich wünsche auch jedem, dass er einen Ausbildungsplatz
findet", sagt Wolf. Insgesamt sei die Reform zu sehr "übers Knie
gebrochen", die Werbung komme viel zu spät. Die Abschaffung des
Zivildienstes hätte Berlin auch auf den Winter oder den nächsten Sommer
verschieben können.
"Jeden Tag kommen neue Ansagen", kritisiert Steffen Becker von der Diakonie
Hamburg. "Erst heißt es, es gebe im BFD kein Kindergeld, dann doch. Erst
sollte er nicht auf Wartesemester angerechnet werden, dann doch."
Der kirchliche Dachverband beginnt gerade auf Facebook mit einem
"Typencheck" für junge Leute die Werbetrommel zu rühren. Schon bisher hatte
die Hamburger Diakonie neben den 600 Zivis rund 320 FSJler. Dazu kommen nun
erst mal 200 "Bufreis", wie die Ersatz-Zivis genannt werden. Auch hier
bestehen Chancen, dass die Plätze voll werden. Das FSJ in Hamburg ist
beliebt, es gab meist doppelt so viele Bewerber wie Plätze. Doch selbst
wenn alle 520 Plätze voll würden, klaffe eine Lücke von 400 Kräften, sagt
Becker. Die Umstellung sei eine große Sparmaßnahme. Denn Ministerin
Schröder will die rund 80.000 Zivis mit nur 35.000 neuen Freiwilligen
ersetzen.
Die Träger sehen die Umstellung mit Wehmut, wie sie sagen. Führte der
Zivildienst doch jungen Männer an soziale Berufe heran. "In Kitas waren
Zivis meist heiß umschwärmte junge Männer", berichtet Günter Ernst-Basten.
Und in der Pflege hätten sie für Menschlichkeit gesorgt. "Dafür, dass man
auch mal am Bett sitzen bleiben kann und redet." Der Verbandssprecher sieht
im neuen BFD aber auch eine Chance, weil erstmals auch die ältere
Bevölkerung angesprochen wird: "Vielleicht gibt es ja auch ,Bestager', die
sich fragen, ob Gartenzwerge begießen das Einzige ist, was es gibt."
19 May 2011
## AUTOREN
Kaija Kutter
## TAGS
Altenpflege
## ARTIKEL ZUM THEMA
Schweigsame Pflege: Heime sind gegen Transparenz
Um die Altenpflege zu verbessern, will die Gesundheitsbehörde Bewohner und
Beschäftigte befragen und das Ergebnis veröffentlichen. Heimbetreiber sind
dagegen.
Bundesfreiwilligendienst für Arbeitslose: Keiner weiß Bescheid
Eigentlich sollten Arbeitslose die neuen "Bufdis" verstärken. Doch die
Arbeitsagentur weiß nicht, wie sie mit Arbeitslosen umgehen soll, die den
Freiwilligendienst leisten wollen.
Bundesfreiwilligendienst gestartet: Kaum einer will Bufdi werden
Bisher ist die Nachfrage nach dem Bundesfreiwilligendienst eher verhalten.
Und das ist noch freundlich ausgedrückt. Das Bundesfamilienministerin hofft
auf Steigerung.
Nach dem Ende des Zivildienstes: Die große Freiwilligenschimäre
Das Familienministerium bestreitet Probleme bei der Einführung des
Bundesfreiwilligendienstes. Verbände hingegen klagen und sagen: Dienste
werden eingestellt werden müssen.
Kommentar Freiwillige als Zivi-Ersatz: Chance, sich einzubringen
Der Bundesfreiwilligendienst bietet die Chance, sich zu engagieren. Wenn
seine Finanzierung gedeckelt wird, verkommt er zum Sparmodell auf Kosten
der Schwächsten.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.