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# taz.de -- Nach dem Ende des Zivildienstes: Die große Freiwilligenschimäre
> Das Familienministerium bestreitet Probleme bei der Einführung des
> Bundesfreiwilligendienstes. Verbände hingegen klagen und sagen: Dienste
> werden eingestellt werden müssen.
Bild: Bisher haben Zivis soziale Dienste übernommen, wie hier in einer Einrich…
BERLIN taz | Mit dem Slogan: "Nichts ist erfüllender, als gebraucht zu
werden", wirbt das Bundesfamilienministerium derzeit eifrig für den
Bundesfreiwilligendienst. Erste Fortschritte gibt es nach Angaben von
Staatssekretär Josef Hecken. "Das Interesse ist enorm", behauptet der
CDU-Politiker. Seit dem Anlaufen der Informationskampagne Mitte Mai hätten
bereits 1.000 Freiwillige Verträge unterzeichnet. Mit weiteren 500
Interessenten sei bis zum Start am 1. Juli zu rechnen.
Bei den meisten Wohlfahrtsverbänden ist von diesem angeblichen Andrang
nicht viel zu spüren. "1.500 Freiwillige für Deutschland - das ist nichts",
sagt Adam Michel, Geschäftsführer des baden-württembergischen
Landesverbands der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (Amsel). Sein
Verband, der über 6.000 Menschen betreut, habe bislang noch keinen einzigen
Interessenten gewinnen können. Der Verein werde zwar nicht zusammenbrechen,
sagte Michel: "Wir werden aber Dienste einstellen müssen."
Zum 1. Juli fällt offiziell der Zivildienst weg. Außer durch das
Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) und das Freiwillige Ökologische Jahr (FÖJ)
soll er vor allem durch den Bundesfreiwilligendienst ersetzt werden. 2010
hatte es im Jahresdurchschnitt noch rund 45.000 Zivildienstleistende
gegeben. Aktuell sind es nach Angaben des Familienministeriums nur noch
19.823 junge Männer. 14.300 von ihnen hätten sich bereit erklärt, ihren
Dienst freiwillig über den Stichtag hinaus zu verlängern, heißt es von
dort. Michels Verband ist damit nur wenig geholfen: Nur zwei Zivis hätten
einer Verlängerung zugestimmt.
## "Jeder Mensch, der Zeit mitgebracht hat, war ein Gewinn"
Ein Notstand wie bei diesem Verband bleibt nach Ansicht von Ulrich
Schneiders, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes,
jedoch die Ausnahme. Bei den wenigsten Einrichtungen werde der Übergang so
an die Substanz gehen, sagt Schneider. Nicht zu bestreiten bleibe aber,
dass die Qualität in Pflege, Kinderbetreuung und anderen Bereichen zunächst
leiden werde: "Jeder Mensch, der Zeit mitgebracht hat, war ein Gewinn",
sagte Schneider.
Er glaubt dennoch, dass der neue Freiwilligendienst "ein enormes Potenzial"
biete. Um dieses auch voll auszuschöpfen, müsse er als "Marke" aber erst
noch etabliert werden. 3,5 Millionen Euro für Großplakate und ganzseitige
Zeitungsanzeigen, das sei das eine. Noch stärker müsse in den Schulen
selbst geworben werden, fordert Schneider. Und das noch vor den
Sommerferien. Denn auch wenn die Mehrheit der jungen Leute erst im Herbst
mit einem Freiwilligenjahr beginnt, melden sich Bewerber traditionell schon
in den Monaten Mai und Juni.
Das Familienministerium gibt sich weiter optimistisch: Man werde es
schaffen, sagt Staatssekretär Hecken, "große Einbrüche in der zweiten
Jahreshälfte zu verhindern". Bei seinen Prognosen verlässt sich das
Ministerium auf Erfahrungswerte der vergangenen Jahre. Oft mehr als doppelt
so viele junge Erwachsene hätten sich auf die jährlich 35.000 Plätze fürs
FSJ und FÖJ beworben. Viele von ihnen könnten nun auf den
Bundesfreiwilligendienst ausweichen.
Diese Kalkulation sei "zumindest im ersten Jahrgang völlig unrealistisch",
klagt Rainer Hub vom Bundesverband der Diakonie. Bei der Diakonie müssten
bis zum Stichtag noch mehr als die Hälfte der insgesamt 6.500 Plätze
besetzt werden.
14 Jun 2011
## AUTOREN
Lukas Ondreka
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