# taz.de -- Nach dem Ende der Wehrpflicht: Das Verschwinden der Zivis | |
> Wenn der Nachschub an Zivildienstleistenden versiegt, müssen die | |
> Sozialverbände deren Arbeit kompensieren. Der geplante | |
> Bundesfreiwilligendienst wird nicht ausreichen. | |
Der Zivildienst hat ausgedient. Nachdem die Zahl der Zivildienstleistenden | |
in den letzten Jahren kontinuierlich gefallen ist, wird diese | |
Personalzufuhr für Altersheime und Krankenhäuser mit der Aussetzung der | |
Wehrpflicht am 1. Juli ganz versiegen. Sozialverbände geben an, dass sie | |
schon lange nicht mehr mit Zivis planen - und den Dienst mehr als Lern- | |
statt als Arbeitsdienst ansehen. Trotzdem hoffen sie, dass die Zivis durch | |
Freiwillige ersetzt werden. Die Bundesregierung plant ein Gesetz zu einem | |
Bundesfreiwilligendienst. Ob dieser Dienst ausreichen wird, ist aber | |
fraglich. | |
In Berlin gab es Anfang September 2010 rund 1.800 Zivis - 2005 waren es | |
noch 2.700. "Deswegen haben wir unsere Zivildienststellen extrem | |
ausgedünnt", sagt Rüdiger Kunz vom Deutschen Roten Kreuz in Berlin. Beim | |
DRK sind nur noch rund ein Viertel der 200 Zivildienststellen besetzt. "Die | |
fehlenden Zivis haben wir kontinuierlich durch feste Mitarbeiter und auch | |
freiwillige Helfer ersetzt." | |
Beim katholischen Caritasverband ist die Lage ähnlich: | |
"Zivildienstleistende sind bei uns nur zusätzliche Kräfte", erklärt | |
Sprecher Thomas Gleißner. Im Moment leisteten bei ihm 225 Zivis ihren | |
Dienst ab. "Die einzelnen Träger stellen sich jetzt schon darauf ein, dass | |
sie nicht mehr mit Zivildienstleistenden rechnen können", sagt Gleißner. In | |
bestimmten Bereichen werde es zwar zu Kürzungen kommen, zusammenbrechen | |
werde die Pflege wegen der Aussetzung des Zivildiensts aber nicht. | |
Martina Richter, Zivildienstbeaufragte der Caritas, erklärt weiter: "Schon | |
in der Vergangenheit wurden Leistungen, die die Zivis gemacht haben, | |
gestrichen. Eine normale Pflegerin hat nicht die Zeit eines Zivis, etwa | |
einem psychisch Kranken eine Stunde lang vorm Kleiderschrank zu | |
unterstützen, wenn der sich nicht entscheiden kann, was er anziehen will." | |
Bei der Streichung der Zivildienststellen gehe dadurch "das menschliche | |
Mehr" in der Pflege verloren. | |
Doch ganz ohne Ersatz für den Zivildienst geht es offenbar nicht. Die | |
Verbände erwarten, dass die Zivis durch Freiwillige ersetzt werden, und | |
hoffen auf staatliche Unterstützung. "Bei unserem finanziellen Druck, darf | |
es keine Mehrkosten geben", erklärt Gleißner. DRK-Sprecher Kunz pflichtet | |
ihm bei: "Die wirtschaftliche Ausstattung soll gleich bleiben." Gemeint | |
sind die Zuschüsse, die Dienststellen für ihre Zivis bekommen: Bei einem | |
Sold von rund 10 Euro pro Tag kriegen sie 7,69 Euro vom | |
Bundesfamilienministerium. Das zahlt auch die Sozialversicherungsbeiträge | |
der Zivis. | |
Das Familienministerium will hingegen mit dem geplanten | |
Bundesfreiwilligendienstgesetz sparen. 2009 gab man 538 Millionen für | |
Zivildienstleistende aus, für den Freiwilligendienst wären es 350 Millionen | |
Euro. Zwar sollen die Freimaximal willigen den einjährigen Dienst in | |
ehemaligen Zivildienststellen leisten können, doch rechnet man im | |
Ministerium mit höchstens 35.000 Bewerbern pro Jahr - nur wenig mehr als | |
die Hälfte der derzeitigen Zivi-Zahl. "Weil der Dienst freiwillig sein | |
soll, muss davon ausgegangen werden, dass er die Lücke des Zivildienstes | |
nicht schließen wird", so Ministeriumssprecher Hanno Schäfer. | |
4 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Simon Poelchau | |
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