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# taz.de -- Alternative Stromgewinnung: Der Mais ist heiß
> Der Maisanbau für Biogas boomt: Naturschützer warnen vor Schädlingen, die
> Bauern preisen ihr neues Geschäft als wichtigen Beitrag zum Atomausstieg
> an.
Bild: Die "Vermaisung" Deutschlands.
BREMERVÖRDE taz | Heinz Korte ist ein Bauer, der nicht gern sät. "Das ist
ein stumpfsinniger Job", sagt der Vizepräsident des Landvolks, der größten
niedersächsischen Bauernorganisation. Von morgens bis abends mit einem
Traktor plus Sämaschine die Äcker rauf und runter fahren, das fülle ihn
nicht aus. "Aber es gibt Leute, die sich dafür begeistern." Zum Beispiel
der Subunternehmer, der gerade - einen Streifen aufgewirbelten sandigen
Bodens unter den Augen - die monotone Arbeit für Bauer Korte erledigt.
Korte - 47 Jahre, eng geschnittenes Westernhemd, saubere Jeans und
hochwertige Lederstiefel - nennt sich einen "modernen" Landwirt. So grenzt
er sich ab von den Biobauern, die auf umweltschädliche Pestizide und
Kunstdünger verzichten. Viele "moderne" Landwirte pflanzen auch immer mehr
Mais, um ihn zu Biogas zu vergären, das dann Stromgeneratoren antreiben
soll. Denn die Elektrizität zu verkaufen verspricht mehr Gewinn, als aus
dem Mais Lebensmittel herzustellen.
Bundesweit haben die Felder mit Silomais - der für Biogas wichtigsten
Maisform - seit 2004 laut Bundesagrarministerium um rund 50 Prozent auf
1,85 Millionen Hektar zugelegt. Der Grund für den Boom: Seit jenem Jahr
müssen die Energieunternehmen für Strom aus Mais so viel bezahlen, dass
sich der Anbau als Biogasrohstoff für die Bauern lohnt. So hatte es die
damalige rot-grüne Bundesregierung beschlossen. Sie sah Biogas als eine der
klimafreundlichen Alternativen zur Atomkraft, die anders als Wind und Sonne
auch bei Flaute bzw. nachts Strom liefern können. Mittlerweile deckt diese
Quelle mehr als 2 Prozent des deutschen Elektrizitätsverbrauchs.
Wegen der erklecklichen Förderung säten die Bauern auch in Kortes Landkreis
Rotenburg (Wümme), 70 Kilometer südlich von Hamburg, im vergangenen Jahr
auf 55 Prozent der Ackerfläche Mais aus, wie die niedersächsische
Landwirtschaftskammer berichtet. Damit gehört Rotenburg zu den rund 20
Landkreisen vor allem in Nordwest- und Süddeutschland, in denen nach
Angaben des Deutschen Maiskomitees der Anteil der Pflanze mehr als 45
Prozent beträgt.
Dort bauen die Landwirte Mais meist jahrelang immer auf denselben Äckern an
- in Monokulturen. Der sowohl von der Agrochemieindustrie als auch von
Umweltschützern anerkannte Agrarwissenschaftler Friedhelm Taube von der
Universität Kiel schätzt, dass in Schleswig-Holstein etwa mehr als die
Hälfte des Maises auf diese Weise wächst. "Moderne" Landwirte wollen nicht
zwischendurch andere Früchte anbauen, die weniger Geld bringen. Das sieht
auch der Niedersachse Korte so. "Wir haben jetzt schon seit 30 Jahren auf
bestimmten Feldern Maismonokultur", sagt er. "Und das funktioniert."
## Die Wiesenweihe
Betriebswirtschaftlich mag das stimmen, "aber Monokulturen schaden der
Natur", entgegnet Uwe Baumert auf einer Fahrt durch den Landkreis. Er war
früher Oberst bei der Bundeswehr. Dann ließ er sich frühpensionieren, zog
in das Dorf Deinstedt, drei Kilometer entfernt von Kortes Hof, und ist
mittlerweile stellvertretender Landesvorsitzender des Naturschutzbunds in
Niedersachsen. Statt Bundeswehr-Feldanzug trägt der 68-Jährige jetzt
Naturschützeruniform: beige Hose, kurzärmeliges "Nabu"-Hemd und
Wanderschuhe.
Baumert schimpft über die "Vermaisung" großer Teile Deutschlands. Die
Landschaft werde immer eintöniger. Denn wenn der Maisanteil auf den
Ackerflächen auf mehr als 40 Prozent wächst, nimmt die Artenvielfalt ab.
Pflanzen wie der Klatschmohn oder der Efeu-Ehrenpreis seien nicht an den
Mais angepasst und kämen künftig noch seltener vor, argumentieren zum
Beispiel Wissenschaftler der Universität Gießen.
"Auch viele Tiere kommen mit Mais nicht zurecht", sagt Baumert. Er holt ein
Blatt Papier mit Bildern: Küken der vom Aussterben bedrohten Vogelart
Wiesenweihe sind da in einem Nest zu sehen, Schleiereulen, Rebhühner,
Feldlerchen und Störche. "Die Wiesenweihe zum Beispiel kann im Mais, anders
als im Getreide, nicht brüten, weil die Maispflanze zu schnell zu hoch
wächst, sodass der Vogel sein Nest nicht bauen und anfliegen kann." Baumert
zeigt auf ein kahles, frisch gepflügtes Feld. "Da war früher Getreide, und
wir hatten hier ein Wiesenweihe-Paar. Seit hier Mais in den Boden kommt,
ist die Wiesenweihe fort."
Baumert glaubt, dass es auch dem "Selbsterhalt des Menschen" dient, die
Artenvielfalt zu erhalten. Immerhin könnten ausgestorbene Arten später noch
einmal nötig sein, um Medikamente herzustellen oder an den Klimawandel
angepasste Pflanzen zu züchten.
Auch dass die Pflanzen, die in Monokulturen wachsen, dem Boden immer die
gleichen Nährstoffe entziehen, halten Umweltschützer für ein Problem.
Schließlich setzen die Bauern dann mehr Dünger ein, der teilweise im
Grundwasser landet. Der Oldenburgisch-Ostfriesische Wasserverband hat nach
Eröffnung einer Biogasanlage in unmittelbarer Nähe von Maisfeldern dreimal
so viel Nitrat im Wasser wie vorher und mehr als den Grenzwert für
Trinkwasser gemessen. Die Chemikalie entsteht aus Stickstoffdünger und ist
in hohen Dosen gesundheitsschädlich.
Außerdem setzen sich Schädlinge in Monokulturen leichter durch, weil sie
der jährliche Fruchtwechsel nicht mehr stört. Bisher ist das für "moderne"
Bauern wie Korte kein Problem. Sie spritzen einfach mehr Pestizide -
weshalb in vielen Regionen das Trinkwasser gefährdet ist. "Aber die
Monokulturen führen in Verbindung mit dem Klimawandel auch dazu, dass sich
der Maiswurzelbohrer weiter von Süden nach Norden ausbreiten kann", sagt
Agrarwissenschaftler Taube. Das Insekt frisst an den Wurzeln und zerstört
so die Pflanze. "Dann werden die Bauern schreien: Wir brauchen gentechnisch
veränderten Mais, der den Wurzelbohrer tötet", prophezeit Baumert.
Der Naturschützer hält nun an einem Feld mit schwarzer, besonders feuchter
Erde an, auf der Maisstoppeln stehen. Baumert gräbt mit der Hand den Boden
auf: Brauner Torf kommt zum Vorschein. "Das hier war Moor, das zunächst als
Weideland genutzt wurde. Dann hat der Bauer es zum Acker umgebrochen",
erklärt Baumert. Immer wenn Moore entwässert und Wiesen umgebrochen sowie
landwirtschaftlich genutzt werden, entweichen große Mengen Treibhausgase,
die sich in den Böden und den Wurzeln der Gräser ablagern. Mit Energiemais,
der auf umgebrochenen Wiesen angebaut wird, lasse sich überhaupt kein
Treibhausgas mehr einsparen, sagt Wissenschaftler Taube. Und Baumert
urteilt: "Wenn man für Biogas Moore umbricht, geht das nach hinten los für
das Klima."
## Der Maiswurzelbohrer
Landwirt Korte plant trotzdem, sein Biogasgeschäft auszuweiten. Er und sein
Partner wollen im Sommer ein 2 Millionen Euro teures Kraftwerk in Betrieb
nehmen. Zwei aus Betonplatten zusammengesetzte Kreise mit rund 20 Meter
Durchmesser stehen schon. Das sind die Mauern für die sogenannten
Fermenter, in denen der Mais mithilfe von Bakterien zu Gas vergoren wird.
Kümmert ihn gar nicht, dass wegen der Maismonokulturen die Artenvielfalt
abnimmt? "Jede Art von Energieerzeugung hat ihre Nebenwirkungen", antwortet
Korte. Soll heißen: Besser ein paar Arten weniger als mit Atomkraftwerken
ganze Landstriche radioaktiv verseuchen. Aber haben Sie keine Angst davor,
dass die Monokulturen den Maiswurzelbohrer anlocken? "Wenn er denn da sein
sollte, würden wir auf andere Früchte umsteigen." Und dass Wiesen
umgebrochen werden, die für das Klima wichtig sind - ist das kein Problem?
"Wir haben seit 2009 ein Grünlandumbruchverbot", kontert Korte.
Umweltschützer Baumert reicht das nicht. "Wir vom Nabu sind nicht gegen
Bioenergie", sagt er. Er glaubt sogar, dass Deutschland doppelt so viel
Biogas wie derzeit erzeugen könnte und dennoch genügend Fläche für die
Nahrungsmittelproduktion hätte. "Das Hungerproblem ist vor allem ein
Problem der Verteilung, nicht der Produktionsmenge." Aber man müsse für
Biogas eben keinen Monokulturmais als Rohstoff nutzen, sondern zum Beispiel
auch Gräser.
Unterstützung bekommt Baumert von Bürgerinitiativen, die sich in ganz
Deutschland gegen den Bau von Biogasanlagen in ihrer Nachbarschaft
gegründet haben. Und dieser Druck ist sogar schon in Berlin angekommen:
Auch das Bundesumweltministerium will nun den Maisanteil in Biogasanlagen
begrenzen.
23 May 2011
## AUTOREN
Jost Maurin
## TAGS
Mais
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