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# taz.de -- Abschlussbericht zu Kindesmissbrauch: "Das lässt einen nicht mehr …
> Die Missbrauchsbeauftragte Christine Bergmann legt ihren Abschlussbericht
> vor. Passend dazu läuft am Abend ein Film über die Missbrauchsfälle an
> der Odenwaldschule.
Bild: "So etwas Furchtbares haben wir uns nicht vorstellen können": Aus dem Um…
BERLIN taz | Vor einigen Wochen war Christine Bergmann ganz unten. Ein Jahr
lang ist sie nun als unabhängige Beauftragte gegen sexuellen
Kindesmissbrauch im Amt. Sie hat Betroffenenbriefe gelesen, hat viele
Gespräche geführt. "Das lässt einen nicht mehr los", erzählt sie, "der
Handlungsbedarf ist groß." Als sie sich dann aber Kinderpornos anschaute,
war der Ofen aus. "So etwas Furchtbares haben wir uns nicht vorstellen
können", heißt es im Umfeld der Beauftragten. "Es war schockierend, zu
sehen, wie kleine Kinder in den Filmen von den eigenen Eltern manipuliert
werden."
Christine Bergmann, erfahrene Politikerin, ehemalige Ministerin, gestandene
Parteisoldatin, wird ihren Job als Missbrauchsbeauftragte nur ein bisschen
bis Oktober verlängern, dann hört sie auf. Aber am heutigen Dienstag hat
sie ihren großen Tag. Sie legt ihren Abschlussbericht vor.
Dem Vernehmen nach wird Bergmann weitreichende Forderungen an die Politik
stellen - dazu gehören Therapien und Hilfen für Betroffene ebenso wie eine
Entschädigungsregelung, die nicht mit Pauschalsummen arbeitet.
Ob Christine Bergmann letztlich Erfolg haben wird, hängt allerdings nicht
von ihr ab. Denn sie richtet ihre Vorschläge zunächst an den runden Tisch,
an dem auch Institutionen sitzen, deren Angehörige systematisch und über
Jahre sexuelle Gewalt betrieben haben. Die katholische Kirche etwa müsste
laut Bericht für 45 Prozent aller Missbräuche in Institutionen geradestehen
- so hoch ist der Anteil der katholischen Taten.
## Betroffene Männer zeigen ihr Gesicht
Solche Institutionen haben keinerlei Interesse, den Forderungen Bergmanns
zuzustimmen. Die SPD-Politikerin hält es zum Beispiel für nötig, dass es
eine neuartige Einrichtung geben wird, die sich professionell mit dem Thema
sexuelle Gewalt befasst. Das könnte zum Beispiel eine Organisationsform
ähnlich der Zwangsarbeiterstiftung sein.
Günstig für Bergmanns Anliegen wird ein Film sein, der am Abend auf dem
Kulturkanal 3sat gezeigt wird. Erstmals kann man darin betroffene Männer
sehen, die ihr Gesicht zeigen und in erschütternden Interviews berichten,
wie sie den Missbrauch an der berühmten Odenwaldschule erlebt haben. An der
Vorzeigeeinrichtung der Reformpädagogik haben sich rund 120 Menschen
gemeldet, die Opfer von sexueller Gewalt durch Lehrer wurden. Zeitweise gab
es an der Schule fünf Pädosexuelle gleichzeitig.
Der Film des Regisseurs Christoph Röhl wird von zahlreichen Experten
inzwischen als Lehrfilm gegen Missbrauch vorgeschlagen. Er zeigt die
gesamte Bandbreite der Strategien, mit denen Täter Jungen im Alter von 9
bis 13 Jahren gefügig machen - von Verführung bis nackter Gewalt. "Wolfgang
Held hat mir zugehört", erzählt ein damals Neunjähriger, "und ich bin dann
fließend in den Missbrauch hineingeraten." Ein Mitschüler berichtet, wie
ein kleiner Junge in der Familie des Hauspäderasten "durch Schmusen im Bett
mit dem Familienoberhaupt für den sexuellen Missbrauch konditioniert
wurde". Eine spätere Therapeutin berichtet, dass man ihr von Anfang an
klargemacht habe: "Das ist so bei uns."
"Und wir sind nicht die Einzigen". Doku von Christoph Röhl. 3sat, Dienstag,
22.25 Uhr
24 May 2011
## AUTOREN
Christian Füller
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