Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Sexuelle Gewalt: Erstmals reden Betroffene
> Nach über einem Jahr dürfen die Opfer zum ersten Mal am runden Tisch
> mitreden - und appellieren an die Politik, den Bergmann-Bericht auch
> ernst zu nehmen.
Bild: "Nie wieder": Ehemalige Heimkinder protestieren im April 2010 in Berlin g…
BERLIN taz | Christian Bahls ist einer von ihnen. Er hat als kleiner Junge
sexuelle Gewalt erlebt. Er hat sich so weit herausgekämpft, dass er
inzwischen am runden Tisch Platz nimmt, der nach Wegen und Rezepten gegen
Missbrauch sucht. "Wir Betroffenen sind sehr spät an den runden Tisch
geholt worden", sagt Bahls, der am Montagmittag einer der sechs Vertreter
von Betroffenen war und an einer Arbeitssitzung am runden Tisch teilnahm.
Vorher hatte es nur Anhörungen gegeben.
Doch wie die anderen Opfervertreter befürchtet auch Bahls, dass der Zug
schon abgefahren ist. Vor der Sommerpause gibt es noch eine Sitzung. Dann
ist für Wochen Ruhe, und im September müsse der runde Tisch bereits
beginnen, seine Forderungen an die Politik zusammenzuschreiben. Am runden
Tisch sitzen die drei Bundesministerien für Familie, Justiz und Bildung
sowie Vertreter von Institutionen, die Missbrauch nicht verhindern konnten,
etwa von Internaten, der Kirche oder aus dem Sport. "Wir sind von dem Thema
nicht so betroffen", lautete am Montag eine von deren Standardformeln.
Daher haben die Betroffenen am Montag angemahnt, dass die Vorschläge der
unabhängigen Beauftragten zur Aufklärung sexueller Gewalt, Christine
Bergmann, angenommen werden müssten. In einem Jahr hatte sie 15.000 Anrufe,
Briefe und Mails von Menschen erhalten, die über Missbrauch berichteten.
Der runde Tisch mache viel und gute Arbeit zu Prävention und Intervention,
hieß es. Aber, so fragt Christian Bahls: "Was geschieht mit den Altfällen?
Was wird der runde Tisch am Ende tatsächlich für die Betroffenen geleistet
haben?"
Seine Mistreiterin der Organisation Augen auf Heilung, Kathrin Radke, sagt:
"Jetzt geht es darum, kurzfristig flächendeckend Betroffenen kontrollierte
Beratungs- und Hilfsangebote bereit- sowie deren Finanzierung unabhängig
von der Haushaltslage der Länder und Kommunen sicherzustellen."
## Sperriges Familienministerium
Die neue Bundesinitiative verlangt, dass alle wichtigen Akteure zum runden
Tisch hinzuzuziehen seien - dazu gehören insbesondere die bisher fehlenden
Leitungsebenen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sowie des
Bundesministeriums für Gesundheit.
Wie sperrig sich selbst das federführende Bundesministerium für Familie
gibt, erlebte Bahls. Als er dort wegen eines Missbrauchsthemas anfragte,
wimmelte man ihn ab. Er möge sich an die unabhängige Beauftragte wenden,
"dafür haben wir die ja". Das war vergangenes Jahr - und das Ministerium
fühlt sich immer noch nicht zuständig.
Seit zwei Wochen hat die taz um eine Stellungnahme zu dem Bericht von
Bergmann gebeten. Zunächst wurde an Bergmann verwiesen. Dann hat die taz
acht Anfragen an die Sprecherin Katja Laubinger gerichtet. Das Ministerium
meldete sich einmal zurück, abends, mit beinahe vergnügtem Unterton. Leider
sei ein Gespräch nicht mehr möglich. Schließlich wurde das Interview nach
sechs Tagen abgesagt. Die taz hält ihre Anfrage aufrecht.
6 Jun 2011
## AUTOREN
Christian Füller
## ARTIKEL ZUM THEMA
Missbrauchsforscherin über sexuelle Gewalt: "Die Verjährung muss weg"
Die Gesellschaft hat aus den Skandalen der letzten Jahre nichts gelernt,
sagt Anita Heiliger. Sie fordert die Abschaffung strafrechtlicher
Verjährungsfristen bei sexuellem Missbrauch.
Kommentar zum Bericht Kindesmissbrauch: Verbrechen gegen das Menschsein
Christine Bergmann wird mit ihren guten Vorschlägen scheitern. Die
unsichtbare Hand des Täterschutzes ist zu stark. Doch Täter sollten mit
Strafe rechnen. Immer. Das wäre Fortschritt.
Abschlussbericht zu Kindesmissbrauch: Die Aufklärung hat erst begonnen
Fehlende Therapie, keine wirksame Entschädigung - die Arbeit der
Missbrauchsbeauftragten Bergmann zeigt, wo die Probleme liegen. Doch der
politische Wille zur Veränderung fehlt.
Abschlussbericht zu Kindesmissbrauch: "Das lässt einen nicht mehr los"
Die Missbrauchsbeauftragte Christine Bergmann legt ihren Abschlussbericht
vor. Passend dazu läuft am Abend ein Film über die Missbrauchsfälle an der
Odenwaldschule.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.