# taz.de -- G-8-Gipfel in Paris: Die Netze der Macht | |
> Nicolas Sarkozy hat Unternehmen, Politiker und ausgewählte Netzexperten | |
> zu einer Debatte über das Internet eingeladen. Eine Zensur droht. | |
Bild: Zensurfreund der "Grande Nation": Nicolas Sazkozy. | |
Für die Menschheit ist es ein Segen, dass weder die Deutschen noch die | |
Franzosen das Internet erfunden haben. Die Deutschen hätten einen | |
Zentralrechner konstruiert, der von einer Behörde kontrolliert würde, und | |
die Franzosen würden nur Inhalte erlauben, die sie für zivilisiert halten - | |
was das Netz aller Netze zusammenschrumpfen ließe. | |
Vor dem G-8-Gipfel, dem Treffen der acht größten Industrienationen, hatte | |
Sarkozy am Dienstag 800 Gäste nach Paris geladen, um über das Internet zu | |
reden. Bei den zweitägigen Gesprächen wurde erörtert, wie das Netz ist und | |
wie es sein sollte, wenn es nach der französischen Regierung ginge. Große | |
Firmen hatten das Treffen bezahlt, unter anderem Vivendi, Google, Intel und | |
Microsoft. | |
Die Gästeliste war demensprechend: Neben Facebook-Chef Mark Zuckerberg, | |
Jimmy Wales, dem Günder der Internet-Bibliothek Wikipedia und Eric Schmidt, | |
Googles ehemaligem Chief Executive Officer, diskutierten Vertreter großer | |
Medienunternehmen wie 20th Century Fox, Universal Music, France | |
Televisions, Edition Gallimard und der Bertelsmann AG. Themen waren unter | |
anderem das Urheberrecht und wie geistiges Eigentum im Internet ausgebeutet | |
werden könne. Newscorp-Chef Rupert Murdoch bekam sogar ein eigenes Panel. | |
Um die Form zu wahren, wurden auch einige Blogger und Bürgerrechtler | |
eingeladen, die kurzfristig und auf eigene Kosten Anreise und ein Hotel | |
organisieren mussten. Repräsentativ für die Probleme des Internets war das | |
Treffen in Paris schon deshalb nicht, weil große Nationen wie China und | |
Indien - die mehr Internetnutzer haben als Europa Einwohner - außen vor | |
blieben. | |
## Positiv für Wirtschaft und Menschen | |
Auch die wesentlichen Ergebnisse waren schon vorher bekannt. Jean-Michel | |
Hubert, der Internetbeauftragte Nicolas Sarkozys, hatte sie in dieser Woche | |
in der französischen Botschaft [1][in Berlin vorgestellt:] Trotz aller | |
Probleme sei das Internet positiv für das Wirtschaftswachtum, die Menschen | |
und die Freiheit der Meinung. Die Nutzer jedoch müssten noch erzogen | |
werden. der Staat müsse daher pädagogisch eingreifen, "um sie an ihre | |
individuelle Verantwortung zu erinnern". | |
Die Thesen kann man auch als Drohung verstehen - und genau so waren sie | |
offenbar gemeint. Wenn ein französischer Präsident das Internet zur | |
Chefsache erklärt, obwohl es ihm gar nicht gehört, bedeutet das: Straff | |
organisierte staatliche Netzpolitik, Internet-Zensur und drakonische | |
Strafen - bis hin zum Internet-Verbot für Urheberrechtsverletzungen sollen, | |
wie in Frankreich üblich, zum Standard werden. | |
So genannte "Netzsperren", die technisch unbedarfte Nutzer symbolisch davon | |
abhalten, bestimmte Inhalte im Internet aufzurufen, wurden in Frankreich | |
ohne größeren Widerstand durchgesetzt. Nicolas Sarkozy machte jetzt wieder | |
deutlich, dass er das Netz ähnlich sieht die wie die ARD-Vorsitzende Monika | |
Piel, die [2][kostenlose Inhalte für den "Geburtsfehler"] des Internets | |
hält, den zu beseitigen schwierig und langwierig sei. | |
## Harmonisiert und zivilisiert | |
Der französische Präsident formuliert das etwas verklausulierter: Das | |
Internet müssen "harmonisiert" und "zivilisiert" werden. Damit ist gemeint: | |
Die Regierungschefs, die sich beim G8-Gipfel treffen, sollen sich darauf | |
einigen, das Privateigentum auch online besser zu schützen. Wie zu erwarten | |
war, nutzte Sarkozy den auch in Deutschland bekannten Textbaustein, das | |
Internet solle "kein rechtsfreier Raum sein" - obwohl es das nicht ist und | |
auch auch niemals war. | |
Niemand dürfe, so Sarkozy, ungestraft Ideen und geistiges Eigentum anderer | |
im Internet ausbeuten. Es müsse "Minimalstandards" von Werten im "achten | |
Kontinent" geben. Wie das umzusetzen sei, blieb im Ungefähren. Der | |
französische Präsident hat jedoch vorgegeben, wie er sich das vorstellt: | |
Nicht die Nutzer dürfen bestimmen, was im Internet geschieht, sondern die | |
Regierung. "Niemand sollte vergessen, dass die Regierungen die einzigen | |
legitimen Repräsentanten der Bürger sind. Sonst geraten wir in Gefahr, ins | |
soziale Chaos und in Anarchie zu verfallen". | |
Das macht den Unterschied zur deutschen Internetpolitik aus: | |
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hatte bei der "Global Economic | |
Crime Conference" in Frankfurt am Main in der letzten Woche auch die These | |
verbreitet, die Internet-Kriminalität nehme zu und das Internet müsse | |
"geschützt werden", anderenfalls müsse man sich Sorgen machen, dass es im | |
schlimmsten Fall nicht mehr brauchbar sei. Im Gegensatz zu Sarkozy, der auf | |
Zensur durch den Staat besteht, drängt Friedrich darauf, dass die | |
Unternehmen in Deutschland freiwillig mit ihre Kunden notwendige Absprachen | |
treffen. "Es braucht nicht immer gleich Gesetze", so Friedrich. | |
## Auf einem anderen Planeten | |
Dies ist mehr im Internesse der den Markt dominierenden | |
Internet-Unternehmen wie Google und Facebook, deren Geschäftsmodell darin | |
besteht, die Daten der Kunden gewinnbringend zu verkaufen. Die von | |
Internet-Aktivisten beschworene Netzneutralität, die fordert, dass Firmen | |
und private Nutzer gleiche Rechte bei der Datenübertragung haben, war gar | |
nicht erst auf die Agenda der Konferenz gesetzt worden. Das Thema sei zu | |
strittig und "derzeit nicht konsensfähig", sagte Sarkozys | |
Internetbeauftragter Hubert. | |
Die französische Regierung und die großen Medienkonzerne haben sich mit dem | |
Status quo, nach dem Zugangsanbieter bestimmte Kinden nicht bevorzugen | |
dürfen wenn Daten übertragen werden müssen, offenbar noch nicht abgefunden. | |
Die Kritiker der Konferenz hatten auf ihrer [3][Website "G8 vs INTERNET]" | |
vor einer stärkeren Kontrolle des Internets gewarnt. John Perry Barlow, der | |
Mitgründer der US-amerikanischen Bürgerrechtsorganisation Electronic | |
Frontier Foundation, durfte [4][zwar vor dem Publikum sprechen]. Er fühlte | |
sich aber, als stammte er von einem anderen Planeten als die restlichen | |
Teilnehmer auf dem Podium - so weit lagen die Meinungen auseinander. "Man | |
kann freie Rede nicht besitzen", warf Barlow den Konzernvertretern wie | |
Googles Eric Schmidt vor. | |
Der Suchmaschinen-Konzern [5][kooperiert mit Dikaturen], zensiert auch die | |
deutsche Version seiner Suchmaschine und favorisiert technische Lösungen | |
wie Filter, die Interessen der "Content-Mafia", wie die Urheberrechts-Lobby | |
von Bloggern spöttisch genannt wird, durchsetzen. Eines hat die Konferenz | |
in Paris gezeigt: Das Internet verbreitet nicht automatisch das Wissen der | |
Welt und die Demokratie, sondern ist ein Kriegsschauplatz, auf dem um die | |
Macht gekämpft wird. Politik, das Kapital und die Nutzer stehen sich | |
gegenüber. Wer gewinnt, ist noch nicht entschieden. | |
26 May 2011 | |
## LINKS | |
[1] http://www.euractiv.de/digitale-agenda/artikel/g8-internet-zivilisieren-nut… | |
[2] http://www.tagesspiegel.de/medien/die-ard-steht-fuer-eine-allianz-gegen-goo… | |
[3] http://g8internet.com/ | |
[4] http://www.youtube.com/watch?v=U0Nl2Xnmd5g#t=28m05s | |
[5] http://cyber.law.harvard.edu/filtering/google/ | |
## AUTOREN | |
Burkhard Schröder | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Atomkraft | |
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