# taz.de -- NRW-Koalitionskiller Kohlekraftwerk: Lex Eon in Datteln | |
> Die SPD versucht, das Kohlekraftwerk in Datteln nachträglich zu | |
> legitimieren. "Kohle ist nicht von gestern", sagt Hannelore Kraft. Die | |
> NRW-Grünen werden wohl mitmachen. | |
Bild: Datteln am Abend. Friedlich. Doch in der Koalition könnte es deswegen Ä… | |
Wenn Dirk Jansen, Sprecher der Naturschutzorganisation BUND in | |
Nordrhein-Westfalen, über das fast fertiggestellte Steinkohlenkraftwerk | |
Datteln redet, ist die Wut deutlich zu spüren. Ein "Schwarzbau" sei der | |
"Klimakiller", in den der Energieversorger Eon bereits über 1,2 Milliarden | |
Euro investiert hat, sagt Jansen dann. | |
Mit einer eigenen "Lex Eon" versuche die von SPD und Grüne gebildete wie | |
schon zuvor die abgewählte schwarz-gelbe Landesregierung, das Kraftwerk | |
"nachträglich zu legalisieren" - für Jansen: "Rechtsbeugung". | |
Denn im Streit über den gigantischen Ofen, der jedes Jahr 5,3 Millionen | |
Tonnen des Treibhausgases Kohlendioxid in die Luft blasen soll, hatte Eon | |
schon 2009 eine Niederlage hinnehmen müssen. Der Kraftwerk verstoße gegen | |
die geltende Landesplanung, die eine Reduktion von Treibhausgasen vorsehe, | |
hatte das Oberverwaltungsgericht Münster geurteilt. Auch das | |
"Gefährungspotenzial des Kraftwerks", den "Schutz der Bevölkerung" habe die | |
Stadt Datteln nicht ausreichend berücksichtigt. Das Fazit der Richter: "Der | |
Bebauungsplan ist unwirksam." | |
## "Kohle ist nicht von gestern" | |
Im Landtagswahlkampf hatten die Grünen deshalb mit einem Aus für Datteln | |
geworben. Für die traditionell kohlefreundlichen Sozialdemokraten aber ist | |
der Abriss der Milliardeninvestition unvorstellbar. SPD-Ministerpräsidentin | |
Hannelore Kraft warnt bereits vor einer Deindustriealisierung | |
Nordrhein-Westfalens. "Kohle ist nicht von gestern", so Kraft. Sie meint: | |
"Die Grünen wissen das auch." | |
Im Regionalverband Ruhr (RVR) als zuständiger Planungsbehörde arbeitet die | |
dortige rot-grüne Koalition deshalb an einer Änderung des Regionalplans, | |
ohne die ein Abriss des Steinkohlenmonoblocks fällig wäre. Per | |
"Zielabweichungsverfahren" soll das Kraftwerk doch noch durchgewunken | |
werden - obwohl Eon bereits höchstrichterlich mit einer Revisionsklage vor | |
dem Leipziger Bundesverwaltungsgericht gescheitert ist. | |
Außerdem rechnen Forscher des Prognos-Instituts wie der Universität | |
Flensburg vor, dass der Neubau überhaupt nicht gebraucht wird: Selbst bei | |
einem Atomausstieg schon 2014 könnten Versorgungslücken "durch den etwas | |
verlängerten Betrieb vorhandener älterer Kohle- und Gaskraftwerke | |
geschlossen werden", heißt es in einem Gutachten. | |
## Laufzeit: rund 35 Jahre | |
Der nicht benötigte "Schwarzbau" Datteln werde die Stromnetze über | |
Jahrzehnte mit klimaschädlichem Kohlestrom verstopfen, fürchten | |
Umweltschützer deshalb. Die Laufzeit eines Kraftwerks beträgt rund 35 | |
Jahre. | |
Trotzdem will eine breite Mehrheit aus SPD, CDU und FDP in der | |
Verbandsversammlung am 20. Juni für die Planänderung stimmen. Dagegen ist | |
nur die Linke. "Wir haben uns grundsätzlich festgelegt, zuzustimmen", so | |
die grüne Fraktionsvorsitzende Sabine von der Beck zur taz. "Rein | |
juristisch ist das Kraftwerk noch gar nicht da", sagt von der Beck und | |
bezieht sich auf ein vom RVR in Auftrag gegebenes, aber von Eon bezahltes | |
Gutachten des Juristen Martin Kment. Eine von der Deutschen Umwelthilfe in | |
Auftrag gegebene Expertise kommt dagegen zum gegenteiligen Ergebnis: "Ein | |
Zielabweichungsverfahren kommt nicht in Betracht." | |
## Datteln hat das Zeug zum Koalitionskiller | |
Für Rot-Grün in Düsseldorf hat Datteln damit das Zeug zum Koalitionskiller: | |
Sollte der RVR seine Regionalplanung tatsächlich umwerfen, müssten die | |
Staatskanzlei der Sozialdemokratin Kraft und das Umweltministerium des | |
Grünen Johannes Remmel über die Zukunft von Datteln entscheiden. | |
Umweltschützer Jansen fürchtet: "Das wäre ein zweites Garzweiler." | |
Zwar argumentieren Grüne wie von der Beck stets, am Ende entschieden | |
sowieso Gerichte über Datteln. "Wenn die Landes- und Regionalplanung erst | |
einmal geändert sind", hält Jansen dagegen, "haben wir vor Gericht | |
schlechte Karten." | |
7 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
## TAGS | |
Garzweiler | |
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