# taz.de -- Umweltschützerin Akiko Yoshida über AKWs: "Die Regierung macht vi… | |
> Nur wenige Japaner sind tatsächlich für Atomkraftwerke, sagt die | |
> japanische Energieexpertin Akiko Yoshida von Friends of the Earth. Die | |
> meisten akzeptieren sie nur. | |
Bild: Der öffentliche Protest gegen Atomenergie ist in Japan noch sehr zaghaft. | |
taz: Frau Yoshida, seit fast drei Monaten lebt Japan mit den Folgen der | |
Katastrophe von Erdbeben, Tsunami und Atomunfall. Wie ist die allgemeine | |
Stimmung? Schock oder Arbeit am Wiederaufbau? | |
Akiko Yoshida: In all der Unsicherheit und Angst gibt es auch Positives: | |
Viele junge Leute arbeiten als Freiwillige in den Katastrophengebieten im | |
Nordosten, um die Evakuierten zu versorgen. Und nach Fukushima haben viele | |
Leute begonnen, sich gegen Atomkraft zu engagieren. | |
Von außen entsteht der Eindruck, dass man einfach weitermacht. | |
Viele junge Leute mit Kindern haben Angst und sagen, wir müssen etwas | |
ändern. Auch allgemein gibt es ein Umdenken: In Umfragen sprechen sich zwei | |
Drittel der Japaner für einen Ausstieg aus der Atomkraft aus. Zuvor waren | |
es weniger als 30 Prozent. Und im April hatten wir in Tokio eine | |
Demonstration mit 150.000 Menschen. | |
Im Ausland kommt nicht viel davon an. | |
Weil die Zeitungen und das Fernsehen kaum darüber berichten. Bei Facebook | |
und Twitter hingegen gibt es viele Informationen über Radioaktivität. Die | |
neuen Medien sind unabhängig - anders als Fernsehen und Zeitungen, die | |
wegen Anzeigen von der Energieindustrie abhängig sind. | |
Bisher galt Japan als sehr technikgläubig. Ändert sich das? | |
Ja und nein. Manche sind jetzt kritischer. Aber andere sagen: Wir brauchen | |
Atomkraftwerke, die sicherer sind. So wie es auch die Regierung sagt. | |
Ministerpräsident Naoto Kan hat angekündigt, die Energiepolitik zu | |
überprüfen. Geht das in die richtige Richtung? | |
Wir hoffen das, aber bislang hat sich nichts geändert. Die | |
Energieversorgung soll weiter auf zwei Säulen ruhen, der fossilen und der | |
nuklearen. Die Regierung will die Erneuerbaren weiterentwickeln, aber | |
unklar ist, in welchem Umfang das geschehen soll. Wir müssen aber die | |
Perspektive völlig ändern und brauchen eine Wende weg von fossil und | |
nuklear hin zu mehr Effizienz und Erneuerbaren. Es gibt Experten, die | |
errechnet haben, dass Japan sich 2050 völlig aus Erneuerbaren versorgen | |
könnte. | |
Japans Klimaziel lautet minus 25 Prozent bis zum Jahr 2020. Wie soll das | |
ohne Atom und ohne Erneuerbare gehen? | |
Das Klimaziel ist unter Druck. Vielleicht wird man es auch wegen Fukushima | |
zurückziehen, weil man mehr auf fossile Brennstoffe setzen wird. Das wären | |
schlechte Nachrichten fürs Klima. | |
Warum ist Japan, das die Atombombenabwürfe in Hiroshima und Nagasaki erlebt | |
hat, so positiv zur Atomkraft eingestellt? | |
AKWs sind anders als Hiroshima und Nagasaki, sagt die Regierung. Die AKWs | |
sind sicher und sauber, heißt es. Die Regierung macht viel Propaganda. Das | |
Erziehungsministerium hat einen Malwettbewerb für Kinder veranstaltet, wo | |
sie Poster für die Atomkraft malen und schreiben, wie sicher das alles ist. | |
In diesem Jahr haben sie den Wettbewerb ausgesetzt. Aber wer weiß, was | |
nächstes Jahr wird. | |
Bringt Fukushima den NGOS in Japan einen großen Schub? | |
Ja. Und wir haben auch unsere Strategie geändert. Vor Fukushima haben wir | |
mehr den Export von Atomtechnik kritisiert, nicht so sehr die japanischen | |
AKWs. Aber wir sind immer noch klein. In ganz Japan haben Friends of the | |
Earth 500 Mitglieder. Unsere deutsche Partnerorganisation, der BUND, hat | |
460.000 Mitglieder und Förderer. | |
Denken die Japaner, die Deutschen sind verrückt, weil sie aus der Atomkraft | |
aussteigen? | |
Soweit ich das sehe, denken viele, dass der Ausstieg richtig ist. Sehr | |
wenige Leute in Japan sind wirklich für Atomkraft, die meisten akzeptieren | |
es einfach. Oder sie denken, dass sie auf den Atomstrom angewiesen sind. | |
15 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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