# taz.de -- Bericht über AKW-Sicherheit in Russland: Notabschaltung? Gibt's ni… | |
> Ein offizieller Bericht des Staatsrates beschreibt gravierende Mängel an | |
> den russischen AKWs. Auch versunkene Atom-U-Boote könnten eine | |
> Katastrophe verursachen. | |
Bild: Immerhin sie ist bereits geborgen: die "Kursk", ein 2000 gesunkenes russi… | |
Die russische Regierung gibt sich atomskeptisch: Vergangene Woche beriet | |
der Staatsrat unter Vorsitz von Präsident Dmitri Medwedjew einen Bericht, | |
der sich unter anderem mit den Gefahren des nuklearen Erbes in Russland | |
auseinandersetzt. Es war das erste offizielle Dokument dieser Art nach der | |
Reaktorkatastophe im japanischen Fukushima. | |
Es beschreibt die russische Atomwirtschaft zwar zunächst in euphorischen | |
Tönen: Sie sei mit ihren 190.000 Mitarbeitern und 500 Unternehmen weltweit | |
bei der Entwicklung von Reaktoren führend. Doch in einer Anlage geht das | |
Dokument schonungslos auf die Mängel und Gefahren der russischen | |
Atomwirtschaft und Atomrüstung ein. | |
"Nach den Ereignissen in Japan müssen alle Länder auf der Welt zuallererst | |
Atomreaktoren der ersten Generation vom Netz nehmen. Diesen fehlen | |
konstruktionsbedingt die erforderlichen technologischen Systeme und die | |
Sicherheitssysteme zum Verhindern und Bekämpfen von Havarien", heißt es in | |
dem Bericht. | |
Mehrfach wird der mangelhafte Erdbebenschutz der russischen Atomkraftwerke | |
kritisiert. Manche verfügten nicht einmal über eine automatische | |
Notabschaltung. Ob die Sicherheitssysteme Erdbeben standhalten, ist oft | |
nicht getestet worden. Bei einigen Atomkraftwerken habe man die seismischen | |
Aktivitäten am Standort niedriger angesetzt als in den Karten der | |
Russischen Akademie der Wissenschaften angegeben. | |
## Mehr als 17.000 Container mit Atommüll | |
Zudem droht durch zwei gesunkene Atom-U-Boote in der Karasee und der | |
Barentssee eine Katastrophe. Dort sei eine nicht mehr zu kontrollierende | |
atomare Kettenreaktion "hoch wahrscheinlich", heißt es in dem Bericht. Die | |
U-Boote enthalten hoch angereicherten atomaren Brennstoff und müssten | |
spätestens 2014 geborgen werden. Insgesamt lagern laut des Bericht in den | |
Tiefen des Polarmeers drei Atom-U-Boote, 14 Atomreaktoren, 19 Schiffe mit | |
festem Atommüll, 735 radioaktive Gebilde und mehr als 17.000 Container mit | |
Atommüll. | |
Der ist auch an Land ein Problem. Auf dem Gelände des Kraftwerkes Belojarsk | |
wird der Abstand der abgebrannten Brennstäbe in den Abklingbecken | |
verringert, weil sie fast voll sind. Noch kritischer sieht es in den | |
Atomkraftwerken von Kursk, Smolensk und St. Petersburg aus. Spätestens | |
2012, so empfiehlt der Bericht, müsse der Atomkonzern Rosatom Anlagen zur | |
Konditionierung und Lagerung von radioaktiven Abfällen in St. Petersburg, | |
Smolensk und Kursk in Betrieb nehmen. Das AKW in Kursk ist sogar | |
einsturzgefährdet: Fachleute haben in seinem Fundament eine bedrohliche | |
Krümmung entdeckt. | |
## Extreme Wettereinflüsse nicht berücksichtigt | |
Bei den meisten Atomkraftwerken habe man beim Bau mögliche Auswirkungen von | |
extremen Wettereinflüssen nicht genügend berücksichtigt. Auch der Schutz | |
vor Wasserstoffexplosionen genüge den russischen Standards in vielen | |
Reaktoren nicht - das heißt, eine Wasserstoffexplosion, wie sie sich in | |
Fukushima ereignet hatte, könnte sich auch in Russland wiederholen. | |
Der Bericht zeigt, dass die russische Führung die atomaren Gefahren sehr | |
gut kennt und man zumindest zeigen will, dass man sie ernst nimmt. | |
Präsident Medwedjew hatte sogar zahlreiche Umweltorganisationen zu einem | |
Gespräch über das Papier eingeladen. | |
Die Vorsitzende der Anti-AKW-Gruppe Bewegung für atomare Sicherheit, | |
Natalja Mironowa, war hingegen kurzfristig ausgeladen worden. Aus ihrer | |
Sicht besteht kein Grund zum Optimismus. Das sieht auch Vladimir Slivjak | |
von der NGO Ecodefense so, der gar nicht erst eingeladen war. "Keine | |
einzige Frage zur Atomenergie ist bei dieser Begegnung mit Medwedjew | |
zugelassen worden", sagte er der taz. Auch sei nicht klar, wie die | |
russische Führung auf die Mängel reagieren werde. Dafür strafe der Bericht | |
russische Offizielle und Premierminister Wladimir Putin Lügen. Sie | |
behaupteten, die nach Fukushima durchgeführten Kontrollen hätten bewiesen, | |
dass die russischen Atomkraftwerke absolut sicher seien. | |
13 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
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