# taz.de -- Atomkatastrophe in Japan: Weitere sechs Arbeiter verstrahlt | |
> Fukushima-Betreiber Tepco hat eingeräumt, dass möglicherweise sechs | |
> weitere Arbeiter einer Überdosis radiokativer Strahlung ausgesetzt | |
> wurden. Im Grundwasser wurde Strontium entdeckt. | |
Bild: Gefährlicher Job: Arbeiter kontrollieren in einem Reaktor den Wasserstan… | |
TOKIO dpa | Die radioaktive Verstrahlung in Japan durch die Atomruine | |
Fukushima wird immer ernster. Wie der Betreiber Tepco am Montag bekanntgab, | |
wurden möglicherweise sechs weitere Arbeiter in dem AKW einer Überdosis an | |
radioaktiven Strahlen ausgesetzt. Nach Angaben der Atomaufsichtsbehörde | |
wurde zudem erstmals auch in Grundwasser radioaktives Strontium entdeckt, | |
und zwar bei den beschädigten Reaktoren 1 und 2. Auf den Tag drei Monate | |
nach Beginn der Dreifach-Katastrophe aus Erdbeben, Jahrhundert-Tsunami und | |
Atomunfall gingen am Samstag in mehreren Städten Japans Zehntausende | |
Menschen auf die Straße, um für eine Energiewende zu demonstrieren. | |
Auch nahe der Meerwasseraufnahme des AKW Fukushima wurde radioaktives | |
Strontium gefunden. Dessen Konzentration liege bis zum 240-Fachen über der | |
erlaubten Höchstgrenze, hieß es. Wissenschaftler sprechen bei Strontium von | |
einem "Knochenkiller". Es schädige das Knochenmark und könne Leukämie | |
(Blutkrebs) auslösen. Der Stoff war zuvor auch im Boden verschiedener Orten | |
in der Provinz Fukushima gefunden worden. Zuletzt war auch in grünem Tee in | |
der Hunderte von Kilometern von Fukushima entfernt gelegenen | |
Teeanbau-Provinz Shizuoka radioaktive Strahlung gemessen worden. | |
Besonders gefährdet durch radioaktive Strahlen sind die Arbeitertrupps im | |
AKW Fukushima. Zwei von ihnen wurden einer Strahlenmenge ausgesetzt, die um | |
mehr als das Doppelte über dem erlaubten Grenzwert von 250 Millisievert | |
liegt. Sie gehören neben den sechs anderen Kollegen, die ebenfalls eine | |
Überdosis abbekamen, zu den rund 3700 Arbeitern, die im März zu | |
Reparaturarbeiten in dem AKW im Einsatz waren. Der Betreiber Tepco teilte | |
der Regierung bislang die vorläufigen Messergebnisse von rund 2400 der | |
Männer mit, wie die Nachrichtenagentur Kyodo berichtete. | |
## Kritik an Kan aus den eigenen Reihen | |
Allein in der Hauptstadt Tokio demonstrierten nach Angaben der | |
Organisatoren rund 10.000 Menschen am Samstag gegen die Atompolitik des | |
Landes. Vor allem ungewöhnlich viele junge Menschen und Frauen hätten sich | |
beteiligt. | |
Japans Ministerpräsident Naoto Kan legte am Samstag bei einem Besuch in | |
Kamaishi in der mit am schwersten zerstörten Provinz Iwate um 14.46 Uhr | |
Ortszeit - dem Zeitpunkt, als am 11. März ein Beben der Stärke 9,0 das Land | |
heimsuchte - eine Schweigeminute ein. Die Opposition sowie Kritiker im | |
eigenen Lager werfen ihm Missmanagement in der Krise vor und fordern seinen | |
unverzüglichen Rücktritt. | |
Auch drei Monate nach Beginn der Katastrophe leben noch immer mehr als | |
90.000 Menschen in Notlagern. Der Wiederaufbau kommt jedoch voran. Unter | |
anderem wurden 28.000 Behelfsunterkünfte für die Opfer gebaut, allerdings | |
werden noch tausende weitere benötigt. Die an manchen Orten noch nicht | |
beseitigten Trümmerberge erschweren die Neubauten. | |
## 49.000 Jobangebote für 120.000 Arbeitslose | |
Fast 120.000 Menschen in den mit am schwersten betroffenen Provinzen | |
Miyagi, Iwate und Fukushima haben in Folge der Katastrophe ihren | |
Arbeitsplatz verloren, wie der Fernsehsender NHK berichtete. Es gebe | |
derzeit jedoch nur 49.000 Jobangebote. Bislang sind rund 15.400 Tote | |
geborgen worden, etwa 8100 Menschen gelten laut Medien weiter als vermisst. | |
Unterdessen kämpfen die Reparaturtrupps in der Atomruine in Fukushima | |
weiter gegen Millionen Liter verseuchten Wassers, mit dem die Reaktoren | |
gekühlt werden sollen. | |
Unterdessen teilte der Betreiberkonzern Tepco weiter mit, dass sich wegen | |
technischer Probleme die Inbetriebnahme einer neuen Anlage zur | |
Dekontaminierung des Wassers um einige Tage verzögert. Es seien Wasserlecks | |
aufgetreten, was möglicherweise auf verstopfte Rohre zurückzuführen sei, | |
meldete Kyodo. Eigentlich wollte Tepco das neue System seit Freitag für | |
eine Woche testen. Der Betreiber setzt große Hoffnung in die Anlage. Damit | |
sollen die in der Atomanlage derzeit schwappenden Massen an hochgradig | |
verseuchtem Wasser recycelt werden, um es zur Kühlung der Reaktoren | |
einzusetzen. | |
13 Jun 2011 | |
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