# taz.de -- Griechenland im Streikfieber: Die Einheit bröckelt | |
> Die EU-Finanzminister beraten über weitere Milliardenhilfen. In der | |
> Bevölkerung wächst die Wut. Für Mittwoch sind Proteste und Streiks | |
> angekündigt. | |
Bild: Auf dem Parlamentsplatz in Athen: Wut und Empörung über die Sparpläne. | |
ATHEN taz | Die griechische Regierung lässt sich Zeit: Erst in der nächsten | |
Woche soll im Parlament über das neue Sparpaket und die anstehenden | |
Privatisierungen abgestimmt werden, bis dahin soll Ministerpräsident | |
Giorgos Papandreou bei Wählern und Parteigegnern für Zustimmung zu seinem | |
Sparplan werben. | |
Dagegen verlieren die Spargegner keine Zeit: Mittwoch wollen sie das | |
griechische Parlament umzingeln, damit die Volksvertreter gar nicht erst | |
zur Arbeit erscheinen. Ab 7 Uhr morgens werden alle Zufahrtstraßen zum | |
Parlament gesperrt, hunderte protestwütige Bürger riefen über Facebook | |
sogar zu einem Autokorso gegen den Sparkurs in der Athener Innenstadt auf. | |
Zudem sollen Streiks Griechenland lahmlegen, zu denen die größten | |
Gewerkschaften des Landes aufgerufen haben. Auch die griechischen | |
Journalisten wollen sich am Streik beteiligen, denn sie sehen sich | |
besonders gefährdet durch die Schuldenkrise. Ab Donnerstag gehen sie dann | |
wieder ans Werk und berichten fleißig über die "Empörten", die neue | |
Protestbewegung parteiunabhängiger Bürger, die in Hellas teils mit | |
Bewunderung, teils mit Skepsis betrachtet wird. | |
## Keine Alternative zum Sparkurs | |
Seit zwanzig Tagen protestieren die empörten Bürger nach spanischem Vorbild | |
unermüdlich vor dem griechischen Parlament. Alternative Sparvorschläge | |
haben sie nicht parat, aber das sollte man vielleicht auch nicht erwarten | |
von diesen Menschen, die sich etablierten Parteien oder Politbewegungen | |
eben nicht zuordnen lassen und wollen. | |
"Ich habe drei erwachsene Kinder, die arbeitslos sind, und vier | |
Enkelkinder, die darunter leiden müssen. Deswegen bin ich hier", erklärte | |
neulich eine ältere Dame vor laufenden Kameras, stellvertretend für viele | |
Menschen, die täglich vor dem Parlament demonstrieren. | |
## | |
Die konservative Oppositionspartei Nea Dimokratia würde die Protestbürger | |
gern für sich gewinnen, aber sie lassen sich nicht einspannen für | |
Wahlkampfzwecke. Dennoch sieht sich die Opposition im Aufwind. Laut | |
jüngsten Umfragen sind die Konservativen in der Wählergunst ganz nach oben | |
geklettert. | |
Unterdessen setzt Ministerpräsident Papandreou all seine Überzeugungskraft | |
ein, um die Menschen für seinen Sparkurs zu gewinnen, zu dem es keine | |
Alternative gibt, wie er immer wieder betont. Am Donnerstag lässt er sich | |
sogar auf eine Chat-Runde mit den Wählern ein, in der angeblich alle Fragen | |
beantwortet werden; was eher zu bezweifeln ist, angesichts der | |
traditionellen Regierungstreue staatlicher Medien. | |
## Auch politischer Bankrott droht | |
Noch verfügt Papandreou über eine Mehrheit von sechs Stimmen im Parlament, | |
doch der sozialistische Abgeordnete Alexandros Athanassiadis hat am | |
Dienstag öffentlich erklärt, er würde gegen das Sparpaket stimmen. Sollten | |
weitere Volksvertreter seinem Beispiel folgen, dann stünde die Regierung | |
Papandreou auch vor einem politischen Bankrott. | |
Es wäre alles wohl viel einfacher für Papandreou, wenn er Positives aus | |
Brüssel melden könnte. Besonders kritisch wird in den griechischen Medien | |
die Rolle Deutschlands bewertet: Einerseits fühlt man sich angewiesen auf | |
die größte Wirtschaftsmacht Europas, andererseits ärgern sich viele | |
Griechen über Anweisungen und Pleitedrohungen aus Berlin oder Frankfurt. | |
Der gemäßigte Kommentator Polydevkis Papadopoulos versucht die Gemüter zu | |
beruhigen: Man kann Wolfgang Schäuble für konservativ halten, erklärt er im | |
Staatsfernsehen NET, aber eins dürfe man nicht vergessen: Schäuble sei | |
einer der letzten deutschen Politiker, die immer noch an die Zukunft | |
Europas glaubten und auch dementsprechend handelten. | |
14 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Jannis Papadimitriou | |
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geben. |