# taz.de -- Alternativer Polizeikongress: Kontakte zum Feind | |
> Die polizeiliche Praxis hat sich stark verändert. Auf dem Alternativen | |
> Polizeikongress in Hamburg wurden Perspektiven Grüner Polizeipolitik | |
> diskutiert. | |
Bild: Im Februar 2009 wurde in Berlin gegen den 12. Europäischen Polizeikongre… | |
Hamburg | taz Eine Begegnung eher seltener Art: Partei-Grüne, Polizisten, | |
Polizeifunktionäre und organisierte Polizeikritiker treffen sich in der | |
Hamburger Universität, um über Perspektiven der Polizeipolitik zu beraten. | |
Auf dem Alternativen Polizeikongress, zu dem die Grünen am vergangenen | |
Wochenende geladen haben, wurde darüber beraten, ob Strategien wie die | |
Kennzeichnungspflicht von Einsatzkräften geeignet sind, auch im | |
Konfrontationsfall Wirkung zu zeigen. | |
"Grüne Polizeipolitik in Stadt, Land und Europa" lautete der Titel der | |
Veranstaltung. "Für die grüne Szene ist der Kongresstitel durchaus | |
provokativ", sagt der Organisator Jan Philipp Albrecht. Der jüngste | |
deutsche Europaabgeordnete ist aber entschieden: Eine grüne Alternative zur | |
bisherigen Sicherheitspolitik werde es nur im Dialog mit der Polizei geben. | |
Die Idee dazu ist nicht neu, Stein des Anstoßes waren dann aber die | |
aktuellen Debatten um die Dresdener Handyüberwachung und Stuttgart 21. | |
Mit rund 100 Teilnehmern ist die Beteiligung noch recht übersichtlich. Eine | |
Unterschriftenliste gegen die geplanten Einschnitte an der Hamburger | |
Universität verwies darauf, dass auch der Veranstaltungsort ein Ort des | |
Geschehens ist. Bei den Protesten gegen das Sparpaket setzte die Polizei | |
aus nächster Nähe Pfefferspray gegen die protestierenden Studenten ein. | |
Handyüberwachung in Dresden, der massive Einsatz gegen die | |
Stuttgart-21-Gegner: Dass sich das polizeiliche Vorgehen gewandelt hat, | |
betonte auch der Rechtsanwalt Martin Lemke: "Früher genügte es, eine Demo | |
24 Stunden vorher anzumelden, heute muss man das bereits 48 Stunden vorher | |
machen, bevor man überhaupt dazu aufruft." Anschließend werde eine | |
Sicherheitsüberprüfung durch die Geheimdienste vorgenommen. Etwa bei der | |
Überprüfung von Journalisten, Politikern und Anwälten bekomme die Polizei | |
Kompetenzen eingeräumt, die ihr nicht zustünden. | |
## Militärische Intervention im Wendland | |
Für Lemke, der auch Mitglied des Anwaltsnotdienstes bei den | |
Castortransporten ist, bezieht die Polizei aber auch inhaltlich Stellung. | |
Wenn der Castor rollt, sei nicht die Politik im Wendland vertreten, sondern | |
die Polizeiführung. "Die Polizei hat ihr Presseteam zu Castorzeiten auf | |
ganze 110 Beamte aufgestockt. Und meine Erfahrung ist, dass der Einsatz von | |
20.000 Polizisten eigentlich eine militärische Intervention ist." | |
Hat sich die grüne Sicht auf die Polizei im Zuge von Stuttgart 21 | |
gewandelt? Für den Grünen Albrecht läute der Kongress zwar keinen | |
Kurswechsel der Grünen ein. "An ihren Kernforderungen, etwa einer | |
weitgehenden Repressionsfreiheit, müssen sie nicht rütteln." Wohl aber | |
stehe eine Auseinandersetzung an, wie sie ihre Forderungen in der Praxis | |
umsetzen wollen und wer die Partner sind. Denn in der Polizeipolitik könne | |
sich nur etwas verändern, wenn man auch den Kontakt zu Polizisten aufnimmt. | |
Ganz uneigennützig war die Diskussion über Alternativen in der | |
Sicherheitspolitik dann wohl nicht. Wenn die Grünen in immer mehr | |
Bundesländern mitregieren, müssen sie, Albrecht zufolge, auch Verantwortung | |
übernehmen. "Nicht dass man einfach am Ende sagt, die Innenminister waren | |
ja eh von der SPD oder CDU, da können wir nichts dafür." | |
26 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Lena Kaiser | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Atomkraft | |
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